Jens Düppe - Dancing Beauty
J
Personality Records
Jens Düppe bezieht sich mit dem vorliegenden Album auf philosophische Ideen von John Cage, die dieser in „Science, Lectures and Writings“ formuliert hat. Das nachstehende Zitat beleuchtet exemplarisch, was Cage von Musik erwartet, welche Rolle er Musik zuweist: „Music means to understand freedom; that nothing is determined and, simply put, that everything is possible. It creates an infinite space for chances. [...]”.
Nun muss man nicht annehmen, dass der in Köln beheimatete, aber aus Schwäbisch Gmünd gebürtige Drummer Jens Düppe ein ähnlich minimalistisch ausgelegtes musikalisches Konzept verfolgt wie John Cage. Gewiss, es gibt auch minimalistisch anzusehende Elemente in Düppes Musik, so bei “Dancing Plastic Bag”. Dabei handelt es sich um ein dreiminütiges Stück, dessen Instrumentierung aus zwei Plastiktüten besteht.
Der musikalische Kosmos, den uns Jens Düppe präsentiert, beginnt mit „Perpetuum Paradox“, umfasst aber auch Kompositionen wie “Sleeping Beauty” und “Everything We Do Is Music”. Am Ende heißt es “This Is Not The End”. Dies ist als Botschaft zu verstehen, als Botschaft des Fortgangs aus einem vermeintlichen Ende heraus.
„Perpetuum Paradox“ steht am Anfang des Albums. Dabei steht nicht ein Perpetuum Mobile im musikalischen Zentrum, obgleich man dies angesichts von sich auf und ab bewegenden Trompetenpassagen eher vermuten würde. Rhythmus ist ein zentrales Motiv, nicht allein dank des wirbelnden Schlagwerkspiels von Jens Düppe, sondern auch der energetischen Tastensetzungen von Lars Duppler geschuldet. Eher den melodischen Fluss hat der Bassist Christian Ramond im Sinn. Und ja dann ist da auch wieder diese musikalische Umsetzung von scheinbar ewiger Bewegung. Doch was ist dabei das Paradoxon?
Nicht ein satter, sondern ein spitzer, „säuerlicher“ Klang der Trompete steht am Beginn von „Sleeping Beauty“. Dazu gesellt sich Hochtöniges, das zugleich wie zerbrechendes Glas klingt – dank an Lars Duppler. Irgendwie drängt sich dem Zuhörer der Eindruck von einer gequälten Seele auf, von einem Verzweifelten auf der Suche nach Glück. Verhaltene klangliche Rinnsale vernehmen wir. Sie scheinen nicht in einem harmonischen Klangbild zu enden. Dramatisches Bassgemisch auf den schwarzen und weißen Tasten vernehmen wir. Hintergründig agiert Jens Düppe an Blechen und Fellen. Wie der sich bewegende Zeiger einer Turmuhr in der Bewegung hört sich an, was uns Frederik Köster auf der Trompete mitzuteilen hat. Aber auch er lässt die Schönheit nur kurz aufblitzen, die Schönheit des Melodischen.
Furios hingegen ist „Everything We Do Is Music“ angelegt. Da hört man tanzende Tasten im Stakkato, fließt der frohlockende Trompetenklang. Nur ein Caramba scheint zu fehlen, zu ein wenig Bizet. Das könnte man jedenfalls beim Zuhören assoziieren. Klangliches Wildwasser dringt an unser Ohr, was dem Pianisten Lars Duppler obliegt. Kurz, bisweilen nervös traktiert Jens Düppe seine Bleche und Felle. Das Wildwasser wird zu Kaskaden und schießt dann als breiter Wasserfall in die Tiefe. Losgelöst zeigt sich Frederik Köster an seinem Horn. Von wilden Winden getrieben scheint das, was er zu Gehör bringt. Es klingt ungezähmt, frei, unbändig. „Alles, was wir tun, ist Musik“ ist das gemeinsame Motto.
Wie startet man von Null? Was ist eigentlich Null? Das Nichts? Doch „From Zero“ ist nicht Nichts; es ist Klang, Klangsetzung von Trompete gegen Piano, „kontrapunktisch“ und wenig dialogisch. Hört man da nicht auch das Knistern von dünnen Plastiktüten? Wird da mit Plastiktüten statt der Besen über das Trommelfell gestrichen? Eher an ein Sopransaxofon als an eine Trompete klingt dann das, was nachfolgend an unser Ohr dringt. Doch die „aneckenden“ Klänge vergehen. Das Melodische bekommt die Oberhand. Kommentierend scheint Jens Düppe zu agieren. Das Rauschen des Messings erfüllt den Raum. Ein kurzes Ticktick, erzeugt am Beckenrand, wird hier und da gesetzt. Klangstäbe schwirren. Und dann ist am Ende auch das Nichts, sprich die Stille.
Den Schlussakkord des Albums bildet „This Is Not The End“: Schlägt da die Zeit, unnachgiebig und im steten Takt? Rinnen nicht die Minuten dahin, die Lars Duppler mit gekonntem Tastenspiel einfängt? Über die steten Tastensetzungen erhebt sich schwebend der satte Klang des Trompete. Man vermeint, klangliche Schäfchenwolken aufzunehmen. Die Schönheit der Melodie ist vorhanden, auch ohne Getanze – siehe den Titel des Albums! Beinahe ins Lyrische gleiten die Linien ab, wenn Pianist und Bassist im Spiel vereint sind. Eine gewisse romantische Note scheint dem Stück beigegeben. Wir lassen uns schließlich vom Klang der Trompete umschmeicheln und denken nicht ans Ende, denn dieses ist ja auch ein Anfang.
Text © ferdinand dupuis-panther – Der Text ist nicht Public Commons!
Infornationen
Musicians:
Jens Düppe – Drums
http://www.jensdueppe.de/home.html
https://www.jazzhalo.be/reviews/cdlp-reviews/j/jens-dueppe-anima/
Frederik Köster – Trumpet
http://www.frederikkoester.de
Lars Duppler - Piano
https://www.facebook.com/LarsDupplerPianist/
https://www.jazzhalo.be/reviews/cdlp-reviews/l/lars-duppler-naked/
Christian Ramond - Bass
http://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/259495