Jasper van't Hof: On The Move - Live At Theater Gütersloh
J
Double Moon, INTCHR 71314
Unter Jazzfreunden kann man herrlich darüber streiten, ob „Europäischer Jazz“ ein Gegenentwurf zur amerikanischen Tradition ist. Besser wäre es, würde man von Jazz in Europa sprechen, der gewiss auch durch die europäische Musik der Klassik beeinflusst wurde und ist. Dabei darf nicht übersehen werden, dass zahlreiche us-amerikanische Jazzer ihr Quartier in Europa bezogen, erinnert sei zum Beispiel an Sidney Bechet, Chet Baker und an Charly Mariano.
Jazz als Genre ist mondial, fernab von Grenzen. Es ist ja gerade die Ausdrucksvielfalt, die den Jazz ausmacht. Dabei ist dann beinahe nebensächlich, aus welcher Region die Musiker stammen. Gewiss, es gibt schon Unterschiede. Festivalmacher locken mit großen Namen aus den USA, ob mit Wynton Marsalis, Dee Dee Bridgewater und anderen. Nur wenige Veranstalter haben den Willen, so die Macher von Jazz Brugge, sich auf das zu konzentrieren, was Europa zu bieten hat.
Nun liegt aus der Reihe „European Jazz Legends“, die im Magazin „Jazz thing“ in seiner 100. Ausgabe im September 2013 startete – und die inzwischen auf mittlerweile 10 Folgen zurückblickt –, das jüngste Album vor. Kein Geringerer als Jasper van't Hof – Jazzkenner wissen von seinem Projekt Pili Pili – ist nun auf dem Album „On The Move“ zu hören. Bereits der Titel des Albums unterstreicht, dass Jasper keinen Stillstand kennt und noch genauso neugierig ist, wie zu Beginn seiner Karriere. Dass er auch ein Cross Over nicht scheut, bewies er beim Jazzfestival Münster 2015, als er mit Markus Stockhausen und Patrice Héral auftrat. Auch Rap – dank an Patrice Héral – erfüllte da das Theater Münster und Jasper stapfte dazu im Takt auf der Bühne umher.
Für das aktuelle Album wurde ein Konzert in Gütersloh inklusive Gesprächsrunde mit Götz Bühler aufgenommen. Nein das gesamte Konzert findet sich nicht auf dem Album, sondern es wurden lediglich Ausschnitte auf die Scheibe gebrannt. Sehr unglücklich ist die Platzierung des Interviews am Ende der Aufzeichnung, da es sich teilweise auf zuvor gehörte Titel bezieht. Völlig unverständlich ist auch die Tatsache, dass im Gespräch nicht auf die Band näher eingegangen wurde, so als wäre beispielsweise Harry Sokal ein No-Name. Nur muss man dann auch so bewandert sein, um zu wissen, dass Sokal eine feste Größe im Vienna Art Ensemble war! Das scheint mir dann mehr als nur eine jazzhistorische Fußnote zu sein.
Jasper van't Hof spielte in Gütersloh mit dem bereits erwähnten Tenorsaxofonisten Harry Sokal aus Wien sowie Stefan Lievestro am Bass und Fredy Studer am Schlagzeug. Zu hören sind sieben Titel, beginnend mit „Likewise“ und endend mit „The Apollonians“.
Vorhang auf für Jasper van' Hof und sein einfühlsames Spiel auf den schwarzen und weißen Tasten: „Likewise“. Was anfänglich als behutsames Tastenspiel erschien, steigert sich zu einem sehr akzentuierten Spielduktus, der von Harry Sokals „Saxofonfanfaren“ überlagert wird. Dessen Spiel geht in eine Art Duett mit dem Bassisten Stefan Lievestro über. Kommentierend meldet sich dann Jasper van't Hof wieder zu Wort, dabei perlen nicht nur Tonfolgen dahin, sondern es werden auch harte Akzente gesetzt. Versucht man die Hörfarben zu bestimmen, dann sind es Sokal und van't Hof, die die entsprechende Farbpalette in der Hand halten.
Das sehr charakteristische Klavierspiel von van't Hof steht am Anfang von „Ouevre“. Ähnlich wie bei „Likewise“ führt dann auch Sokal ein wenig Regie: Post-Bop lässt grüßen. Welche Bilder fallen beim Zuhören ein: das Bild eines bewegten Herbstnachmittags mit farbigem Laub auf dem Gehweg oder eine Schifffahrt über den Ammersee kurz vor einem aufkommenden Gewitter. Auffallend ist die Dramaturgie des Stücks. Es wechseln sich lautstarke und leisere Szenen ab. Nach dem musikalischen Höhepunkt folgt der Abschwung, dann sind wieder Zäsuren an der Tagesordnung, die van't Hof an den Tasten lautstark umsetzt. Während die Linke die Bassfolgen spielt, ist es an der Rechten sprudelnde Tonfolgen ertönen zu lassen. Sokal passt sich diesem Spiel auf seinem Tenorsaxofon mit großem Einfühlungsvermögen an. Dem Ende des Stückes sich nähernd, kommt Sokal nochmals völlig aus sich heraus, ehe er dann in eine eher lyrische Spielform verfällt.
Auch dem „Ja, aber“ („Yes But“) hat van't Hof eine Komposition gewidmet. Zum Abschluss besingen die Mannen um Jasper van't Hof die Anhänger des Gottes Apollon, den Gott des Lichts, der Heilung, des Frühlings, der sittlichen Reinheit und Mäßigung sowie der Künste: „The Apollonians“. In der Anlage der Komposition erkennt man die deutliche Ausrichtung auf das Klavier und das Tenorsaxofon, die in einen Dialog verstrickt sind. Beim Zuhören wird ersichtlich, dass dieser Titel einen viel freieren Geist ausstrahlt als die anderen Einspielungen. Das Improvisieren über das Thema hat ein starkes Schwergewicht. Auch wenn in diesem Stück wiederum Jasper van't Hof durch kraftvolles Klavierspiel in Erscheinung tritt, ist es Harry Sokal am Tenorsaxofon, der wie zuvor auch, die Klangfarben bestimmt.
Obgleich wir ja einen Livemitschnitt auf der CD erleben, fehlen Zwischentexte, Erläuterungen und Ansagen zwischen den Kompositionen völlig. Absicht oder Zufall? Gab es diese und wurden diese herausgeschnitten, um Raum fürs Interview zu haben? Ist nicht gerade die Kommunikation mit dem Publikum jenseits der Musik ganz essenziell, auch und gerade, um das Verständnis für Jazz zu wecken? Das mitgeschnittene Interview hätte ich mir eher als Teil des Booklets gewünscht und nicht als integralen Bestandteil der Aufnahmen, die sowohl dem ersten wie auch zweiten Konzertteil entstammen. So hätte man acht Stücke mitschneiden und veröffentlichen können. Warum eigentlich nicht?
text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
Double Moon
www.doublemoon.de
Musiker
Jasper van't Hof
www.jaspervanthof.com
Harry Sokal
Fredy Studer
http://www.fredystuder.ch/
Stefan Lievestro
http://www.jazzinbelgium.com/person/stefan.lievestro