Hedvig Mollestad Trio – ding dong.you're dead

Hedvig Mollestad Trio – ding dong.you're dead

H

Rune Grammofon

Jazz aus Norwegen heißt heute mehr als Jan Garbarek, Terje Rypdal oder Bugge Wesseltoft. Eine Zahl junger Jazzmusiker drängt immer mehr in die Öffentlichkeit. Dazu gehören auch die Gitarristin und Komponistin Hedvig Mollestad Thomassen, die Bassistin Ellen Brekken und der Schlagzeuger Ivar Loe Bjørnstad.

Neun Monate nach dem viel beachteten Album „Ekhidna“ ist auf dem aktuellen Album ein Trio zu hören, das vor Klangeruptionen und Klangexplosionen nicht zurückschreckt. Man ist beim Hören geneigt zu denken, das Trio habe eine würzig-feurige Klangsuppe geköchelt, zu der auch Black Sabbath,  The Troggs, Rory Gallagher, Alvin Lee, John McLaughlin und andere „Klangpiraten“ beigetragen haben. Doch die „Chefköchin des Klangs“ ist im vorliegenden Falle Hedvig Mollestad Thomassen, die alle Tracks komponiert hat.

Nun kann man sich vortrefflich darüber streiten, ob die Musik des Trios Jazz Rock, Hard Rock oder Progressive Rock ist. Liest man Texte zum Album, so erfährt man unter anderem, dass die Musik bei Headbangers ebenso angesagt ist wie  bei Jazzheads. In JazzTimes schrieb Nate Chinen, dabei das Album "Black Stabat Mater" im Ohr: „Her trio, which has Ellen Brekken on bass and Ivar Loe Bjørnstad on drums, caught my ear then with its audacious style references: the loose swagger of early Black Sabbath; the density and prowl of peak Led Zeppelin; the expeditionary urge of Jimi Hendrix; the incantatory fervor of John McLaughlin.“

Die Band entstand, nachdem Hedvig Mollestad ihre beiden Mitmusiker am Musikkonservatorium in Oslo getroffen hatte. Das war zu einer Zeit, als die Gitarristin den Young Jazz Talent of the Year award beim Molde International Jazzfestival 2009 erhalten hatte. Seither entstand ein Album nach dem anderen, so u. a. Shoot! (2011), All Of Them Witches (2013), Enfant Terrible (2014), Black Stabat Mater (2016), Evil In Oslo (2016) und Smells Funny (2018).

Aufgemacht wird das aktuelle Album mit „Leo Flash’ Return To The Underworld“, gefolgt von „All Flights Cancelled“ und „Ding Dong. You´re Dead“. Zu hören sind zudem „Magic Mushroom“, „The Art Of Being Jon Balkovitch“ und zum Schluss „Four Candles“.

Gleich zu Beginn röhrt es, rumort es, wirbelt der Schlagzeuger an seinem Drum-Set. Schnelle Gitarrenläufe jagen durch den Klangraum, verstetigt und gleichsam in der Endlosschleife. Dazu heizt Ivar Loe Bjørnstad mächtig ein. Synth oder nicht – das fragt man sich im Weiteren. Doch es ist Hedvig Mollestad, die  sphärische Verfremdungen zelebriert. Der E-Bass zirkuliert im Klangrausch und auch die Lead-Gitarre jagt mit Klangmodulen gleichsam durchs All. Für grundfeste Stetigkeit sorgt die Bassistin Ellen Brekken. Und fürwahr bei „Leo Flash’ Return To The Underworld“ ist Headbangig nicht ausgeschlossen. Manche Riffs, die wir aufnehmen, lassen an Passagen aus Stücken von Black Sabbath oder Deep Purple denken. Und auch auf dem „Highway to Hell“ ist das Dreigespann unterwegs, oder? Jaulend, wimmernd, schreiend, klagend – teilweise in der Manier von Jimi Hendrix agierend – ist Hedvig Mollestad zugange. Sie gibt dem Begriff Hard Rock eine ganz eigene Bedeutung. Nein, Punk ist es nicht, den wir da hören. Denn der erste Track ist ebenso wie weitere Tracks nicht mit simplen drei Akkorden gestrickt. Das wäre typisch Punk mit und ohne Sex Pistols.

