Julien Tassin – Moondancer
J
Igloo Records
Nein, ein Soloalbum hat der belgische Gitarrist Julien Tassin nicht eingespielt, auch wenn man das beim Blick auf das Cover denken würde. Das vorliegende Album wurde von einem Trio aufgenommen, zu dem auch der Bassist Nicolas Thys und der Drummer Dré Pallemaerts gehören. Simon Defosse und Valerie Lenders haben das Cover gestaltet, durchaus im Geiste von Franz Marc und Hermann Stenner, deutsche Expressionisten, die sich auch mit dem Kosmischen und Mystischen befasst haben. Das Cover zeigt gefangen von einer schwarzen, tunnelgleichen Riesenwelle einige typisierte Personen in unterschiedlichen Farbnuancen. Am Beginn des Albums steht die „Ouverture“, ehe es mit „Slow Motion“ und „Blackout“ weitergeht. Besungen wird zudem „La Nonna“, die Großmutter, und die Insel „Rhodes“. Nicht der Mann im Mond, sondern der „Moondancer“ tritt in Erscheinung, ehe es um die junge Nacht geht: „The Night Is Young“.
Auf der Homepage von Tassin finden wir folgende Beschreibung: „Even without using words, Julien Tassin is a storyteller. He’s the kind of musician who obviously spent some time acquiring technique and skills on the guitar, but above all values the expressive power and potential of music.“ So darf man auf die Erzählkunst mit Saitenflirren und -schwirren gespannt sein.
Vorab schon mal eine Bemerkung: Bereits bei den ersten Takten und Akkorden beschlich den Rezensenten ein Déjà-vu: Tassins Gitarrenriffs erinnern durchweg an die klaren Gitarrenlinien der erfolgreichsten Instrumental-Rockband aller Zeiten, erinnert an die us-amerikanischen The Ventures, die 1959/60 ins Leben gerufen worden. In Zeiten elektronischer Effekte und Modulationen überrascht dieser klare Klang jenseits aller Schnörkel. Die Gitarre klingt wie eine ohne Hall, Verzerrungen, Delays oder Wah-Wah. Tassins melodische Phrasen sind eine Wohltat für das Gehör und eine klare Absage an überbordende Effekte, die die Musik der Gegenwart vielfach überladen.
Wie das sachte Rauschen des Windes oder wie das Sprudeln eines aufsteigenden Wasserspiels klingen die Gitarrenpassagen in der „Ouverture“. Das hat teilweise schon klassische Anmutungen. Man denke dabei an klassische Gitarrenetüden. Im weiteren erleben wir kristallklaren Saitenschwall, der sich fein ergießt. Das, was wir hören, klingt teilweise wie die Stimme eines Erzählers, der Sagen und Legenden aus dem Stehgreif vorträgt. Behutsames Schlagwerk und Basszupfen begleiten das Gitarrenspiel in „Slow Motion“, ein Stück mit wiederkehrenden Motiven und in getragenem Modus. Zwischenzeitlich meint man, Rhythmen zu hören, die an Märsche erinnern. Sehr überzeugend ist das zeitweilige Frage- und Antwortspiel zwischen Nicolas Thys und Julien Tassien. Aus diesem löst sich der Gitarrist und präsentiert uns einen perlenden Klangfluss. Klangfolgen mäandern im weiteren Verlauf des Stücks. Von Dunkelheit ist bei „Blackout“ gar keine Rede. Beinahe balladenhaft kommt der Titel daher. Und dann, ja dann schwirren die Gitarrensaiten so wie bei der Musik von The Venture. Dabei changiert die Musik zwischen West Coast, Western und Rockmusik, Letzteres gewiss auch bedingt durch das Schlagwerk von Dré Pallemaerts. Beim Hören fragt man sich dann auch gewiss: Ist das Rock oder doch Jazz?
„La Nonna“ zeigt, dass das Trio auch die leisen Töne zum Klingen bringen kann. Sehr interessant ist dabei das Wechselspiel zwischen Bass und Gitarre sowie den verschieden gelagerten melodischen Phrasierungen. Während der Bass für das Bodenständige steht, steht das Gitarrenspiel für das Dahinschwebende, für Leichtigkeit und eine gewisse Zerbrechlichkeit. Urlaubserinnerung oder was? Das ist die Frage bei dem Stück „Rhodos“. Die Eröffnung des Stücks gehört dem Bassisten Nicolas Thys, der auch die Obertöne des Tieftöners anspricht. Wie dahinschwebendes und vergehendes Glockengeläut mutet an, was Tassin zeitweilig spielt, ehe er dann in den Ventures-Modus abdriftet. Wäre der Titel Filmmusik jenseits von Ennio Morricone, so wäre er für einen klassischen Western mit der Felsenkulisse von Utah durchaus passend. Und vor dem geistigen Auge tauchen dann Leinwandhelden wie Clint Eastwood, Yul Brunner oder Lee Van Cleef auf, oder? „Moondancer“ ist nicht mit „Moondance“ oder „Moonwalk“ von Michael Jackson zu verwechseln. Nein, auch in diesem Stück sind Pop und Garage Rock sehr nahe, so wie das auch in der Geschichte der Band The Ventures der Fall war. Mit dem Klang des nächtlichen Stundenschlags eröffnet dann schließlich „The Night Is Young“. Beinahe aus dem Off entwickeln sich die Gitarrenphrasierungen, feinst ziseliert und getragen. Dazu hört man den gestrichenen Bass, der eine Art Klangteppich ausrollt. Hier und da sind auch Anklänge an eine Hawaii-Gitarre auszumachen. Doch im Kern ist die Musik durchaus in den Kreis von Singer/Songwriter und Pop einzuordnen.
© ferdinand dupuis-panther (fdp)
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