Joe Kučera & Ralph Billmann - Memories Looking Back
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Self produced
30 Jahre Berliner und deutsche Jazzgeschichte versammelt sich auf den beiden vorliegenden CDs. Dabei sind Aufnahmen zu hören, die der Bariton- und Sopransaxofonist Joe Kučera gemeinsam mit dem Pianisten und Keyboarder Ralph Billmann zusammengetragen hat. Ihnen zur Seite standen Musiker wie Earl Bostic, Michael Clifton, Gerard Batrya, Akira Ando, Eddie Hayes, Manfred Tapped und Gerd Kauland, um nur einige zu nennen, deren musikalische Wege sich in Berlin kreuzten. Damals wie heute ist die deutsche Hauptstadt ein Hot Spot des internationalen Jazz. Dazu tragen auch die bis heute vorhandenen zahlreichen Klubs, ob A-Trane, B-Flat, Schlot und weitere Locations bei.
Eröffnet wird das Doppelalbum mit einer Komposition von R. Billmann names „Maikäfer“. Zu hören ist dabei eine Quartettformation, zu der auch Stefan Thimm (drums) und Manfred Tappert (bass) gehören. Für „1000 Gründe“ kam ein Sextett zusammen, um die Aufnahme einzuspielen. Mit von der Partie sind neben Kučera und Billmann unter anderem Carlos Mieres (guitar), Jose J. Cotijo (perc), G. Batrya (bass) und Rolo Rodriguez (drums). Weitere Kompositionen, denen wir lauschen können, stammen aus der Feder des leider verstorbenen Ralph Billmann, ob „Preppy“, „Flying“, „Opus“ und schließt als Abrundung der ersten CD „Schwarzweiß“.
Die zweite CD macht mit „Sowie“ auf, gefolgt von „Wassertropfen“ und „Salines“. Auch für diese zeichnet Ralph Billmann verantwortlich. Den Schlussakkord setzen die Musiker mit „Lissabon“ und „Atalaia“.
30 Jahre sind an den Musikern nicht spurlos vorbeigegangen, wie man den Porträtfotos des Booklets entnehmen kann. Ralph Billmann, der auch mit diversen Rockbands wie Klaus Lage Band, Airship, Arakontis und Fences aufgetreten ist, ist leider kürzlich verstorben. Joe Kučera, der ein Jahr nach dem Prager Frühling seine Heimat verlassen hat, ist stets noch bei Gigs in Berlin zu hören.
Was nun vorliegt, ist grob gesprochen auch ein Kaleidoskop des Jazz Rocks. Das beginnt schon bei „ Maikäfer“ und setzt sich nicht nur in „Caminando“, sondern auch in den übrigen Kompositionen fort. Das war vor 30 Jahren der Zeitgeist, als Bands wie Nice, Spyra Gyra, Chicago, Blood, Sweat & Tears sowie das United Jazz & Rock Ensemble mit Fusion den Jazz mit Rockelementen durchmischten. Bei Kučera und Konsorten heult und rockt die E-Gitarre, verführt das lyrische Spiel des Sopransaxofons beinahe im Modus von Smooth Jazz, hört man Fender Rhodes, ein Instrument, das aus dem Gegenwartsjazz fast vollständig verschwunden ist.
Ralph Billmann überzeugt mit versiertem, energetischem Tastenspiel. Bisweilen tauscht Kučera das Sopransaxofon ein und lässt sein Baritonsaxofon so wie in „1000 Gründe“ sonor schnurrend. Immer ist Tempo im Spiel und Raum für Solos, sodass G. Batrya auch seinen E-Bass zum Schwirren bringen kann, ohne dass der tief gegründete Saitenklang von anderen Instrumenten überlagert wird.
Zur Geschichte des Berliner Jazz gehört auch eine Aufnahme wie „Another Way“, bei der der Schweizer Bassist Hans Hartmann zu hören ist, der zurzeit seinen Lebensabend in einem Pflegeheim verbringt und sowohl seinen Bass als auch sein Chapman Stick aus den Händen gelegt hat. Bei diesem Song erweist sich Kučera als ein Meister auf dem Sopransaxofon, das jubiliert, triumphiert, sich exaltiert gibt. Für einen steten Fluss des Melodischen sorgt derweil Ralph Billmann auf den schwarzen und weißen Tasten. Er verliert sich nicht in einem verwässerten Spiel, sondern setzt harte rollende Akzente. Hartmann lässt bei „Another Way“ seinen Tieftöner weitläufig und mit einer gewissen Behäbigkeit ausgewiesen schwingen.
Ja gewiss, es gab Phasen der Jazzgeschichte, da war die Violine auch präsent, aber im Jazzrock weniger. So präsentiert „Preppy“ dank des lyrischen Bogenspiels des am Prager Konservatorium ausgebildeten Jan Hrubý eine ganz besondere Klangnuance, obgleich auch in diesem wie auch anderen Stücken die Dominanz des Saxofons nicht wegzuwischen ist. In „Opus“ vernimmt man ein Duo zwischen dem Pianisten Billmann und dem Violinisten Hrubý. Lang gezogenes Saitenspiel trifft dabei auf ein kaskadierendes Tastenspiel.
Bei „Sowie“ zu Beginn der zweiten Cd ist am Bass der aus Detroit stammende Earl Bostic zu hören. Violinenstrich vereint sich mit dem leicht ätzigen Klang des Altsaxofons, und Ralph Billmann lässt sein Keyboard klingen. Auch in „Wassertropfen“ sind der Violinist Hrubý und der Bassist Bostic mit im Spiel. Dabei werden auch Erinnerungen an eine Band wie „The Flock“ und Jazzgeiger wie Didier Lockwood oder Jean Luc Ponty wieder wach. Mit einem Einschlag Salsa kommt „Broken leg“ daher. Dabei ist unter anderem der Flügelhornist Eddy Harris neben G. Kauland am Bass und J. Gebauer am Schlagwerk zu hören. Zudem schnurrt, säuselt und röhrt ein Saxofon, dank an Joe Kučera.
Zum Schluss noch ein Wort zu „Atalaia“ mit einem Geigensolo zu Beginn, das wehmütig-getragen daher kommt. Beim Zuhören hat man den Eindruck, man lausche einer Serenade, was sich zeitweilig ändert, wenn Billmann in die Tasten greift. Doch die Geige verschafft sich mit ihren melodischen Konturen nachhaltig Gehör und bestimmt bis zum Ende die Klangwelt von „Atalaia“ (comp. R. Billmann).
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
http://www.joe-kucera.com/discography.php/2016/08/01/raph_billmann_aamp_joe_kua_era_lbr_gmemo