Isabelle Bodenseh – Flowing Mind
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Nachstehend einige Zeilen aus dem Booklet zur Einstimmung: „Die Verbindung aus Flöte und Orgeltrio ist erfrischend unverbraucht und reizvoll, besonders, wenn sie mit so viel Einfallsreichtum daherkommt wie bei Isabelle Bodenseh, Thomas Bauser, Lorenzo Petrocca und Lars Binder, die schon 2018 mit dem Album „Mrs. Bo’s Cookbook“ aufhorchen ließen. Nicht nur, dass die Vier unablässig swingen und sich gegenseitig durch gewitzte und inspirierende Eigenkompositionen herausfordern, sie bilden sogar eine groovende organische Einheit, die für diese Instrumentenkombination geradezu mustergültig ist.“ Der Text stammt im Übrigen von Marcus A. Woelfle (Bayerischer Rundfunk). Isabelle Bodensehs ganz persönliche Gedanken zum Album erschließen sich über einen QR-Code auf dem Booklet.
Hammond Orgel und Flöte werden im Jazz eher stiefmütterlich behandelt. Dominant sind die Saxofone. Und das ist auch unabhängig davon, dass Herbie Mann und Jeremy Steig sowie Jimmy Smith die jeweiligen Instrumente im Jazz hoffähig gemacht haben. Nun also hören wir die Flötistin Isabelle Bodenseh, die neben Sopranquerflöte auch wohl auch Altquerflöte spielt, mit einem Hammond Orgel-Trio. Dabei treffen dann zwei völlig unterschiedlich gefärbte Instrumente auf einander, hier die samt gestimmte, gehauchte Flöte und dort die teilweise wabernde Orgel. Bei deren Klang muss man hier und da auch an die blubbernden und platzenden Schlammblasen denken, die man in thermisch aktiven Regionen vorfindet.
Auch wenn der Eröffnungstrack auf dem Album „Confluting“ heißt, so assoziiert man damit doch eher den englischen Begriff von Zusammenfluss (confluence). Und tatsächlich vernimmt man dahinfließende Linien, die die Flötistin spielt. In seinem Solo ist nachfolgend der Organist derart unterwegs, dass man an einen durch eine Klamm dahinfließenden Gebirgsfluss denken muss. Fließgeschwindigkeit wird eingefangen, auch das Umspülen von Felsgestein. Im Weiteren sind es durchaus eher dunkle Färbungen des Klanges, die Isabelle Bodenseh zum Besten gibt. Begleitet wird sie dabei durch stetes, aber vorsichtiges Blechgetätschel. Da scheint wohl Besenwerk angesagt, oder? Ein Wohlgenuss ist obendrein das Gitarrensolo von Lorenzo Petrocca. Hier und da meint man, der Gitarrist leite uns über und durch Stromschnellen und durch aufspritzendes Wildwasser. Dabei folgt Petrocca stringent seinem Kurs des melodischen Saitenspiels. Schließlich erleben wir auch ein fulminantes Schlagwerksolo, wenn auch nur für wenige Momente, ehe dann Isabelle Bodenseh uns mit dem seiden-samtenen Klang ihrer Flöte verzaubert.
„Flowing Mind“ eröffnet mit einem nervösen Blechschwirren und mit zarten Gitarrenakkorden, ehe dann der Flötenklang an unser Ohr dringt. Das erscheint wie ein warmer Aufwind, der uns mit sich nimmt. Tonsilbe für Tonsilbe schwebt dahin. Zartes Laubgeraschel, verursacht durch Wind, der die Baumkronen berührt, meint man zu hören und außerdem das Säuseln des Windes. Intensiviert wird dies, sobald Thomas Bauser die Register seines Instruments zieht und die Finger über die Tasten gleiten lässt. Ab und an gibt es außerdem „explosives“ Flötenspiel zu vernehmen. Doch zumeist ist das, was die Flötistin vorträgt, feinster Klangnebel, der sich wie ein transparenter Schleier ausbreitet.
Hier eine Zutat, dort ein wenig Würze, hier ein wenig Gemüseschaum, dort ein wenig „Food-Ikebana“, oder? Das scheint jedenfalls „Molecular Cooking“ auszumachen. Sehr hörenswert ist bei diesem kreativen Klanggeköchel das Zwiegespräch zwischen Organist und Gitarrist. Dabei breitet sich ein weich-samtiger Klangteppich aus, auf dem der Gitarrist seine Tonsilben platziert, ehe es dann an der Flötistin ist, uns mit gehauchten Klangschwelgereien zu umgarnen. Unüberhörbar ist zudem das stete Schwirren und Flirren der Bleche, bisweilen auch ein kurzatmiges Ticktick und Tocktock.
Weiter geht es mit „Dog Rose“. Dabei sind die klanglichen Strukturen ähnlich denen der vorherigen Kompositionen, abgesehen davon, dass die Flötistin sich im Ansatz der Spielweise von Ian Anderson anzugleichen scheint. Der weiche Hauch wird durch starke Klangimpulse durchbrochen, auch in den höheren Lagen des Soprans. Für ein Klangfundament, über dem sich die Flötensequenzen auftürmen, sorgt der Organist, ehe es dann am Drummer ist, sich solistisch auszuleben, mit viel Blechgeraschel und wenig Stakkatogetrommel.
Schließlich noch ein Wort zu „Mediterranean Bossa“: Über dem sachten Bossa-Rhythmus – im Kern ausgeführt durch den Gitarristen und den Drummer – laviert das Klangspektrum, das einer Sopranquerflöte innewohnt. Die Färbungen changieren dabei im Spektrum von hellen Gelb- und Grüntönen. Die Melodie hat eine gewisse Unbeschwertheit, so als wollten uns die Musiker signalisieren: Das Leben ist schön, genießen wir es. In diesen Zeiten mit einem blutigen Krieg vor unser Haustür, bedarf es wohl solcher musikalischen Aufmunterungen, wie sie uns das Quartett von Isabelle Bodenseh präsentiert.
© fdp 2023
Line-up
Flutes · Isabelle Bodenseh
https://www.isabellebodenseh.de
Hammond Organ · Thomas Bauser
http://www.thomasbauser.de
Guitar · Lorenzo Petrocca
https://lorenzopetrocca.de
Drums · Lars Binder
https://www.larsbinder.de
Violin (Bonus track 9, radio edit) · Hilde Singer-Biedermann
Cello (Bonus track 9, radio edit) · Ruth Sarrazin
Compositions & Arrangements:
Isabelle Bodenseh, Lorenzo Petrocca, Lars Binder, Thomas Bauser
Additional Arrangements (Tracks 1,2,3,4,9) · Christoph Schöpsdau
Tracks
1 ConFluting 06:44
2 ASAP 04:25
3 Flowing Mind 06:46
4 Molecular Cooking 05:47
5 Dog Rose 04:29
6 Mediterranean Bossa 06:27
7 Sans Moi 05:41
8. Chilli Challi (6:05)
9. Flowing Mind with Strings • Bonustrack, radio edit (3:29)
Weitere Reviews der o.g. Musiker bei Jazzhalo:
https://www.jazzhalo.be/reviews/cdlpk7-reviews/b/bhs-organ-trio-go/
https://www.jazzhalo.be/reviews/cdlpk7-reviews/i/isabelle-bodenseh-lorenzo-petrocca-the-good-life/
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