Jutta Hipp: The German Recordings 1952-1955

Jutta Hipp: The German Recordings 1952-1955

J

Jazzhaus Label, Catalogue No.: 101723

Jutta Hipp, das „Frauleinwunder“ und einzige weiße Europäerin, die Mitte der 1950er Jahre bei dem sehr angesehenen Label Blue Note einen Vertrag unterschrieb, ist zu hören, wenn auch auf dem vorliegenden Album nicht alleine. Wahrscheinlich wäre diese aus Leipzig gebürtige Pianistin längst in totale Vergessenheit geraten, hätte nicht das Bremer Label Laika Records das Album „Cool Is Hipp Is Cool“ veröffentlicht. Besondere Verdienste um zahlreiche „vergessene Einspielungen“ hat sich das Label ArtHaus Musik/jazzhaus erworben, das in der Reihe „Lost Tapes“ Live-Aufnahmen und Studio-Einspielungen von Jutta Hipp herausgegeben hat.



 

Jazz statt Kunst
Jutta Hipp, die ein Kunststudium erfolgreich absolvierte, sich aber dann nach ihrer Flucht aus dem Osten in den Westen der Jazzmusik verschrieb, ist auf dem vorliegenden Album mit einer Reihe von Jazzmusikern zu hören, deren Namen bis heute nachhaltig nachklingen. In diesem Kontext seien der Gitarrist Atilla Zoller und der Posaunist Albert Mangelsdorff genannt. Sie gehörten zu den Männern der ersten Stunde des Jazz in Deutschland. Jutta Hipp, die in ihrem weiteren Leben zahlreiche Schicksalsschläge erdulden musste, hatte das große Glück eben genau auf diese zu treffen, obendrein auf den Flötisten Emil Mangelsdorff, die Tenorsaxofonisten Hans Koller und Joki Freund oder auch Fred „Shorty“ Roeder am Bass.

Energiegeladener Duktus
Hipp zeichnet ein besonders energiegeladenes Klavierspiel aus. Dabei dominieren eine sehr akzentuierte Basslinie und ein Duktus, der Erroll Garner sehr nahekommt. Die Improvisationen verlieren sich bei Hipp nie im Unendlichen, sind allerdings obertönig begrenzt. Das entsprach dem damaligen Geschmack, der von Bebop und Cool Jazz bestimmt wurde. Weitgehend lineares Spiel war angesagt. Hipp scheint zudem ein Faible für das Bluesige gehabt zu haben. Bereits der erste Titel des Livemitschnitts im Rahmen von SWF Jazztime in Koblenz verrät die Zuneigung zum Blues. Unter Umständen ist diese aber auch der Kooperation mit dem Saxofonisten Hans Koller geschuldet.

Die Basslinie des Klaviers rollt unter den Händen der sehr attraktiven rothaarigen Pianistin Jutta Hipp. Sie lässt es aber auch in höheren Tönen perlen. Stets jedoch gilt bei „Blues After Hours“ der Basslinie ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Eroll Garner erklingt bei „Errol's Bounce“, gespielt mit kräftigem Duktus. Doch die Musik swingt auch wunderschön, dank auch der Begleitung von Karl Sanner am Drums und Franz „Shorty“ Roeder am Bass, dessen hintergründiges Gezupfe nachhaltig den Höreindruck bestimmt. Beinahe wäre es gar ein Boogie geworden, wenn es einen Walking Bass gäbe, aber auf den verzichtet Hipp bei ihrem virtuosen Spiel.

Lyrisch geht es bei „Gone With The Wind“ zu, weitgehend den zarten Saxofonsequenzen von Hans Koller geschuldet. Hipps sonst sehr kraftvolles Spiel ist hier weniger zu vernehmen. Stattdessen lauschen wir verträumt den dahingleitenden Improvisationen. Schaut man weiter auf die Liste der aufgenommenen Titel, so finden sich ausschließlich „Standards“ wie „Stomping At The Savoy“, „Moonlight In Vermont“ oder „What Is This Thing Called Love“, aber keine Kompositionen von Hipp. Diese finden sich auf der oben genannten Einspielung des Ilona Haberkamp 4tets mit dem Titel „Cool Is Hipp Is Cool“!

