Ivan Paduart & Quentin Dujardin: Catharsis
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Mons Records/Agua Music MR 874595
Katharsis bedeutet psychische Reinigung durch Ausleben innerer Konflikte und verdrängter Emotionen, speziell von Aggressionen. Ob das ein angemessener Titel für ein Album ist, sei dahingestellt. Außerdem fragt man sich bei der auf lange Melodieflüsse ausgerichteten Musik, die u. a. aus der Feder von Ivan Paduart (piano) und Quentin Dujardin (nylon, electric & slide guitars) stammen. Es ist eine durch und durch kontemplative und meditativ ausgerichtete Musik, die das vorliegende Album enthält. Neben den beiden genannten Musikern sind auf dem Album zudem Bert Joris (trumpet), Olivier Ker Ourio (chromatic harmonica), Richard Bona (bass & vocals) und Manu Katché (drums) zu hören.
Ivan Paduart – mit 10 Jahren saß der 1966 geborene belgische Pianist und Komponist zum ersten Mal am Klavier, mit 17 entdeckte er den Jazz für sich – und erklimmt seitdem er stetig Stufe um Stufe der Karriereleiter, heimst wichtige Preise ein und gilt in der internationalen Jazzszene längst als feste Größe mit prägnant eigener Handschrift. Das Leitmotiv Paduarts lautet: „Melody first!“ Dabei haben es ihm die scheinbar simplen Melodielinien angetan, die wie Klangströme dahinfließen und den Zuhörer umfangen. Der 1977 geborene, belgische Gitarrist und Komponist Quentin Dujardin entdeckte als 15-jähriger den belgischen Jazzgitarren-Virtuosen Philip Catherine für sich, ohne ihn im Nachgang stilistisch zu kopieren. 2005 begegneten sich Paduart und Quentin erstmals. Ivan Paduart erinnert sich mit folgenden Worten daran: „I met Quentin 12 years ago and, from the very beginning, one thing came up to me as an evidence; beside of the great musician, he's open minded, searching for intermingling of genres, like me ! The most interesting point is that we are coming from different musical worlds, basically. From the very beginning, combining our different approaches came up as a revelation to both of us !" Ergänzend fügt Quentin Dujardin fügt an: „Ivan got a real talent for melodies and a great sense of counterpoint. That's probably what my ears catched first of all when I discovered his music. Playing together changes my way of thinking music but also the musical approach of my own instrument. More simple for more spaces. It's a real privilege to be accompanied so well. Making music with Ivan has never been a challenge but an evidence."
Präsentiert werden auf dem Album neun Eigenkompositionen, davon drei aus der Feder Dujardins („Retrouvailles“, „Mark & Farouk“, „Song For Paco“). Von wem die übrigen Titel sind, ist leider auf der CD-Hülle nicht aufgeführt. Mit „Deliverance“ („Befreiung“/“Erlösung“/“Rettung“) eröffnet das zweite gemeinsame Album von Paduart und Dujardin, mit „Dreams Ago“ wird es abgerundet. Ins Träumen, vor allem Tagträumen, kann man beim Zuhören schon kommen. Nicht so sehr das Solistische steht im Vordergrund, sondern das Lyrische, das Erzählerische. Sicherlich Paduart und Dujardin bestimmen dabei schon die Melodieströme, aber ohne das Zutun der anderen Musiker wäre das Album nicht so abgerundet, wie es jetzt ist.
Langsam und stetig fließt der Tastenklang in „Deliverance“ dahin, ehe Quentin Dujardin seine Gitarre mit dem Klang einer Harfe erklingen lässt. Derweil verzaubert uns Bert Joris mit seinen Trompetensequenzen, die paraphrasieren, was seine Mitmusiker schon als Klangbett vorher ausgebreitet haben. Im Diskant bewegt sich Dujardin nachfolgend, sich als Mann der durchaus leisen und fein gestuften Töne erweisend. Vor unserem geistigen Auge sehen wir lockere Wolken vorbeiziehen, gemächlich und nicht ein Gewitter ankündigend. Alles scheint im Fluss, geruhsam und bedächtig. Enthasten ist angesagt.
Lauschen wir den ersten Takten von „Human Being“, so meint man, man sei in die Musik Westafrikas eingetaucht. Leichtigkeit geht von der Melodie aus. Von Afro Pop spricht Fred Hersch in seinen Liner Notes. Ja, es gibt durchaus eine Nähe zur Musik, die in Bamako und Dakar zu hören ist. Unbeschwertheit geht vom Song aus, zu dem man sich durchaus Lyrik, sprich Gesang, vorstellen kann. Die Gitarre hat dabei hier und da die Anmutung einer Kora, begleitet von einem nervösen Spiel des Drummers Manu Katché. Der „Albumsong“ namens „Catharsis“ ist eine Ausnahme, da hier Richard Bona als Vokalist in Erscheinung tritt. Zudem hört man Olivier Ker Ourio an der chromatischen Harmonika – wehmütig denkt man an Toots. Neben Toots kam dem Rezensenten beim weiteren Zuhören der Gesangslinien Sting in den Sinn, insbesondere dessen Song „Fragile“!
Vom Charakter her ähnelt „Isabelle“ einem Chanson. Zumindest aber ist der Song sehr balladenhaft und von Bert Joris kristallklarenTrompetenpassagen geprägt. Streckenweise ist Wehmut zu erahnen, vor allem aber Sehnsucht. Irgendwie beschleicht den Zuhörer die Vorstellung, es werde einer verflossene Liebe „nachgetrauert“.
Ist der „Song for Paco“ eine Hommage an Paco de Lucia? Das muss man annehmen, wenn man die Anlehnungen an Flamenco im Spiel von Quentin Dujardin wahrnimmt. Doch es sind eben nur Anlehnungen. Die Feurigkeit mit und ohne „Ole!“ erscheint gebremst, auch wenn man einen treibenden Rhythmus – dank auch an Ivan Paduart und Manu Katché – durchaus konstatieren kann. Zum Schluss geht es dann um vergangene Träumereien: „Dreams Ago“. Auch hierbei überzeugt die sich entwickelnde wortlose Lyrik des Songs.
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Mons Records
http://www.monsrecords.de
Musiker
Ivan Paudart
http://www.ivanpaduart.com
Quentin Dujardin
http://www.quentindujardin.com