Kari Ikonen - Impressions, Improvisations and Compositions

Kari Ikonen - Impressions, Improvisations and Compositions

K

Ozella Music

Dass ein abstraktes Werk des russischen Künstlers Wassily Kandinsky das Cover des Albums schmückt, ist kein Zufall. Der finnische Pianist Kari Ikonen erläutert seine Beziehung zu den Abstraktionen Kandinskys in den Liner-Notes. Kandinsky sei, so Ikonen, sein bevorzugter bildender Künstler, der sein Werk in drei Kategorien ordnet: Impressionen, Improvisationen und Kompositionen. Zwischen allen drei gibt es verbindende Linien, so seien Improvisationen spontane Entäußerungen eines inneren Gefühlszustandes; Impressionen seien Improvisationen, die von außen angestoßen werden, und Kompositionen seien die Bündelungen visionärer Ideen des Künstlers. Das gelte, so Ikonen, für die bildende Kunst ebenso wie für die Musik.

Aufgemacht wird mit „Imprologue“. Nachfolgend hören wir dann „Maqtu'ah On Maqam Rast“, „Pinocchio“, „Rausch“ und „Taqsim On Maqam Saba“. Zudem wurden auf dem Album „Koto“, „Oppresive“, „Three-Chord Blues“, „Trance Oriental“ und als Schlusspunkt „The Evergreen Earth“ veröffentlicht.

An schwirrende Klangstäbe unterschiedlicher Dimensionen und an metallene Windspiele muss man denken, lauscht man dem „Imprologue“. Gewiss, Ikonen spielt Klavier, aber das dürfte durchaus präpariert sein, denn sonst lässt sich der wahrzunehmende Klang von Bambus und der an ein Marimbafon erinnernde nicht erklären. Das Einführungsstück endet ein wenig abrupt, ehe dann mit orientalischen Anmutungen „Maqtu'ah On Maqam Rast“ zu hören ist. Wüsste man es nicht besser, meinte man, man höre eine Saz und eine Oud bzw. ein persisches Hackbrett namens Santur. Aber nein, Kari Ikonen ist und bleibt Pianist, was bei all den Ausschweifungen in die Sphären der Weltmusik auch zu hören ist. Der Korpus des Flügels verwandelt sich zeitweilig unter den Fingern und Händen Ikonens in ein Perkussionsinstrument, ehe wir erneut in die Welt von 1001-Nacht eintauchen. Vor unserem geistigen Auge sehen wir dann sich wiegende Sufis, oder? Der Kinderbuchfigur des italienischen Autors Carlo Collodi widmet Ikonen auch ein Stück. Es handelt sich um Pinocchio, eine sprechende Holzpuppe, die am Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund der Erzählung „Die Abenteuer des Pinocchios“ recht bekannt war. Nun also hören wir eine musikalische Hommage an die Holzfigur mit spitzer Nase. Klangwellen und Klangspitzen, Wasserfontänen gleich, verbindet der finnische Pianist zu verwobenen Texturen. Basslastiges gibt es auch zu vernehmen. Energielast entspringt aus den angespielten Klaviertasten. Gurgelnde Strudel des Klangs nehmen wir außerdem wahr.

Bei „Rausch“ wandert der Pianist in die Höhen des Diskants. Das klingt dann wie zerbrechende Eiszapfen. Zugleich aber streichen die Fingerkuppen des Pianisten hier und da über die Saiten des geöffneten Korpus des Flügels. In den Orient entführt uns Ikonen mit „Taqsim On Maqam Saba“. Suk und Medina rücken ganz nahe. Man wüsste gerne, wie es dem Pianisten gelungen ist, den Flügel so zu präparieren, dass wir eine musikalische Reise nach Nordafrika und den Vorderen Orient unternehmen. Gedämpft sind die angespielten Saiten gewiss, aber unter Umständen auch durch Hilfsmittel verändert. Jedenfalls vom klassischen Klavierklang hören wir nur fragmentarisch, ansonsten stehen eher Kanun und Santur im Fokus des Hörens. „Blue“ fasziniert durch geheimnisvolle Glockenschläge. Oder sind da doch Klangschalen mit im Spiel? Zugleich spielt der finnische Pianist auch fragile „Zwischentöne“, die von Glockenschlägen abgelöst werden. Das Stück „Koto“ nimmt im Titel Bezug auf die mit 13 Saiten bespannte Wölbbrettzither. Und fürwahr nach vollen Klaviersequenzen hört man gestrichene Saitenfolgen. Hier und da vernimmt man zudem den Klang von Tropfen, die auf die Wasseroberfläche fallen und Ringwellen bilden, die ans Ufer treffen.

„Three-Chord Blues“ hat wenig von einem klassischen Blues, sondern erinnert eher an Chopins Nocturnes oder an Miniaturen. Der Klangfluss ist nicht stetig, sondern teilweise gebrochen. Diskantes dringt ans Ohr des Zuhörers, ehe wir mit „Trance Oriental“ in andere Welten entfliehen. Dabei ist dann türkische und arabische Kunstmusik angesagt und weniger Klavieretüden und Liedgut des Nordens. Die melodischen Linien strahlen Ruhe und Erdung aus. Frühlingshafte Klangschraffuren sind auch in das Werk eingewoben. Dann scheint Mittsommernacht durchaus zum Greifen nahe, auch wenn immer wieder „orientalische Zitate“ zu vernehmen sind. Bisweilen muss man auch an tänzerische Drehungen und Schrittfolgen denken, verfolgt man Ikonens variantenreiches Tastenspiel. Den Schlusspunkt setzt Kari Ikonen mit „The Evergreen Earth“.

© fdp


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