Katrin Scherer’s CLUSTER Quartet - Second Brain

Katrin Scherer’s CLUSTER Quartet - Second Brain

K

Green Deer Music

Auf dem eigenen Label hat die Alt- und Baritonsaxofonistin Katrin Scherer gemeinsam mit dem Posaunisten Moritz Wesp, dem Kontrabassisten Stefan Schönegg und dem Drummer Leif Berger das vorliegende Album eingespielt. Was nur meint die Musikerin mit dem zweiten Gehirn? Entstanden ist das zweite Album des Quartetts im Herbst 2020. Dabei ist es vom Charakter her sehr an Brüchen, an Fragmenten orientiert, wie man dem Klappentext der Cd entnehmen kann. Auf das klassische Harmonieinstrument verzichtet Katrin Scherer, die eher auf die Klangfärbungen von zwei Blasinstrumenten setzt, um ihre Musik zu realisieren. Liest man den Text weiter, dann versteht man auch das Bild vom zweiten Gehirn. Es handelt sich dabei um die Fortsetzung der Ideen und der Kreativität der Bandleaderin durch die Mitmusiker, die ihre eigenen Statements abgeben.

Acht Kompositionen wurden eingespielt, die unter anderem Titel wie „Hermi & Paula“ - Aufmacher des Albums - , „Squirrel“ („Eichhörnchen“), „Garagen Punk“, „Second Brain“, „Winnetou – Antiheld“ und „Pocket Polka“ tragen. Diese lassen dabei durchaus zu, dass die Fantasie der Zuhörer  überhandnehmen kann oder auch soll.

Wer auch immer „Hermi & Paula “sein mögen, eins wird gleich vom ersten Takt deutlich: Die beiden Bläser gestalten die Komposition. Ein wenig scheint dabei auch Hanns Eisler mit im Spiel zu sein. Sehr rhythmisiert gehen die beiden, Katrin Scherer und Moritz Wesp, zu Werke, setzen sich in einen Dialog. Bisweilen meint man gar, man lausche einem Pro und Kontra. Dabei wechseln eher ins Stakkato abgleitende Passagen mit langen Linien einander ab, durchwirken sich gelegentlich, brechen ab, geben irgendwann Raum für den Schlagwerker und seine Fellwirbel. Danach lauschen wir als Zuhörer einee sehr elegisch anmutenden Sequenz, die ein wenig an Wehklagen denken lässt. Nachfolgend begegnen wir musikalisch einem polnischen Weihnachtsmann mit Kakadu. Das hat aber nun gar nichts mit einem Christmas Carol gemein, was man angesichts des Titels vorschnell denken könnte. Vollklang zeichnet das gemeinsame Gebläse von Saxofon und Posaune aus, ein wenig auch im Post Modern eingebunden, oder? Bisweilen muss man auch an eine Brass Band denken, die zu Straßenmusik aufspielt. Doch einen Gassenhauer präsentiert uns das Quartett nicht. Lineare Feinheiten sind dem Posaunisten im Weiteren zu verdanken. Dazu gesellen sich sanfte Umspielungen der Altsaxofonistin. Im Gegensatz zum ersten Stück ist das Prinzip des Miteinanders stark ausgeformt. Die Kontroverse wie im ersten Stück ist ad acta gelegt. Und auch in diesem Stück bleibt Leif Berger Raum für die eigene Entfaltung. An seiner Seite ist dabei auch der Kontrabassist mit schweren „Saitenschritten“ zu vernehmen. Nein, wir sehen kein nervös hin- und herlaufendes Eichhörnchen, das nach seinen Wintervorräten schaut, wenn „Squirrel“ zu hören ist. Eher ist das Tempo des Stücks langsam. Die Bläser bewegen sich musikalisch im Gleichschritt. Schwirrende und gurgelnde Töne entlockt der Posaunist seinem Instrument. Katrin Scherer grätscht hier und da in den Posaunenfluss mit ihren Saxofonsetzungen hinein. Dabei ergänzen sich in den tiefen Lagen Baritonsaxofon und Posaune ganz vortrefflich. Kontemplative Momente sind ins Stück dann eingebunden, wenn der Kontrabassist Saitenfolgen anstimmt. Doch lange lassen das die beiden Bläser nicht zu. Sie setzen im Stakkato ihre Klangsequenzen gegen Ende des Stücks.

Drei Akkorde oder was? Das verbindet man allgemein mit Punk. Doch der „Garagen Punk“ stammt ja aus der Feder einer Jazzmusikerin, also ist das Klangrepertoire auch breit aufgefächert. Auch in diesem Stück liegt der Fokus auf den beiden Bläsern. Gelegentlich hat man den Eindruck, Bassist und Drummer seien Beiwerk, notwendig zwar, aber in weiten Teilen auch marginal. Punk als ekstatische Musik findet sich in diesem Stück nicht, in dem Katrin Scherer mit ihrem Baritonsaxofon Klangräume nuanciert auskleidet. Zum Schluss noch ein Wort zu „Second Brain“: Ein behutsames Bass-Solo lässt uns als Zuhörer zu Beginn innehalten. Es sind manchmal die leisen Töne, die eine wichtige Zäsur bilden. Eher getragen sind die „Antworten“ der Bläser auf den Bassisten. Hier und da hat man auch die Vorstellung der sakralen Ausrichtung des Stücks, das auf laute Töne gänzlich verzichtet. Hat das vielleicht auch mit dem sozialen Rückzug in Zeiten der anhaltenden Pandemie zu tun?

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