Joachim Badenhorst - Kyoto
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https://joachimbadenhorst.bandcamp.com/releases
Kyoto, die ehemalige kaiserliche Residenz und UNESCO-Weltkulturerbe, war für Wochen auch der Lebensmittelpunkt des Klarinettisten Joachim Badenhorst, der eigentlich in Antwerpen sein Zuhause hat. Die Corona-Pandemie zwang ihn länger in Japan zu bleiben, als geplant. Was lag also näher, als eine Art Klangtagebuch zu konzipieren, das nun vorliegt. Man könnte auch von einer Klangcollage oder Klangschnipseln reden, die während des Aufenthaltes in Kyoto entstanden sind. Dabei hat sich Badenhorst schon intensiv mit den kulturellen Schätzen Kyotos beschäftigt. So finden wir auf dem vorliegenden Album einen Titel wie Nanzen-ji (zuvor Zenrin-ji). Dabei handelt es sich um einen der bekanntesten Tempel (Haupttempel der Nanzen-Schule) des Rinzai-Zen. Auch den Daimonji-yama, einen Hügel, von dem aus man einen fantastischen Blick auf die Stadt genießen kann, hat Badenhorst in sein akustisches Porträt von Kyoto einfließen lassen.
Bei Tetsugaku No Michi handelt es sich um einen von Kirchbäumen, Tempeln und Schreinen gesäumten Weg, der auch Philosophenweg genannt wird. Auch dies ist eine Facette der ehemaligen Kaiserstadt, mit der sich Badenhorst musikalisch auseinandergesetzt hat. Den Bukko-ji, einen Tempel der Shingon-Richtung des Buddhismus in Kyoto, lässt Badenhorst für die Zuhörer gleichfalls lebendig werden. Doch neben den Bezügen zu Kyoto finden sich auch Kompositionen, deren flämische Bezeichnungen auf die Wurzeln Badenhorsts verweisen. Da ist von salbungsvollen Sätzen die Rede, aber auch davon, dass es aufklart. Inwieweit damit ein Brückenschlag zwischen Fernost und Europa geschlagen wird, kann nur vermutet werden.
Sehr situativ scheint Badenhorst an sein Werk gegangen zu sein, mischt er doch Alltagsgeräusche, auch das Gebrabbel seines Nachwuchses, in die Aufnahmen, die er vorgelegt hat. Zudem erlebt man den Instrumentalisten auch stimmlich.
Vogelgezwitscher, Glöckchenklang, verzerrter Gesang und Synthesizer-Wabern machen „Daimonji-yama“, Gelächter mischt sich obendrein unter den Gesang, der schwer in seiner Textaussagen zu dechiffrieren ist. „Car Rental“ eröffnet mit sattem Rhodes- bzw. Synth-Klang mit gewissem Widerhall. Und dann nimmt man auch einen sonoren Flötenfluss wahr, gepaart mit Techno- und Hip-Hop-Beats. So meint man zumindest. Sprechgesang mischt sich unter die zischenden, scharfen Beats. Und danach werden wir von plätscherndem Wasser empfangen, wenn es um „Nanzen-ji“ geht. Ist es eine Posaune oder ein fernöstliches Blasinstrument, das wir zudem vernehmen? Säuglingsgebrabbel eröffnet „Harihata river“. Kristallin anmutendes Schlagwerk, ausgelöst durch Schläge auf Klangschalen, Schellen und ähnlichen Instrumenten fängt die Flussszenerie ein. Gänzlich in die Welt einer elektronischen Klangcollage entführt uns Badenhorst mit „Klein zwijntje“. Und auch an dieser Aufnahme hat der Nachwuchs der Familie Badenhorst seinen akustischen Anteil. Ach ja, neben dem Gesang sind auch der Klang einer Bambusflöte, ein basslastiges Keyboard (?) und ein melodisches Pfeifen Teil der akustischen Inszenierung. Sanft geht in „Rain“ der Regen nieder. Dabei vernehmen wir auch eine fernöstliche Flöte, die sich gegenüber dem niedergehenden Regen behauptet, und feine Klanglinien zeichnet. Beinahe in die Welt von New Wave und Mike Oldfield tauchen wir bei „Zalvende zinnen“ (dt. „Salbungsvolle Sätze“) ein. Hören wir bei „Tetsugaku No Michi“ quakende Frösche, die uns auf dem Weg der Kontemplation begleiten?
Sehr melodische Linien einer Gitarre sind bei „Bukko-ji“ zu vernehmen. Dabei ist eine gewisse Redundanz nicht zu überhören, ebenso wenig ein weinendes und schreiendes Baby, ehe die Gesangszeilen zu hören sind. Sind es Piccoloflöten, die uns auf dem Marsch entlang des „Kamo river“ begleiten? Es könnte sein. Mit „Teken van leven“ beschließt Joachim Badenhorst die „Kyoto-Collage“.
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