Katrin Scherer’s CLUSTER Quartett
K
Green Deer Music
Das neue Projekt der Kölner Saxofonistin Katrin Scherer befasst sich mit dem Thema Schwarm, Bündel, Zusammenballung, soweit man sich auf den Begriff Cluster bezieht. Kammermusikalisches mischt sich mit Experimentellem, geschlossene Formen mit ungebundenen Formen. Es scheint, dass sich dabei im Cover das widerspiegelt, was zu hören ist. Melodisch weichgespült ist keiner der Kompositionen Katrin Scherers. Sie hat das Cover gestaltet, das aus einer Zusammenballung spitzwinkliger, aber auch rechtwinkliger Dreiecke besteht, die wie Dornen oder Stachel erscheinen und eine lang gezogene Einheit oder Traube bilden. Aus ihr ragen wie gesagt hier und da „Dreieckshälse“ heraus. Das kann man auch als Hinweis auf die Akzente deuten, die in der Musik aus dem Gleichmaß fallen, präzis gesetzte Höhepunkte sind, sozusagen Paukenschläge ohne Pauken, da es diese im Cluster Quartett nicht gibt.
Mit den beteiligten Musikern hat Katrin Scherer die Partner gefunden, die auf Augenhöhe die spezifischen Ausdrucksformen ihrer Kompositionen ausloten und umsetzen. Zum Quartett von Katrin Scherer (Alt-, Baritonsaxfon) gehören Moritz Wesp (Posaune), Stefan Schönegg (Kontrabass) und schließlich am Schlagzeug Leif Berger. Aufgenommen wurden für das vorliegende Album ausschließlich Kompositionen der Bandleaderin wie „Rocket“ und „Feinstoff“, gefolgt von „For Marina A.“ und „Präludium“. Am Schluss sind dann „die Schnecken los“, wenn „Snails“ das musikalische Terrain erobern.
Zu Beginn zündet das Quartett eine Rakete und verfolgt deren Umlaufbahn, brummelnd die Posaune und sehr agil und beschwingt das Altsaxofon. Gibt es da auch Irritationen zu vernehmen? Es scheint so, wenn man das nervöse Spiel von Moritz Wesp wahrnimmt. Er hat sich dialogisch auf Katrin Scherer eingestellt, die ganz wesentlich die Klanglinie bestimmt, auch wenn Moritz Wesp mit seiner sich beinahe überschlagenden Posaune durchaus auch seinen Anteil an der Klanggestaltung hat. Irgendwann verfällt Katrin Scherer in einen eher lyrischen Modus verfällt. Nach und nach verspürt man eine gewisse Lethargie. Die „musikalische Rakete“ scheint in ihrer Umlaufbahn angekommen zu sein. Alle Beteiligten können entspannen. Es ist geschafft.
Wer auch immer Marina A sein mag, Katrin Scherer hat ihr eine Komposition gewidmet. Nun gut! Aufgeregtes ist zu vernehmen und auch Tieftöniges im Wechsel mit der Altstimme, oder? Im Klangspektrum des Tieftönigen bewegt sich auch die Posaune, die Redundantes zum Besten gibt, während der Schlagzeuger für Verwirbelungen und Tickticktick sorgt. Ist da etwa auch Kanonhaftes verarbeitet worden, wenn Altsaxofon auf Posaune trifft? Letztere verwandelt sich dann in ein Signalhorn, das ein wenig fern anmutet, aus Nebelschwaden sich mit einem gewissen Phlegma erhebend. Kommentierend erleben wir das Altsaxofon, das geschmolzene Klanginterventionen anbietet. Geschnalze ist hier und da eingestreut und ein Dumdum des Basses. Auch das mit dem Bass vereinte Schlagzeug hat Raum für ein Solo. Es scheint so, als wollte dabei der Bass die Aufgabe der Basstrommel übernehmen, ehe dann das Clustr 4tet wieder ins Thema zurückfindet.
Aufgemacht wird „Serenity“ von ausschweifenden Saxofonzügen. Wenn sich der Berichterstatter nicht irrt, ist dabei ein Baritonsaxofon zu hören, das sich alsbald mit der Posaune verschwägert. So entsteht ein satter Klang mit tiefen Stimmlagen, ohne zu sehr zu röhren, zu brodeln, zu blubbern oder zu grunzen. Stets ist die melodische Linie ein Element der Präsentation, begleitet von einem dramatisch sich steigernden Schlagwerkspiel. Dabei scheint das Saxofon allen anderen Instrumenten enteilen zu wollen. Der Bass sorgt für gewisse Behäbigkeit, sodass dem Enteilen auch Grenzen aufgezeigt werden. Hört man da obendrein eine gedämpfte Trompete? Es scheint so. Wahrscheinlicher ist es, dass die Posaune für gewisse Zeit des Spiels gedämpft wurde. Stolpernde Rhythmen zwischen Blech und Fell gehören zur Gestaltung, ebenso ein knarrender Bass, ehe dem Ohr des Zuhörers beruhigender Posaunen- und Altsaxofonklang geboten wird.
Schließlich lernen wir noch musikalische Schnecken („Snails“) kennen. Das Tempo der Komposition ist sehr zurückhaltend, das Stimmungsbild durch Tieftönigkeit definiert. Alles hat seinen Gang, auch das Baritonsaxofon. Mit ihm vereint sich die Posaune zu einer Art „Triumphzug im Schneckentempo“.
Man kann m. E. in allen Kompositionen Scherers ein Auseinandergehen und Vereinigen feststellen, ohne dass knifflig zu entziffernde Improvisationen vorgestellt werden. Alles hat schon sein Maß. Zwischen Posaune und Saxofon wird obendrein auf Balance abgezielt und alles das gelingt dem Quartett in überzeugender Weise.
Text © ferdinand dupuis-panther / The review is not public commons!
Informationen
http://katrinscherer.de/