Jan Bang & Eivind Aarset - Snow catches on her Eyelashes
J
Jazzland Recordings
Klangliche Texturen und Raumtiefen sind es, die die beiden Musiker auf ihrem jüngsten Album präsentieren. Dabei mündet die Zusammenarbeit der beiden in einem Album, das beide gestaltet haben, während in anderen Projekten wie "Dream Logic" (ECM 2012) Aarset die musikalischen Konturen mit seinem Gitarrenspiel definiert hat.
Wer nun typische Gitarrenriffs auch auf dem jüngsten Album sucht, der muss sich eines Besseren belehren lassen. Elektroakustische Geräuschkaskaden, Klangbrüche, Gesumme und diverse Störimpulse durchziehen die Tracks des Albums. In "Two Days In June" wird man allerdings von den harmonischen und melodischen Linien des Spiels von Aarset umgarnt.
Ganz entscheidend lebt das Album von Zusammensetzungen von Klangschnipseln, von Feldaufnahmen und Zufallsklängen. Diese werden zu einer Geräuschkulisse verwoben, in die auch Aarset einbezogen ist. Teilweise hat man den Eindruck von Transzendenz, von Halluzinationen, von nebulösen Klangbildern.
Die beiden Musiker haben sich für ihre Klangmosaike und Collagen der Dienste von Nils Petter Molvær (trumpet), Hilde Norbakken (piano), Anders Engen (drums/percussion), Audun Erlien (bass) und von Sidsel Endresen (voice) versichert, die auf die eine oder andere Art in die klangvolle Sprache des Duos eingebunden sind.
„Purplebright“ hören wir zu Beginn. Dabei hat man den Eindruck, man belausche den Gesang von Singschwänen vermischt mit dem von Kranichen, als würde man in eine Klanglandschaft eintauchen, über der Raureif und Bodennebel liegen. Klirrendem Eis ähneln einige Klangmodule und in der Ferne scheinen die Stimmen der Natur zu enteilen, hier ein Heulen, dort ein Wimmern. Nachfolgend zeichnen die Musiker einen „Asphalt Lake“ vor unseren Augen. Dumpfe Schläge scheinen auf Wellenrauschen zu treffen. Ein Gurgeln und eine Art Walgesang sind zu vernehmen, der einem Keyboard zu entspringen scheint. Pulsierende Klangwellen rauschen vorbei. Hohe Signalhörner breiten ihren Klang aus. Nachhaltig ist die stete Rhythmik, ein dunkler Beat, der zuckende Körper von Ravern zur Folge hat. Flächige Klänge füllen den Raum – und diese klingen nun gänzlich nicht nach Saiteninstrument. Doch mit elektronischem Zauberkästlein, mit MIDI und Moog, lässt sich auch eine Gitarre entsprechend manipulieren, sodass am Ende ein beinahe gespenstisch anmutendes Klangbild entsteht. Zaghaft ist das Tastenspiel in „Before the Wedding“, das sich lyrisch entwickelt, dabei jedoch mit scharf-schrillen Klängen zersetzt. Perkussives Klacken und Klicken sind zu vernehmen. Windgetöse kommt auf. Schließlich hört man für Momente auch süßliche Streicher. Bei „Two Days in June“ erleben wir feine Klangschlieren, die Aarset verantwortet und die an flirrendes Polarlicht denken lassen, federig grün und als ein Lichtrausch zu begreifen. Lauscht man der Musik, so wird man nach und nach tiefenentspannt. Ist da dem Stück gen Ende nicht auch ein sanfter Hornklang beigemischt worden?
Nicht zu überhören sind der dumpfe Trommelschlag und die tropfenden Klänge in „The Witness“. Im Off erhebt sich sphärischer Weichklang. Kaskadierende Interventionen sind auszumachen. Prägnant ist ein flauschig anmutender Klangteppich, mit dem der Klangraum ausgeschlagen ist. Die Klangmelange ist tendenziell eher wehklagend und verhalten. Irgendwo aus der Ferne scheint sich auch eine Trompete zu Wort zu melden, oder?
Eine „Serenade“ im klassischen Sinne ist bei diesem Album, das auf elektroakustische Klangwelten ausgerichtet ist, nicht zu erwarten. Eher wandert das Stück in Richtung New Age. Zum Schluss wird noch ein klangvoller Fluch ausgestoßen: „Nightspell“. Da mischt sich sanfter Oboenklang mit sphärischen Klangelementen. Die melodischen Linien, die wir wahrnehmen, gleichen dabei Beschwörungsformeln.
Text © ferdinand dupuis-panther
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