Julien Marga 4tet - Hypnosis
J
self produced
Tanzende Schatten zieren das Cover der vorliegenden Veröffentlichung. An Hypnose denkt man dabei kaum, oder? Doch das Album trägt nun mal diesen Titel. Warum auch immer!
Eingespielt wurde es durch ein Quartett um den Gitarristen und Komponisten Julien Marga. Zu diesem Quartett gehören der Pianist Geoffrey Fiorese, der Kontrabassist Jordi Cassagne und der Drummer Lucas Vanderputten. Bis auf „Lawns“ (comp. Carla Bley) zeichnet der Bandleader Julien Marga für die Kompositionen verantwortlich, ob für „Serendipity“, „1m57“ oder „Hypnosis“. Zu hören sind außerdem „Songs“ wie „Stories From An Old Man“, „Tonga Soa“ und zum Schluss „The Privilege Of Being“.
Über die Musik des Quartetts um den aus Frankreich stammenden Gitarristen liest man unter anderem: „Une musique très travaillée, interprétée avec cœur, assez aérée pour laisser des espaces d’expression à chacun" (Culture Jazz, France). Zudem: "Le Jazz nouvelle génération arrive" (Romain Decoret - Guitarist Acoustic).
Bei „Serendipity“ malt das Quartett für uns eine Wasserlandschaft in Klangformen. Dabei stehen die melodiösen Linien im Vordergrund, vergleichbar mit den schwungvollen Bändern in den Händen einer rhythmischen Sportgymnastin. Die deutsche Übersetzung des englischen Titels lautet „Glück“ bzw. „glücklicher Zufall“.
Kristalline Klangbilder reihen sich bei diesem Stück außerdem aneinander. Dabei liegt die Ausgestaltung weitgehend in den Händen des Gitarristen, während die Rhythmusgruppe im Hintergrund agiert, wenn auch der Schlagzeuger durchaus zu gewaltigen Trommelturbulenzen ausholt. Derweil spinnt der Gitarrist einen seidenen Klangfaden, hier und da unterstützt vom Pianisten des Quartetts.
„1m57“ ist nachfolgend zu hören. Dabei entgeht dem Zuhörer eine fein gewebte Wiederholung von Klangformen nicht. Würde man nach einem Bild suchen, so scheint der Hinweis auf barocke Wasserspiele durchaus angebracht. Ob es nun gerade die von Kassel-Wilhelmshöhe sind, die sich u. U. aufdrängen, entscheidet der Hörer für sich. Wer dem Spiel von Julien Marga folgt, der kann sich fallen lassen. Es hat den Eindruck, Marga habe einen fliegenden Klangteppich ausgebreitet, auf dem wir schwerelos dahinschweben können. Für Bodenhaftung sorgt das aufgeladene Spiel des Pianisten und des Kontrabassisten. Das ist allerdings nicht frei von perlenden Sequenzen.
Müsste eine Komposition namens „Hypnosis“ nicht auch Ansätze von „Beschwörungsformeln“ haben? Weich gezeichnet erscheinen die melodischen Ausformungen jenseits von jedweder New-Age-Allüre. Vor allem das Lyrische erhält in dieser Komposition breiten Raum, auch und gerade, wenn sich tonale Rinnsale ausbreiten, dank an den Pianisten Geoffrey Fiorese. Zu vernehmen sind verschlungene Phrasierungen, aber keine Beschwörungen und Suggestionen. Gut und gerne könnte man angesichts der pastösen Linien das Stück auch „A Day In Spring“ nennen. Auch „Spaziergang im Bois de Boulogne im Mai“ wäre ein ansprechender Titel.
Erzählt werden von dem Quartett um Julien Marga auch „Stories From An Old Man“. Mit einer gewissen Getragenheit agiert das 4tet bei dieser Komposition. Die Langsamkeit als Ausdruck des Alters? Es scheint so. Alles ist zwar im Fluss, doch eine gewisse Trägheit ist nicht wegzuwischen. Es scheint so, als wolle das Quartett zum Ausdruck bringen, dass jeder Schritt wohl überlegt sein muss. Zwischenschritte müssen gemacht werden. Ein Innehalten scheint essentiell, auch wenn Julien Marga über weite Strecken eine gewisse Leichtigkeit im Spiel an den Tag legt. Wurde da nicht auch eine Art Lamento in die Komposition eingebunden, wenn der Pianist sein Solo präsentiert? Oder zieht der alte Mann am Ende seines Lebens ein wenig nachdenklich gestimmt einfach nur Bilanz?
Als Schlussakkord erleben wir „The Privilege Of Being“: Bei den ersten Takten muss man betreffs der Begleitung an Songs aus der Ära der Protestsongs der 1970er Jahre denken. Folklore scheint auch mit im Spiel zu sein. Der Genuss wird zeitweilig durch einen metallischen Beiklang gemindert, der durch das Gleiten der Finger über die Saiten hervorgerufen wird. Das Folkloristische löst sich im Weiteren auf. Ein knurrender Bass trifft auf perkussive Wirbel und Überschläge. Dazu folgt Julien Marga einer sanften Melodielinie. Kristallen klingt das, was der Pianist ab und an einstreut. Man mag sich da Schneeschmelze und brechendes Eis vorstellen. Blechturbulenzen lassen an steten Nieselregen denken, der auf ein Blechdach niedergeht.
Text © ferdinand dupuis-panther – Der Text ist nicht Public Commons!
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