„All Flights Cancelled“ heißt zwar der Titel des Tracks. Doch in ihm vereinen sich The Ventures reloaded, aber auch mit ein wenig Dire Straits revisisted. Gemeinsam mit dem Trio unternimmt der Hörer eine Exkursion in Rockwelten, die durch harte Beats geprägt werden. Die Weite des Klangraums entdeckt man dann bei Hedvig Mollestads Saitenspiel. Da vernimmt man schrille Klanschraffuren mit unterschiedlichen Farbnuancen. Dazu gibt es viel Getrommel mit kurzer Schlagfrequenz. Ein gestrichener Bass nimmt sich am Beginn von „Ding dong. You're dead“ das Wort, verflüchtigt sich dann, sobald Hedvig Mollestad in steten Klangbögen zu hören ist. Ja, was sie spielt, klingt ein wenig nach einem Schlagwerk einer Turmuhr: Ding und Dong. Doch auch auf feine Tonritzungen versteht sich die Gitarristin aus Oslo. Gewiss, ohne Elektronik gäbe es manche Saitenmodulation nicht. So scheint dann auch eine Klang-Mischung aus Rhodes, Wurlitzer- und Hammond-Orgel an unser Ohr zu dringen. Derweil ist es am Schlagzeuger mit Schlägeln den Stundenschlag zu setzen. Insgesamt ist das Trio bei dem Stück in  etwas ruhigerem Kehrwasser unterwegs. Vulkanische Klangeruptionen fehlen. Die Welt von Mark Knopfler wie in „Local Hero“ scheint hier und da durch. Derartige Hinweise sind als Fußnote und assoziativ zu begreifen und nicht im strengen Wortsinn eines Vergleichs, da das Hedvig Mollestad Trio eben nicht Dire Straits ist!

Der Malstrom des Klangs – das ist das, was „Glimbal“ ausmacht. Ohne Frage werden dabei Klangmuster und Klangschemata aufgegriffen, die auch die vorher beschriebenen Tracks durchziehen. In die Tiefe stürzende Kaskadierungen werden aneinandergereiht; Verwirbelungen und Donnergebrüll erleben wir. Und immer wieder ist ein thematischer Block auszumachen, der im Verlauf des Stücks verflüssigt, verwässert und aufgelöst wird. Dabei wird die Welt von Hard Rock niemals verlassen. Anschließend erleben wir klanglich die halluzinierende Wirkung von „Magic Mushroom“, ohne dass Psychedelic Rock angesagt ist. Wie bereits oben angedeutet, ist das nicht die Klangsphäre, in der sich das Trio bewegt. Hedvig Mollestad lässt wie zuvor ihre Gitarre aufschreien. Unbändig ist der Klangfluss, derweil Bass und Schlagwerk eine Art solides Gitterkonstrukt errichten, in dem die Gitarristin agiert. Jaulen, Schreien, Kreischen, Röhren, Wimmern, Flirren – all das wird zu einer Klangmelange gefügt. Und zum Schluss entzündet das Trio „Four Candles“. Tropfenklang vereint sich mit Blechflirren. Aus dem Off dringt ein schwirrender Gitarrenklang an unsere Ohren. Schlägel fahren auf Felle nieder. Saite nach Saite wird zum Klingen gebracht. Ein Stick schabt am Blechrand entlang. Kurze Verwirbelungen sind auszumachen. Lang gezogene Klangfontänen schießen im Klangraum empor. Hier und da rührt sich die Bassistin. Surf-Sound scheint ab und an auch Teil der Präsentation. Dabei sollte man aber nicht die Beach Boys und deren Musik im Kopf haben. Und am Ende mag sich jeder selbst die Frage nach dem Genre beantworten, in das das Trio einzuordnen ist. Doch wie wichtig ist eigentlich so eine Zuordnung?

© ferdinand dupuis-panther




Infos

https://de-de.facebook.com/HedvigMollestadTrio
https://de.wikipedia.org/wiki/Hedvig_Mollestad
https://en.wikipedia.org/wiki/Ellen_Brekken

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