Hvalfugl - Som En Faldskærm
H
Hvalfugl Music
Jazz oder Folk Music – diese Frage stellt sich bei dem dänischen Trio Hvalfugl, übersetzt Walvogel. Fliegende Wale, sie gleiten an Fallschirmen dahin, findet man auf dem Cover der aktuellen CD, die den Titel “Der eine Fallschirm” trägt, wenn mich das Online-Wörterbuch bei der Übersetzung nicht im Stich gelassen hat. Die Band besteht aus dem Bassisten Anders Juel Bomholt, dem Gitarristen Jeppe Lavsen und dem Pianisten und Harmonium-Spieler Jonathan Fjord Bredholt, die mit ihren Kompositionen zum Gelingen des Albums beigetragen haben. Die instrumentelle Besetzung ist für ein Trio eher ungewöhnlich. Hammondorgel ist durchaus auch schon mal bei Trios anzutreffen, ein Harmonium eher weniger. Schlagwerklose Trios wie im vorliegenden Fall sind außerdem eher eine Seltenheit.
Aufgemacht wird das Album mit “Himmelbjerget”. Was allerdings ein “Himmelsberg” sein soll, das muss der Fantasie überlassen bleiben. Es folgen Kompositionen wie “Jeg Venter Herhjemme” (Jeppe Lavsen) und ”Fragment #1”(Anders Juel Bomholt) sowie ”Opvågning” (Jonathan Fjord Bredholt) und ”Vals I Vallonien (”Walzer in Wallonien”, Jeppe Lavsen). Weitere Kompositionen sind u. a. ”Utopi”, ”Lystrup”, ”Fragment #2” sowie zu Schluss ”Som En Faldskærm”.
Jünger von New Age werden dieses Album ohne Zweifel lieben. Der melodische Fluss nimmt aber auch andere Zuhörer mit. Wer Entspannung sucht, wird diese beim Hören finden. Alles fließt, insbesondere dank des Weichklangs der Gitarre. Sommerliche Klangwellen umfangen den Hörer. Dissonantes ist fern. Die Schönheit des Melodischen wird gesucht und gefunden. Entfesselt ist ein Begriff, den man durchaus auf dieses Trio anwenden kann. Dabei meint entfesselt, nicht etwa feurig-eruptiv oder vulkanisch-aufgeladen. Eher kann man die Musik mit dem ewigen Sandstrom vergleichen, den der Wind von Dünen abträgt, den das Meer an einer Stelle von Inseln abspült und an andere anspült. Es ist ein Kommen und Gehen in den Linien der einzelnen Kompositionen zu finden, wie Ebbe und Flut, wie ablaufende und rücklaufende Wasser. Melancholie steht nicht im Fokus. Unbeschwertheit wird signalisiert. Bodenhaftung wird teilweise aufgegeben. Selbst der Bass hat nicht die sonstige erdige Färbung, sondern schwebt im Kanon der anderen Instrumente mit, leicht und beschwingt, nicht nur beim „Walzer in Wallonien“.
Das Cover scheint Fingerzeig: Auch Wale können fliegen, zumindest in der Freiheit der Fantasie. Die Kolosse der Meere sind aber gewiss im Wasser und in den Tiefen der Ozeane eher in ihrem Element als in den Lüften, in denen sich Kitesurfer, Gleitschirmsegler, Airbusse und andere Flugkörper bewegen. „Himmelsberg“ kennen wir als Bild im Deutschen nicht, eher schon Himmelsstürmer. Von Wolkengebirge kann man auch noch sprechen, aber wer weiß wie das im Dänischen ist. Beinahe klassisch kommt der erste Titel des Albums daher, dominiert vom Tastenspiel des Pianisten. Er lässt gemeinsam mit dem Bassisten vor unseren Augen verschiedene Wolkenbilder entstehen. Hier und da erinnert der Duktus ein wenig an Mark Knopfler und die Musik für „Local Hero“: “Himmelbjerget”
Mit kristallenen Formen wartet „Fragment #1“ auf. Kurz, sehr kurz ist der musikalische Vortrag. Eigentlich wartet der Hörer auf eine Fortsetzung und erinnert sich zugleich an ähnliche Harmonien bei Lars Danielssons „Liberetto“-Alben. Getragen kommt zunächst „Utopi“ daher. Dabei führt der Pianist musikalische Regie, ehe sich der Gitarrist des musikalischen Geschehens annimmt und es mit seinem Feintonfluss auflockert. Würde man für die Musik ein Farbenspiel suchen, dann würde man Rot und Gelb, Hellblau und Frühlingsgrün wählen, würde entsprechend der Klangpalette das Licht des Südens malerisch einfangen, so wie dies Signac und van Rysselberghe getan haben.
„Lystrup“ entführt uns musikalisch wohl in die Nähe von Aarhus. Doch eher wird man an „Friday Night in San Francisco“ erinnert, sieht fröhliche Partygänger und Strandläufer vor sich, sieht Kinder, die Drachen tanzen lassen, sieht verliebte Paare, hat weniger die Vorstellung eines nordischen als vielmehr eines mediterranen Sommers. Dabei muss angemerkt werden, dass in allen Kompositionen des Trios ein ähnlicher Duktus und artverwandte Harmonien durchscheinen.
„Happy Music“ als Charakteristikum soll nicht etwa abwertend klingen, sondern genau das ausdrücken, was zu hören ist: Musik, die schmeichelt, die den Hörer mit schönen Melodien umfängt. Das Trio ermöglicht Momente, in denen man dank der Musik den Alltag vergessen kann. Das gilt auch für ”Som En Faldskærm”: Müsste man einen Film über Gleitschirmflieger vertonen, wäre dieses Stück genau dafür gestrickt: In den Aufwinden gefangen ziehen Gleitschirmflieger ihre Kreise, auf- und absteigend. Unter ihnen zieht die Landschaft dahin. Über ihnen zeigen sich Schäfchenwolken, so ein Bild, das sich im Kopf des Hörers festsetzen mag.
Text © ferdinand dupuis-panther – Der Text ist nicht public commons!
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