Hesse Koerner Petrov - InNew Orleans Vol 1
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Slammin Media
Wer den Titel des Albums liest, wird wohl traditionellen New Orleans Jazz erwarten, Jazz zwischen Mardi Gras und Marching Bands bei Leichenzügen und Beerdigungen. Doch darin verharren die drei Musiker nicht, sondern verstehen es die Klangfarben einer breiten Stil-Palette zu mischen. Der Pianist Gero Koerner ist auf dem aktuellen Album nicht am Flügel, sondern an der Hammond-Orgel zu hören. Ihm zur Seite stehen bei diesem Hammond-Trio der Drummer Benedikt Hesse und der Gitarrist Georgi Petrov. Die Drei, die auf einen Kontrabassisten verzichten, da die Hammond-Orgel weitgehend dessen Part einnimmt, lernten sich im berühmten Maple Leaf Club in New Orleans kennen und tourten danach gemeinsam durch Europa. Sie vereint die Liebe zur afroamerikanischen Musik in allen Nuancen und Farbspielen. Für die Aufnahme des Studio-Albums konnten sie Drum-Legende Johnny Vidacovich (aka Johnny V) als Produzenten und Gastmusiker gewinnen. Er ist einer der legendären Drummer der Stadt und arbeitete u.a. mit Joe Sample, Wayne Shorter, Professor Longhair und James Booker.
Mit „Itr Ain't My Fault“ von Smokey Johnson eröffnet das Album und damit einem traditionell bei Straßenumzügen in New Orleans gespielten Song, der dann weitgehend von einem fulminanten Bläsersatz, einschließlich eines Sousafons, lebt. Das Trio findet über ein abwechslungsreiches Solo des Drummers in das Stück, ehe der satte Klang der Hammond die Klangvorherrschaft übernimmt, die sonst den Bläsern gehört. Dazu gesellt sich eine wimmernde Gitarre. Dabei denkt der eine oder andere vielleicht an das Fingerspiel von J. J. Cale, aber weit gefehlt Georgi Petrov versteht sich auf das brillante Saitenspiel und gibt den musikalischen Staffelstab an Gero Koerner ab, der seine Orgel satt vibrieren lässt. Da schwingen dann erdiger Blues und vielfarbiger Soul mit.
Das folgende „Come Home“ entstammt wie „Kolscharita“, „For JS“ und „I Ching“ aus der Feder des Gitarristen, der allerdings seine Arrangements nicht auf sich fokussiert, sondern den Geist des Trios lebt. Während Georgi Petrov bei „Come Home“ solistisch zu hören ist, übernimmt Koerner sowohl die rhythmische Unterfütterung wie auch ein Stück Basslinie. Lauscht man den melodischen Linien des Gitarristen, so kann man es mit am Himmel tanzenden Papierdrachen vergleichen, die mal Fahrt aufnehmen und mal dem Boden sehr nahekommen. Dass auch eine Hammond-Orgel hohe Register besitzt, unterstreicht Gero Koerner an seinem Tastenungetüm. Das Tempo ist flott; Gero Koerner lässt uns die Erdanziehung vergessen und entführt uns in luftige Gefilde.
Bei „Kolscharita“ muss man auch an die Musik der erfolgreichsten Instrumentalrockband der Geschichte denken: an The Ventures. Hat dieser Song von Georgi Petrov nicht einen Walzer-Rhythmus? Wohl eher nicht, statt dessen scheint die Rhythmik der Karibik zelebriert zu werden, abseits von Son und Salsa. Dabei erdet die Hammond-Orgel den Song, wenn er zu ausschweifend gerät. Doch das ist eher selten der Fall. „Spanish Eyes“, ein durchaus als süßlich-schnulzig anzusehender Song aus der Feder von Bert Kaempfert, erhält durch das Trio ein neues Gewand, „jenseits von einem Himmel voller Geigen und Mandolinen“. Frisch und peppig ist das, was wir auf dem aktuellen Album hören, geprägt von der Gitarre, die zwischen Hillybilly und Blues wandelt.
„I Ching“, von Georgi Petrov, komponiert, ist nun wirklich ein Stück, das sich der Gitarrist auf den Leib geschneidert hat. Feinlinig ist bei den Solos des Gitarristen die Hammond-Orgel zu vernehmen. Jaulend meldet sich die Gitarre zu Wort, dabei nie überdreht oder völlig exaltiert. Auch in diesem Stück ist das Dreiergefüge auf Augenhöhe zu hören. In Teilen meint man, dass das Spiel von Gero Koerner dem von Keith Emerson ähnelt. Fingerflink werden die Tasten angespielt und zu einer Klangkaskade verbunden.
Während „Ti Ralph“ von Sydney Bechet im Original Musik ist, zu der ein Lindy Hop oder Jive getanzt wird, ist die Version des aktuellen Trios eine Mischung aus Ska und Calypso, oder? Auf alle Fälle ist das eine Musik, zu der getanzt werden kann, etwas, das mit dem Aufkommen des Bebops im Jazz verschwunden ist. Zumal dann der Jazz vom Rock 'n Roll öffentlich verdrängt wurde. Auch die Musik Westafrikas, vor allem des Senegals, scheint sich in dem Arrangement von Hesse und Co wiederzufinden.
Ein wenig aus der Art geschlagen, ist „Astral Plan“, eine Komposition, die dem Jazz Rock zuzurechnen ist und ein Gemeinschaftswerk des Trios mit dem Gastmusiker Johnny Vidacovich ist. Auch Ansätze von Psychedelic Rock sind bei diesem Stück auszumachen. New Orleans ist da ganz fern. Eher denkt man an Verbindungslinien zum Mahavishnu Orchestra und zu Pink Floyd zum Beispiel. Zum Abschluss präsentiert Gero Koerner seine Komposition „Pussycat“. Zugleich heißt es dann: It's funky, funky … ohne Les McCann und Konsorten.
Fazit: Ein sehr buntes Programm auf einem Debütalbum und zugleich auch eine Reise durch verschiedene Jazzwelten. Bitte mehr davon!!
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
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