Hermia/Ceccaldi/Darrifourcq: God At The Casino
H
Babel Label, BDV 15132
Der belgische Flötist und Saxofonist Manu Hermia hat sich in sein Trio folgende Musiker geholt: Sylvain Darrifourcq, der auch im Quartett von Emile Parisien am Schlagzeug wirbelt, und den Cellisten Valentin Ceccaldi.
Ist das Cover des vorliegenden Albums richtungsweisend, fragt man sich? Es zeigt auf der Vorderseite einen zerbrochenen Würfel. Ist das Spiel also vorbei und der Tanz ums „Goldene Kalb“ vergeblich gewesen? Nein, im 18./19. Jahrhundert wurden mit einem Silberhammer Würfel zerschlagen, wenn sich der Verdacht des Falschspiels aufdrängte.
Auf der Rückseite ist der Würfel in der Hand des Spielers noch unversehrt. Was sagt uns das? Jeder ist seines Glückes Schmied? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt? Oder heißt es nur, dass wir alle Spieler sind, die hoch wetten und hoch verlieren, nicht nur im Casino und am Spieltisch?
Insgesamt fünf Kompositionen finden sich auf dem Album, beginnend mit „On A Brule La Tarte“ bis „Chauve Et Courtois“.
Mit einer Art thematischer Fanfare beginnt „On A Brule La Tarte“. Diese wiederholt sich, ehe sich daraus dann eine kurze Kaskade entwickelt. Nachfolgend äußert sich das gestrichene Cello, tieftönig und wehmütig. Im Hintergrund wird auf den Fellen des Schlagwerks geschabt und Manu Hermia setzt mit seinem lyrisch anmutenden Spiel ein. Zum Schreien und Kreischen bringt derweil Sylvain Darrifourcq sein Schlagwerk. Anklagend erscheint das Cello, in den Händen von Valentin Ceccaldi. Zug um Zug nimmt das gemeinsame Spiel dramatische Züge an, steuert auf einen Höhepunkt zu, auch angetrieben durch das Schlagzeug. Wie ein Tusch mutet an, was dann Manu Hermia vorträgt, ehe er sich im freien Spiel austobt. Das Cello hält dabei ein Ostinato, über die spitze Saxofonschreie hinwegziehen. So also klingt eine verbrannte Torte?
Habe ich den Titel richtig verstanden, dann handelt das dritte Stück der aktuellen Einspielung von Polizisten. Signalisiert da das kurz angebotene Schlagwerk die niedersausenden Gummiknüppel? Auch das Cello scheint in die „Züchtigung“ einzufallen. Es klopft und klopft. Das Klopfen wird schneller und intensiver. Dazu gesellt sich ein Glöckchenklang und ein Schwirren. Saiten des Cellos schwingen in großen Bögen und das Saxofon säuselt ein wenig dazu: So beginnt „Les Flics De la Police“. Oh, hört man da gar ein verfremdetes Martinshorn? Durchgehend sind ein sehr stark akzentuierte Rhythmus und die sich darüber erhebenden Saxofonklangwolken vorhanden. Folgt man den Phrasierungen von Manu Hermia, so gewinnt man den Eindruck von „Haltet den Dieb!“
Schließlich noch einige Anmerkungen zu „Chauve Et Courtois“. Die Übersetzung dieser Komposition des Schlagzeugers des Trios klingt widersinnig: „Kahlköpfig und höflich“. Dabei möchte man gerne mehr über die Titelwahl erfahren, doch ein Booklet, aus dem man ergänzende Informationen entnehmen könnte, fehlt gänzlich. Klingelt da am Anfang gar ein altes Wahlscheibentelefon? Oder ist's der Wecker, der nicht ausgestellt wurde? Glöckchen oder eine Triangel sind obendrein zu vernehmen. Ist da nicht auch der Klang der rotierenden Lamellen eines Glücksrads zu hören? Geräusch über Geräusch überkommt uns, außerdem ein hohes Klick und Klack. Blechhaftes dringt zudem an unser Ohr. Bis zur Hälfte der Komposition agiert der Schlagzeuger solistisch. Erst dann setzt der Cellist mit Tonfolgen ein, die eher an einen Bass als ein Cello denken lassen. Klangtropfen um Klangtropfen entwickeln sich. Im Hintergrund hört es sich so an, als würde jemand durch einen Schrotthaufen stapfen. Nur kurz ist das Saxofon zu vernehmen, das Manu Hermia anstimmt. Dann pausiert er, um nach gewisser Zeit wieder anzufangen. Stets präsent sind nur das schrille Schlagwerk und auch das zum Bass mutierte Cello. Für das Saxofon hingegen wurden ab und an Atempausen eingeplant.
Wer einen Sinn für freie Musik und experimentellen Jazz besitzt, dem wird sich eine ungewöhnliche Hörwelt eröffnen, wenn Hermia und seine Mitstreiter „Gott im Casino“ suchen. Nur offen muss man schon sein, wenn man sich dem Trio und dessen Klangkonzepten widmet.
Text: © ferdinand dupuis-panther
Press release by Manu Hermia
Après une première rencontre organisée au festival de Jazz d'Orléans, les trois comparses se sont retrouvés en Belgique et ont enregistré le fruit de leur rencontre. Le CD sort à présent sous le label Babel basé à Londres. Il s'intitule "God at the Casino" et sera disponible à partir de mars 2015. Valentin Ceccaldi au violoncelle, jeune talent de l'hexagone, passe d'une fonction de contrebasse à une fonction mélodique et parfois même harmonique, tout en imposant son langage personnel. Sylvain Darrifourcq, depuis dix ans batteur au sein de quartet d'Emile Parisien, et de bien des aventures musicales plus intéressantes les unes que les autres ces dernières années ( Q par exemple ), allie groove, déconstruction et alliance de la batterie avec des joujous électroniques comme personne. Les trois musiciens composent pour ce projet, véritable rencontre humaine et musicale.
Informationen
Label
Babel Label
http://www.babellabel.co.uk
Musiker
Manu Hermia
http://manuel-hermia.com/index.php/fr/
Valentin Ceccaldi
https://www.youtube.com/watch?v=YWcGTrnyXLo
Sylvain Darrifourcq
https://www.youtube.com/watch?v=V_utv23mOSI
Weitere CD Besprechungen
http://www.jazzhalo.be/reviews/cd-reviews/s/slang-purbayan-chatterjee-pace-of-mind-claude-loxhay/
http://www.jazzhalo.be/reviews/cd-reviews/s/slang-purbayan-chatterjee-pace-of-mind-ferdinand-dupuis-panther/