Kaleidoskop – Sundflower
K
Hammer+Records
So bunt schillernd wie die Motive eines Kaleidoskop ist auch die Musik der Band, die aus nachstehend genannten Musikern besteht: Dimitrij Markitantov: Alto- und Sopranosaxofon, Christian Hammer: Guitar, Alex Morsey: Bass und Fethi Ak: Percussion.
Mit „Avellino“ wird das Album aufgemacht und mit „Alight at Ayensudu“ abgerundet. Beim Hören dieser wie auch anderer Stücke, die teilweise aus der Feder von Christian Hammer und teilweise aus der von Dimitrij Markitantov stammen, unternimmt man eine musikalische Reise zwischen Orient und Okzident. Bisweilen hat man den Eindruck Al Andalus, die Medina von Fez oder die Gassen von Istanbul werden musikalisch besucht. Und Balkanova mischt sich außerdem in einzelne Stücke. Auch wenn der Saxofonist weder Zurna noch Mey spielt, hat man gelegentlich doch den Eindruck, man lauscht diesen in der türkischen und arabischen Volksmusik verwendeten Instrumenten. Für den Eindruck einer Orientreise sorgen nicht nur die Harmonien, die sich auch in der türkischen und arabischen Kunstmusik finden, sondern auch Rahmentrommel und Darbuka, die Fethi Ak bespielt.
Bei den ersten Takten von „Avellino“ traut man seinen Ohren kaum, hört man doch Christian Hammer eine E-Gitarre spielen, die so gar nicht nach gängigem Rock oder Jazz klingt, sondern eher an Phrasierungen erinnert, die wir von The Ventures her kennen. Begleitet von einem sonoren Bass setzt der Gelsenkirchener Gitarrist zu einem Solo an, dabei das Thema des Stücks verfeinernd und ziselierend. Es hat den Eindruck, man erklimme eine musikalische Himmelsleiter, schwebe auf dem Klangteppich, den der Gitarrist ausbreitet. Das ist Hörgenuss pur, weil das Melodische gänzlich im Fokus steht. Für die stete rhythmische Unterfütterung sorgt Fethi Ak. Ob er Cajon oder Darbuka spielt – das ist allerdings die Frage.
An das Bild von Wolkenbänken, die sich auflösen, muss man denken, wenn Dimitrij Markitantov seinen Holzbläser sonor zum Klingen bringt. Zwischendrin gibt es auch immer wieder Verweise auf Balkanova, derweil im Hintergrund Fethi Ak für einen akzentuierten Rhythmus sorgt, wie er auch im Funk vorkommt. Das wird noch durch das spezifische Gitarrenspiel von Christian Hammer akzentuiert. Ansonsten aber erleben wir in den Klangkaskaden, die das Stück durchziehen, sehr viel Orient. Leichtfüßige Bauchtänzerinnen sieht man beim Hören von „P9“ vor seinem geistigen Auge, jedenfalls bevor Christian Hammer sein Solo beginnt. Dieses ist dann der Rockmusik der 1970er Jahre sehr nahe, als elektronische Modulationen eher weniger angesagt waren. Nach und nach begibt sich der Gitarrist bezogen auf den Melodiefluss in einen „orientalischen Modus“. Der Saxofonist, der danach an der Reihe ist, erweckt hier und da mit seinem Ansatz den Eindruck, er spiele eine Klarinette oder gar eine Zurna. Bei den Saxofon-Passagen kann man kaum still sitzen. Ein wenig Trance ist angesagt. Tanzbares jenseits von Sufi-Klängen und Derwisch-Musik hören wir, oder?
Mit einem nachhaltigen Basssolo wird „Sunflower“ eröffnet. Fein sind die eingewebten Gitarrenklänge. Und auch der Saxofonist ist Teil der lyrischen Ausrichtung des Stücks. Im weiteren Verlauf meldet sich nochmals der Bassist zu Wort, die thematischen Linien brummend und eher mit Bodenhaftung ausgestattet, während doch aus den Passagen zuvor eher das Beschwingte zu destillieren ist. Im Weiteren treffen Bass und Gitarre aufeinander, verfolgen jeder die eigene Klanglinie. Dabei treffen Weichzeichnungen auf dichte Schraffuren. Sobald der Saxofonist ins musikalische Geschehen eingreift, hat man auch den Eindruck, man erlebe sephardische Musik aus Al Andalus, oder?
Ballade oder nicht – das stellt sich als Frage bei „Väterchen Frost“. Getragen kommt das Stück daher. Angesichts der Figur, die dem Song den Namen gab, also die Personifikation des Winters, der mit Schneelast und Winterruhe einhergeht, ist diese gewisse Getragenheit stimmig. Auch der gestrichene (?) Bass inszeniert den Winter. Dass Väterchen Frost, eine slawische Märchenfigur an Neujahr die Kinder beschenkt, steht dabei nicht so sehr im Fokus.
Christian Hammer lässt uns in seinem Saitenspiel an eine tiefverschneite Landschaft, an frühe Nächte, an loderndes Kaminfeuer und Punsch denken. Der Alltag ist verlangsamt und bar jeder Hektik, so ist jedenfalls die musikalische Botschaft, die transportiert wird. Welch ein Kontrast bildet dazu „If seven was eleven“. Da glaubt man sich mitten in einer Roma-Hochzeit in einem Dorf auf dem Balkan. Es geht links herum und rechts herum. Lachen und Jauchzen ist zu hören. Ausgelassenheit ist das Motto. Ungeheuerlich verspielt sind die eingebundenen Gitarrensequenzen, ehe es wieder ins Tutti geht und im übertragenen Sinne die Tanzbeine in die Luft fliegen. Selbst der Bassist zeigt „unbändige Tanzfreude“, wenn er den Saxofonisten begleitet. Dieser zeichnet sich durch ein sonores Spiel aus, das hier und da nicht nur die Höhen des Sopransaxofons ausreizt, sondern im Ansatz eine gewisse Nähe zur Mey zum Vorschein kommen lässt. Nach der Ausgelassenheit von „If seven was eleven“ erleben wir „21 Monkeys“. Das hat aber so gar nichts mit dem Ohrwurm „Die Affen rasen durch den Wald“ zu tun. Eher vermeint man, man erlebe klanglich, wie sich der Nebel aus dem Nebelwald langsam zurückzieht. Gegen Ende hört man die Vielfalt der Stimmen des Urwalds. Ist da etwa eine Maultrommel mit von der Partie?
© ferdinand dupuis-panther
Infos
https://kaleidoskop1.bandcamp.com/releases
https://jazzhammer.wordpress.com
Trackliste
1. Avellino 07:53
2. P9 05:28
3. Sunflower 06:22
4. Dav 12:51
5. Väterchen Frost 05:49
6. If seven was eleven 05:27
7. 21 Monkeys 03:46
8. Alight at Ayensudu 08:49