JBBG Smål – Gran Riserva - Time of Change Vol. 1
J
Natango Music
Wer an Big Band denkt, denkt an große Orchester mit vielfältigen Posaunen, Saxofonen und Trompeten, mit beinahe ritualisierten Abläufen von Tutti und Soli, denkt an Orchester von Duke Ellington, Jimmy Dorsey und anderen, aber auch an die Big Bands von WDR und NDR. Doch halt, auf dem aktuellen Album begegnen wir einem Orchester in Minibesetzung, ohne Verdopplungen bestimmter Instrumentensettings. Welche Big Band kann denn schon einen Lapsteel-Gitarristen vorweisen und welche einen Altflötisten? Hochkarätig sind auch die Gäste: der franko-vietnamesische Gitarrist Nguyên Lê und der österreichische Altsaxofonist und Flötist Wolfgang Puschnig. Aus dem Mund des Keyboarders und Lapsteel-Gitarristen Uli Rennert, der sich mit Virginia Guillén unterhalten hat, erfahren wir Nachstehendes über das Bandprojekt: „Wir haben fast so gespielt, als würden wir live auf einer Bühne stehen. Alles war sehr relaxed und gleichzeitig fokussiert. Ich glaube, dass man das auf dieser Produktion auch gut hören kann. Es ist überhaupt so, dass in dieser Band sehr viele Dinge im Moment entstehen, das ist auch das Spannende. Und ich glaube, dass das auch in dieser Produktion sehr schön rüberkommt.“
Nein, nicht das Great American Songbook wird von den Musikern aufgeschlagen, sondern Eigenkompositionen stehen auf dem Programm, angefangen von „Catalania“ über „View No. 5“ und „Still“ bis hin zu „The Code“ und dem Schlusstitel „Push“. Alle Kompositionen lassen Raum für die Entfaltung der Musiker, anders als in einem strengen musikalischen Korsett einer klassischen Big Band. Und das ist eine Wohltat, denn die Musiker verbinden den vollen Klang eines Orchesters mit mehrfach besetzten Instrumenten mit den individuellen Ausschweifungen, für die der Jazz steht, sprich für die Freiheit des Ausdrucks.
“Catalania” (comp Horst-Michael Schaffer) entwickelt sich aus dem Off, vereint den Klangteppich, den der Keyboarder erzeugt, mit den impulsiven Linien des Trompeters Horst-Michael Schaffer. Danach sind dann die Bläser in ihrer Gesamtheit prägend für die Klangfarbe. Ein wenig erinnert die Komposition in ihren Melodielinien an Filmmusiken, durchaus auch an die Musik von Ennio Morricone. Sehr aufreizend erscheint das schnurrende, teilweise kreischende Saxofon im folgenden Solo, gleichsam mit dem Trompeter im Wettbewerb um die Klanghoheit. Die unterlegte Rhythmik lässt ein wenig an Latin Fever denken. Warum auch immer, der Rezensent musste beim Hören ab und an auch an Doldingers Passport und an Zawinuls Weather Report denken. In die Welten von R&B entführt uns schließlich das vibrierende Gitarrenspiel von Nguyên Lê. Und dann ist schließlich der Jazz Rock auch ganz nahe, sprich Blood, Sweat & Tears und auch die Brecker Brothers.
„View No.5“ (comp Uli Rennert) steht als Nächstes auf dem Programm. Basssequenzen treffen auf langwelligen Trompetengesang und weiche Saxofonklänge. Alles scheint in einem steten Fluss. Dialogisches zwischen Trompeter und dem Saxonisten von Kalnein zeichnet sich ab: Keine Konfrontation, sondern eine Suche nach Verbindungen ist wahrzunehmen. Mit dem Klang der Trompete gleiten unsere Gedanken dahin. Kontemplation ist angesagt. Luminismus in Musik umgesetzt steht im Fokus. Bildpunkte werden zu Klangpunkten, die ein Gesamtbild ergeben. Auch der Keyboarder verschafft sich einen farbig aquarellierten Klangraum, der in Nichts dem nachsteht, was die Bläser für sich in Anspruch nehmen.
„Still“ (comp Heinrich von Kalnein / Doblinger Musikverlag) ist eher getragen und episch breit aufgestellt. Wie ein steter fallender Tropfen klingt der Bassist. Über dessen Redundanzen legt sich ein Klangvelour, der von den Bläsern gewebt wird. Der Eindruck von klanglichen Flächen drängt sich trotz des intensiven Blechschwingens des Drummers auf. Das Bild von den sandigen Verwehungen mag dem einen oder anderen beim Hören in den Sinn kommen.
„The Code“ (comp Heinrich von Kalnein / Gregor Hilbe) ist eine Komposition, die vom Titel durchaus stimmig ist, denn wir hören stete Morse-Signale, die nach und nach von Saxofon- und Trompetenklängen überlagert werden. Dabei haben wir zwischenzeitlich den Eindruck, als stünden wir in einer welligen Landschaft, über die der Föhn hinwegfegt. Aufsteigende Ambosswolken nimmt der Trompeter Horst-Michael Schaffer auf. Und auf dessen Phrasierungen steigt dann Heinrich von Kalnein mit seinem sonor geblasenen Tenorsaxofon ein. Zum Ende heißt es „Push“ (comp Uli Rennert) und nochmals ist wie in „Catalania“ Wolfgang Puschnig am Altsaxofon zu erleben.
© fdp
Informationen
Line-up
BBG Smål - GRAN RISERVA
Horst-Michael Schaffer - Vocals, Trumpet, Flügelhorn, Composition
Heinrich von Kalnein – Tenor- & Soprano Saxophone, Flute, Alto Flute, Composition
Uli Rennert - Keyboards, Lapsteel Guitar, Composition
Thomas Wilding - Electric Bass
Tom Stabler - Drums, Live Electronics
Guests:
Nguyên Lê - Electric Guitar, Effects
Wolfgang Puschnig - Alto Saxophone, Flute
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