Jeroen van Vliet / Mete Eker - Pluis
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induplo music
An Intimität ist ein Duo nicht zu übertreffen, und das trifft auch auf das Duo des Pianisten Jeroen van Vliet und des Saxofonisten Mete Erker zu, der auf dem vorliegenden Album Tenorsaxofon spielt, obgleich man stellenweise beim Zuhören der sehr lyrisch ausgereiften Kompositionen meint, man vernehme ein weiches Sopransaxofon.
Die Kompositionen stammen von den beiden musikalischen Protagonisten, wobei “Rond” sowie “Tranquil” und “Dandeion” von Mete Erker geschrieben hat, während “Seeker”, “Mick” und “Flow” von dem aus Tilburg gebürtigen Jeroen van Vliet stammen. “Pluis” der Schlussakkord des Albums wiederum ist Mete Erler zu verdanken.
Noch ein kurzer Hinweis: Im Jahr 2014 erhielt Jeroen van Vliet den wohl wichtigsten Jazzpreis der Niederlande, den Boy Edgar Prijs. Lang ist die Liste deren, mit denen van Vliet schon gemeinsam auf der Bühne stand, ob nun mit dem niederländischen Altsaxofonisten Paul van Kemnade oder mit Bob Malach, Kenny Wheeler, John Zorn, Norma Winstone, Charly Mariano sowie Erkan Ogur und Jakob Bro. Die Kritik zu seinen bisherig veröffentlichten Alben war durchaus überschwänglich. Auch bezüglich des Duos van Vliet/Erker überschlugen sich Kritiker in ihren Lobeshymnen. So konnte man anlässlich eines Konzerts in de Volkskrant von “lang anhaltenen singenden Linien zwischen alten Mauern” lesen, so poetisch wie die Musik, die van Vliet und Erker spielen. Noch ein Zitat sei an dieser Stelle angefügt: "Der Pianist Jeroen van Vliet ist ein Meister der Nuance. Sein Spiel ist hinreißend, emotional und voller Fantasie.", so Armand Serpenti in Trouw.
Ein paar Worte auch zum niederländischen Saxofonisten Mete Erker, der seit drei Jahrzehnten mit Jeroen van Vliet die Bühne und das musikalische “Experiment” teilt: Aufgrund seines weich gezeichneten Duktus und seinem Verständnis für das Lyrische und das Energiegeladene gilt er als einer derjenigen Saxofonisten unsere Tage, der die Zeit der berühmten Tenorsaxofonisten der 1960 Jahre wieder lebendig werden lässt. Zu den Musikern, mit denen Erker aufgetreten ist, gehören unter anderem Peter Erskine, David Liebman, der senegalesische Meisterschlagzeuger Doudou N’Diaye Rose, die südafrikanische Jazzlegende Winston Mankunku und der russische Pianovirtuose Simon Nabatov. Zu Erkers Vita gehört auch die Herausgabe von mehr als 50 Alben.
Also dann Vorhang auf für den Duovortrag! “Seeker”, der “Suchende” steht am Beginn des aktuellen Albums. Lauscht man den Sequenzen, die uns Jeroen van Vliet darbringt, dann stellt sich das Bild von flink durchs Wasser rauschenden Forellen in den Sinn. Auch an den Lachszug zu den Laichplätzen mag man denken. Alles fließt, stetig, unablässig. Bisweilen sind die Färbungen dunkel, erdig, umbra. Das liegt auch an der ausgewiesenen Basshand, die bei Jeroen van Vliet zum Tragen kommt. Mit sehr sanftem Ansatz kommt dann Mete Erker auch mit ins Spiel. Dabei hat man nicht den Eindruck, man lausche bei den “knospenden Passagen” einem Tenorsaxofon. Zu hoch scheinen die tonalen Verwebungen, die eher an ein Sopransaxofon denken lassen. Fein gesponnen ist das, was zu hören ist. Dabei werden melodiöse Spuren sichtbar, die geradlinig erscheinen. Etwa gleichlaufend bewegt sich dann auch Jeroen van Vliet im Diskant. Kristallines wird im weiteren Verlauf erkennbar. Doch stets findet der niederländische Pianist zurück in die Erdigkeit, schwelgt im Bass, durchaus mit neoromantischen Attitüden.
Beinahe in die Lüfte entschwindend ist das, was wir zu Beginn von “Tranquil” hören. Da scheinen Papierdrachen am Himmel auf- und niederzufliegen, wenn man ein Bild herbeizitieren möchte. Dahingleitende Gondolfieren kann man sich angesichts der melodiösen Linien auch gut vorstellen. Verhalten sind die Passagen, die van Vliet dem Piano entlockt. Das klingt hier und da nach Nocturnes. Die Nähe zu klassischer Musik ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen, auch nicht wenn die beiden Musiker gemeinsam spielen. Dabei scheint van Vliet eher die Bodenständigkeit zu repräsentieren und Mete Erker die Beschwingkeit und Losgelöstheit.
Wie mag wohl “Dandelion” klingen? Basssprünge erleben wir zunächst und dazu legt Mete Erker weiche Saxofongalopps darüber. Und auch hier fragt man sich, ob er nicht ein Sopransaxofon spielt statt des angegebenen Tenorsaxofons. Frühlingshafte Stimmung wird vermittelt. Schnalzen ist zu vernehmen, derweil van Vliet seine rhythmisierte Spielweise beibehält. Folgt man den Linien, dann meint man Hopse spielende Kinder zu erleben. Oder sind sie vertieft in “Himmel und Hölle”?Energievoll ist das, was uns beide Musiker vortragen. Dabei gibt es keine klanglichen Verwässerungen, sondern präzise Setzungen zwischen Bass und Sopran.
Ist alles im Fluss bei “Flow”? Scheint da nicht gleich zu Beginn ein wenig Chopin durch? Tonale Rinnsale ergießen sich nach und nach, auch wenn Mete Erker den melodiösen Faden aufgreift und weiterspinnt. Der kleine Bach, den wir vor unserem geistigen Auge sehen, schwillt an, wird zu einem langsam dahin fließenden Wiesenfluss. Hier und da sind Felssteine im Wasser Hindernisse, die leicht zu umgehen sind. Tagträumereien schaffen sich während des Zuhörens Raum. Gedanken fliegen dahin, Grenzen verschwimmen.
“Pluis” steht am Schluss des Albums. Der Begriff, der für die Komposition gewählt wurde, entspricht in der Übersetzung “Flaum”, Fussel”, “Staubflocke”, bezieht sich also auf ein weiches Material. Dies spiegelt sich auch in den Schaffuren und Schummerungen wider, die die beiden Musiker auch solistisch aufgreifen. Dabei scheint Mete Erker eher das Schwebende, das Dahinfliegen umzusetzen. Van Vliet hingegen verkörpert das Newtonsche Gesetz, den Fall, die Erdanziehung. Manchmal aber lässt auch der Pianist Fussel und Flocken durch die Luft tanzen.
Text: © ferdinand dupuis-panther – Der Text ist nicht public commons!
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