Jamie Pregnell – Sleepy Town

Jamie Pregnell – Sleepy Town

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https://jamiepregnell.bandcamp.com/album/sleepy-town

Dass Jazz eine mondiale musikalische Ausdrucksform ist, unterstreicht der in Hobart lebende Gitarrist und Komponist Jamie Pregnell. Nach dem Erlangen eines Bachelor-Abschlusses am Musikkonservatorium der Universität von Tasmanien beschäftigter sich nachfolgend in einer Art Aufbaustudium mit dem Stil und der Spielweise des australischen Jazzgitarristen James Muller befasst. Dank eines Stipendiums konnte Pregnell im Jahr 2017 bei James Muller studieren und sein Gitarrenspiel verfeinern. Das vorliegende Album hat er mit dem Bassisten Sam Anning, dem Drummer Ben Vanderwal und dem Saxofonisten Julien Wilson eingespielt. "I don't often listen to albums I'm on. I've had this one on in the car for a couple of weeks. Jamie has created something special that will last longer and leave more of an impression than your average dispotifyable musical cupcake...". Das ist eine Anmerkung des Saxofonisten Julien Wilson zu „Sleepy Town“. Ist damit die Hauptstadt von Tasmanien gemeint, sprich Hobart? Dazu müsste man Jamie Pregnell befragen.

Das Plattencover zeigt ein Acrylgemälde von Christopher Johnston mit dem Titel „The First Snow“. Dabei sieht man wohl Hobart von der Wasserseite aus mit dem Blick auf Mount Wellington (?). Zu hören sind auf dem Album u. a. nachstehende Titel: „Brightside“, „J. M.“, wohl eine Verneigung vor James Muller, „Sleepy Town“, „Moon“ und zum Schluss „Early Life“. Alle Kompositionen stammen aus der Feder des Gitarristen.

Nein, nicht der Gitarrist eröffnet „Brightside“, sondern der Saxofonist mit „wolkenähnlichen Klängen, die stetig wiederkehren, sprich als Thema anzusehen sind. Und was ist die Antwort des Gitarristen Jamie Pregnell auf diese „Einleitung“? Er entführt den Hörer mit fein angelegten Phrasierungen, die uns helle Grüntöne vermitteln, wollte man das, was wir hören, in eine Bildhaftigkeit überführen. Dezent meldet sich nachfolgend der Saxofonist Julien Wilson zu Wort, dabei durchaus auf Bop-Traditionen zurückgreifend. Man könnte fast meinen, das Quartett wolle mit dem Eröffnungsstück mediterranes Lebensgefühl evozieren und uns entsprechende impressionistische und pointillistische Landschaftsgemälde vor Augen führen. Plomp, plomp, plomp – so ist Sam Anning bei „J.M.“ zu vernehmen, ehe dann der Saxofonist das Wort nimmt, um sich vor dem australischen Gitarristen James Muller zu verneigen. In den Färbungen lehnt sich das Stück stark an den Eröffnungstitel an. Sonore Sequenzen dringen ans Ohr des Hörers und im Hintergrund breitet sich nach und nach Bluesiges aus. Und auch Julien Wilson drängt es zum Blues, aber vor allem zum Soul, wenn er seinen Holzbläser röhrend singen lässt. Pregnell scheint dabei nur die zweite Geige zu spielen. Doch in der Mitte des Stücks packt auch er den Blues aus. Dabei meint Blues nicht unbedingt B. B. King, sondern eher Alexis Korner, Muddy Waters oder John Lee Hooker. Pregnell legt dabei sein Saitenspiel weniger so an, dass seine Gitarre weint und wimmert. Letzteres überlässt er eher Julien Wilson, der seinen eigenen „Bluesklangpfad“ einschlägt.

Lyrisch ist das Narrativ in „Sleepy Town“. Dabei wechseln sich Gitarrist und Saxofonist in der melodischen Führung ab. Teilweise verquicken die beiden Instrumentalisten ihr Spiel. Die Harmonien, die wir wahrnehmen, signalisieren Ruhe und ein gewisses „Lay Back“, das man den Inselbewohnern von Tasmanien oftmals nachsagt. Ein wahrer Ohrenschmeichler ist das Solo Pregnells, der dabei in seinem Spiel den Granden des Gitarrenjazz, Joe Pass und Jim Hall, in nichts nachsteht. Pastellene Gouachen und Weichzeichnungen durchziehen das Spiel. Bilder von einem faulen Sonntag in der Stadt, von Biergärten, die gut besucht sind, kleinen Jachten, die vor Hobart im leichten Wind kreuzen, von Besuchern des Salamanca Market drängen sich beim Hören auf. Ansonsten geht alles seinen bedächtigen Weg, und das Tempo des Stücks ist dem angepasst. Auch Sam Anning bricht da mit seinem Basssolo nicht aus.

Nein, nächtliches Flair erleben wir bei „Moon“ nicht. Der Duktus des Stücks unterscheidet sich nicht von den anderen Stücken des Albums. Wird hier gar der Vollmond besungen? Sind da nicht nächtliche Flaneure unterwegs, was zumindest der Saxofonist mit seinem Spiel suggeriert? Derweil scheint der Bassist Sam Anning eher die Spätheimkehrenden im Blick zu haben. Bedächtig ist sein Saitenspiel, das uns denken lässt, dass der Nachhauseweg zu eher frühmorgendlicher Stunde kein leichter ist. Hier und da verfällt Julien Wilson vom Sonoren ins eher Raue und Kehlige. Ab und an erklimmt er mit seinem Holzbläser tonale Höhen, schnarrend und schnurrend. Pregnell hingegen ist sehr zurückhaltend und zumeist als veritabler Duettpartner von Wilson auszumachen. Die Einleitung in „Early Life“ liegt in Pregnells Händen. Doch dann tritt Wilson an die Seite des Gitarristen und lässt beinahe samtene Klänge hören. Pregnell agiert derweil mit Bass und Drums als Teil der Rhythmusgruppe. Wilson malt mit seinem Holzbläser fluffige Klangwolken. Zwischendrin röhrt der Saxofonist auch. Melodische Flächen sind nachfolgend Pregnell zu verdanken, der die Assoziation von Wolkenklängen auflöst. Das Saitenspiel überzeugt, lässt den Hörer in innere Sammlung versinken. Die präsentierte Musik ist keine Meditationsmusik, aber dank der vorhandenen Weichzeichnungen ein Kontrapunkt zur urbanen Hektik, in der wir zumeist eingebunden sind. Im übertragenen Sinne ist „Sleepy Town“ ein Album der Stille, und wenn nicht das dann gewiss der leisen Töne – und das ist eine Wohltat.

© ferdinand dupuis-panther




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