Jens Düppe: Anima
J
Double Moon, DMCHR 71163
In der Besetzung: Jens Düppe (dr), Frederik Köster (tp), Lars Duppler (p), Christian Ramond (b) wurde das Album „Anima“ eingespielt. Anima? Denkt man da nicht an „animieren“? Diejenigen mit humanistischer Bildung, also mit Griechisch und Latein in der gymnasialen Oberstufe, wissen es besser: Anima bedeutet Seele, Lebenskraft, Leben oder Atem. Warum der aus Schwäbisch-Gmünd stammende und nun in Köln beheimatete Schlagzeuger und Bandleader Jens Düppe diesen Albumtitel gewählt hat, wissen wir nicht. Doch wir sollten beim Hören immer die Begriffe „Lebenskraft“ und „Seele“ im Kopf haben, ohne die ja Musik nicht auskommt. Seelenlose Musik gibt es die überhaupt?
Im beiliegenden Booklet erfahren wir zwar von der Vorliebe Düppes für Sardinien, wo auch das Album aufgenommen wurde, aber nichts über die Wahl des Albumtitels. Insgesamt wurden elf Titel eingespielt, angefangen von „Peanut Butter & Jelly“ – ein leckerer morgendlicher Brotaufstrich, oder? – über „Allemande“ und „Scirocco“ - mal schauen, ob man den Wind aus der Sahara spürt – bis hin zu „Magnolia“.
Man könnte angesichts der Tatsache, dass Jens Düppe Schlagzeuger ist, der Frage nachgehen, ob Schlagzeuger die besseren Bandleader sind. Das scheint mir jedoch eine sehr akademische Frage. In der Regiesicht sitzt der Schlagzeuger entweder hinten mittig oder rechts – man denke an den Schlagzeuger Torsten Zwingenberger bei „Berlin 21“ – oder auch links. Stets hat er so die Regie in den Händen und den ungehinderten Blick auf seine Mitspieler.
Dass Jens Düppe auch elektronisch unterwegs ist und war, zeigt er mit dem Duo NEOFOBIC sowie mit eigenständigen Tonsetzern wie Django Bates, Paolo Fresu oder Markus Stockhausen sowie mit „Erz-Jazzern“ wie Maria Schneider und Kenny Werner.
Wer Jens Düppe schon einmal live erlebt hat, der weiß auch, dass er aus verschiedensten Materialien Klänge zaubern kann, nicht nur an Trommeln und Becken. Da werden auch mal feine Plastiktüten und Klangschalen sowie Gongs zu Instrumenten, die sich in den Reigen der sonstigen Klangfarben einreihen. Also Ohren auf für „Anima“!
Flott beginnt das 4tet das Debütalbum. Dabei obliegt es vorrangig dem Trompeter Frederik Köster, uns „Peanut Butter & Jelly“ schmackhaft zu machen. Tempowechsel sind dabei eingeschlossen, wenn der Pianist Lars Duppler und der Bassist Christian Ramond nachhaltig das Geschehen bestimmen. Derweil achtet Jens Düppe für die fein gesetzten Schläge auf Trommeln und Becken. Er drängt sich dabei nie auf und lässt seinen Mitmusikern Raum zum Spiel. Auffällig ist, dass er diesen auch Solopartien auf den Leib geschneidert hat, so Lars Duppler, der sich mit nachhaltigem Duktus in den Fokus des Stücks rückt. Ist es vermessen zu behaupten, dass bei diesem ersten Stück auch der frühe Miles Davis vorbeigeschaut hat? Ich hatte jedenfalls bei den Solopartien des Trompeters Frederik Köster den Eindruck, wobei dem Melodischen Priorität eingeräumt wird. Also lassen wir uns „Peanut Butter & Jelly“ auf der Zunge zergehen, ehe wir uns vom Wind aus der Sahara umwehen lassen: „Scirroco“. Nein, Windgetose ist nicht zu vernehmen. Jens Düppe wirbelt nicht an seinem Schlagzeug und auch Frederik Köster nutzt sein Instrument nicht als Windmaschine. Im Gegenteil, uns umfängt ein anfänglich lyrisch gesetztes Spiel, das in den Händen von Lars Duppler liegt. Sein „sprunghaftes Spiel“ erzeugt den Eindruck, da nähere sich eine Windfront, langsam und verhalten, aber unzweifelhaft nahend. Dazu gibt es ein „Intermezzo“, brausend und mit Trillern – dank an Frederik Köster. Nein, ein Orkan ist der Scirroco wirklich nicht, sondern ein heißer Wüstenwind, der Abertausende von Sandkörnern aus der Sahara übers Mittelmeer trägt. Das fangen die Musiker gekonnt ein, immer im Fokus ein stetes Windgebläse.
Wie hört sich eigentlich ein „Puzzle“ musikalisch an. Das zeigen uns Jens Düppe und Co., zu Beginn mit Glöckchentönen und einer auf- und absteigenden, verhaltenen Klaviersequenz, der Frederik Köster mit seiner gedämpften Trompete folgt. Irgendwie ist auch ein Hin und ein Her auszumachen. Sollen diese Passagen das Legen der Puzzleteile einfangen? In einen Tieftöner verwandelt sich im Laufe des Stücks das Piano, das mit dem Bass um die Hoheit über das Tieftönige zu wetteifern scheint. Schritt um Schritt wird das Puzzle zusammengefügt. Triumphierend meldet sich dann gegen Ende der Komposition die Trompete zu Wort. Es klingt nach „Ich weiß es, ich weiß es“! Da ist dann auch wieder der Glöckchenklang – das Xylofon hat seine Minuten.
Nein, als wäre es nicht genug dem übers Mittelmeer wehenden Scirroco eine Komposition zu widmen, auch der Mistral weht in unsere gute Stube: „Maestrale“. Dabei beginnt Jens Düppe mit dumpfen Schlägen auf sein Trommeln. Es scheint, als bilde sich der Wind nach und nach aus. Dann meint man, eine Art Windstille zu vernehmen. Nach und nach nimmt der Wind dann stetig Fahrt auf, ohne Getöse und Getose. Übrigens beweist sich Jens Düppe bei der Vertonung des Mistrals als solistischer Könner!
Irgendwie scheinen wir mit „Peanut Butter & Jelly“ zum Frühstück keine vollständige Kost serviert bekommen zu haben, denn „Toast and Salty Butter“ kommen auch noch auf den Tisch. Auch bei diesem Titel ist es an Jens Düppe den Beginn zu bestimmen, ehe dann der Bass in die steten Schlagfolgen einfällt und auch das Piano im Ostinato zu hören ist, aus dem es sich allerdings später herauslöst. Munter geht es in dem Stück zu. Es scheint eher ein fröhlicher Morgen besungen zu werden als ein eher bescheiden anmutendes Frühstück. Wo bleiben bloß Prosciutto und Salame Vesuvio? Na wenigstens gewinnt man beim Hören den Eindruck, dass Cappuccino und Latte nicht fehlen.
Zum Schluss gibt es Florales für die Ohren: „Magnolia“. Das Pianospiel gleicht, um ein Bild anzuführen, den aufgereihten Perlen einer Kette. Das Schlagzeug wird gewischt; der Bass brummt munter vor sich hin. Überwiegend samten klingt die Trompete, die jedoch am Ende das Jubilieren nicht lassen kann.
Text: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
Double Moon
www.doublemoon.de
Musiker
Jens Düppe
www.jensdueppe.de