Old School Jazz – und das ist gut so
Zwei Titel von Cole Porter hat Jutta Hipp aufgenommen, live das bereits erwähnte Stück „What Is This Thing Called Love“ und als Studio-Einspielung „The Foolish Things“. Auch zwei Kompositionen der Bandmitglieder Albert Mangelsdorff (Sound-Koller“) und von Joki Freund („Serpentine“) gehörten zum Repertoire von Hans Koller, Albert Mangelsdorff, Joki Freund und Jutta Hipp. Weitgehend ist es „Old School Jazz“, dem wir uns beim Hören hingegeben dürfen. Es ist eine sehr kontemplative Musik und sicherlich heute nicht nach dem Geschmack eines jeden.

Es ist nicht nur Hipp
Hipps Spiel ist, folgt man den einzelnen Kompositionen, sehr variantenreich. In „Out Of Nowhere“ agiert Hipp sehr zurückgenommen. Hans Koller mit seinem Tenorsaxofon hat hier das Wort an sich genommen. Hipp ist eher rhythmisch aktiv und Koller entführt uns zu schwebenden Klangwolken. Ohne auf die verspielten Sequenzen zu verzichten, die wie ein plätschernder Quell anmuten, sorgt Hipp dabei stets für die „Erdung“. Unterstützt wird sie dabei von Franz „Shorty“ Roeder am Bass. Wie gut die Musik ankam, als sie im November 1952 live zu erleben war, zeigt der aufbrausende Beifall nach den jeweiligen Stücken. Es gab also, so muss man unterstellen, auch in diesen Tagen bereits Jazzliebhaber und Menschen, die sich nach den Jahren der Zensur derartige Musik gewünscht haben. Keine Frage, die Musik der 1950er Jahre schmeichelt dem Zuhörer und brilliert durch ihre gut abgestimmten Hörfarben.

Eine Frühlingsbrise
Manchmal bekommt man eine frische Frühlingsbrise serviert wie bei „What's New“, auch bedingt durch Albert Mangelsdorffs Posaunenpassagen und Kollers Saxofonphrasierungen. Dazu begleitet Hipp beinahe im Bach'schen Stil, wenn sie mit einem Zwischenspiel an der Reihe ist. Überaus aus flott geht es bei „Sound-Koller“ zu, einem Stück, das Albert Mangelsdorff wohl Hans Koller ganz und gar auf den Leib geschneidert hat. Wer beim Zuhören nicht mit den Fingern schnippt und mit dem Fuß wippt, dem ist nicht mehr zu helfen, oder?

In den Harmonien beinahe an „Macky Messer“ erinnernd, so stellt sich „Gone Back To Sorrento“ dem Hörer vor. Ein Hörgenuss ist das Gitarrensolo von Atilla Zoller bei „Daily Double“.

Jutta Hipp steht zwar im Fokus der Zusammenstellung von Aufnahmen, doch das bedeutet nicht, das Augenmerk von den begnadeten Musikern zu nehmen, mit denen sie auftreten konnte.

Dokument der Zeitgeschichte
Was hier als Album vorliegt, ist ein wichtiges Dokument der Geschichte des Jazz, zugleich ist es eine Hommage an die vor Jahrzehnten an Krebs gestorbene Jutta Hipp. Nachdem sie eine kurze steile Karriere in New York erlebte, musste sie wegen fehlender Engagements als Näherin in der Bekleidungsindustrie von Queens ihre Brötchen verdienen. Seither blieb ihr Klavier stumm. Hipp hatte sich vollständig aus der Jazzszene zurückgezogen. Die Welt des Jazz stand ihr nicht mehr offen. Bemühungen des Klarinettisten Rolf Kühn um ein „Comeback“von Jutta Hipp waren vergeblich. Deutschland hat sie nie mehr besucht. Sie hatte ihrem Leben als Musiker den Rücken gekehrt und das blieb bis zu ihrem Tode so.

© ferdinand dupuis-panther

Informationen

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http://arthaus-musik.com/jazzhaus/cd.html


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