John Wolf Brennan - Nevergreens
J
Leo Records
John Wolf Brennan, geboren 1954 in Dublin/Irland, aber schon lange in der Schweiz heimisch, legt mit „Nevergreens“ ein beachtenswertes Soloalbum vor. Dieses enthält 20 Kompositionen, die den Hörer mitreißen, weil Tastenverwässerungen nicht die Sache von Brennan sind. Bekannt geworden ist Brennan vor allem mit dem Ensemble Pago Libre, mit dem er seine Passion für Klassik, Jazz und Folkmusic auf ganz eigene Art zum Ausdruck bringt. Es würde zu weit führen, im Rahmen dieser Rezension auf sein Kompositionswerk zu schauen. Selbst seine Soloprogramme sind beachtlich, angefangen bei “Pictures in a Gallery” über „Das Wohlpräparierte Klavier” und „The Speed of Dark“ bis hin zu “Nevergreens”.
Mit „Do U see the Way“ und „Parto“ macht das aktuelle Album auf, gefolgt von „Ever for Never“, „Belles'n'Decibels“ und „Kerava“. Weitere vorgetragene Kompositionen sind unter anderem „Isle of View“, „Phi“ und „Rump-L-Rumba“. Zudem nimmt uns der irisch-schweizer Pianist auf musikalische Valser Pfade mit: „Auf Valser Pfaden-Läntahütte“, „Auf Valser Pfaden-Murmelitanz (Marmot's Dance)“ und „Auf Valser Pfaden-Zerfreila“. Ist „Fake Five“ eine Ironisierung von „Take Five“? Das wäre zu klären, gewiss. Schließlich endet die musikalische Reise in „Kyoto“.
Frühlingsduft oder Herbstlaubrauschen – das fragt man sich bereits nach den ersten Takten von „Do U see the Way“. Da kaskadieren die Klangfolgen und verlieren sich, um dann erneut in den Vordergrund zu drängen. Eher mit Schwere zeigt sich „Parto“. Beim Hören hat man den Eindruck, dass hier ein Abschied – ob auf Zeit oder dauerhaft – zu Gehör gebracht wird. Dass der Titel aus dem Italienischen entnommen wurde, erfährt man aus dem Textbooklet. Aber zugleich wird vermittelt, dass der Begriff Abschied wie auch Geburt, also Ende und Anfang, bedeuten kann. Und so werden von Brennan Klangfäden versponnen, die einen Anfang haben, die sich kreuzen, verknotet und entknotet werden. Es ist feinstes Gespinst, teilweise im Diskant, teilweise mit langen Fäden geknüpft bis zum Ende. Stundenschlag oder Glockenläuten – so stellt sich gleich zu Beginn die Frage, wenn „Belles'n'Decibels“ erklingt. Lauscht man dem „Glockenspiel“ von Brennan, dann erinnert das an das morgendliche Geläut, das man bei einem Besuch auf Malta erleben kann. Die maltesische Insel vibriert dann unter den Glocken, die die Gläubigen zur Frühmesse rufen. Im Laufe des Stücks vergeht der Glockenklang und man meint, man erlebe ein dramatisches Unwetter mit Donner und Eisregen, der zerspringend auf Asphalt trifft. Nicht zu überhören sind Brennans starke Bassgründungen und die Umspielungen, die bildhaft gesprochen feinen Fontänen gleichen. Und zum Schluss mündet alles wieder in Glockengeläut, das langsam vergeht.
Die nächste Komposition namens „Kerava“ bezieht sich auf eine kleine Stadt in Finnland, einem Land, in dem Tango gepflegt wird. Ja, Tango ist nicht allein in Buenos Aires Zuhause. Brennans Stück nimmt bassorientierte Tangorhythmik auf, ohne Astor Piazzola oder andere Tangovirtuosen zu imitieren. Vielmehr mischt Brennan auch den Schwermut nordischer Musik bei. Gezupfte Saiten vernimmt man bei „Lost in Violin – Variation on Mani Matter's emene lääre Gygechaschte“. Zudem hören wir auch Melodica, ehe dem Klavier aufquellende und dahinrollende Klangfolgen entlockt werden. Das hat beinahe Ragtime-Anmutungen.
Eine Art Springtanz entfaltet sich in „Rump-L-Rumba“. Dabei reizt Brennan alle Aspekte eines präparierten Pianos aus. Eher mit Anklängen an Klassik Volksmusik kommen die drei Valser Pfade daher, so auch der „Murmelitanz“. Nein, Brennan nimmt nicht das sehr bekannte Thema von Brubeck's „Take Five“ auf, wenn er „Fake Five“ spielt, sondern widmet sich eher der konzertanten Neoromantik, oder?
Fazit: Die Soloperformance von Brennan ist hochklassig, abwechslungsvoll und nicht in lyrischer Verspieltheit sich verlierend. Mehr davon, jenseits von Pago Libre, oder?
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