Hazelrigg Brothers - Songs We Like
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Nun liegt es vor, das Debütalbum der Hazelrigg Brothers, George und Geoff Hazelrigg, der eine Pianist und der andere Bassist. Obgleich sie schon fast ihr ganzes Leben lang Musik machen, waren sie erst jetzt davon überzeugt, ein gemeinsames Album auf den Markt zu bringen. Dabei wurden sie durch den Drummer John O’Reilly unterstützt.
Das aktuelle Album umfasst neun Songs, darunter solche von Led Zeppelin (“Ten Years Gone” and “What is and What Should Never Be”), Jimi Hendrix Experience (“If 6 Was 9”), Steely Dan (“King of the World”), Jethro Tull (“Living in the Past”) und Police (Sting’s “Spirits in the Material World”). Obendrein haben sie auch in eigenen Arrangements einen Song der bekannten australischen Rockband Men at Work (“Catch a Star”) und zwei klassische Kompositionen vertont, nämlich Béla Bartóks “Evening in the Country” und “Passacaglia,” von Johann Caspar Ferdinand Fischer.
Das ist fürwahr ein breites musikalisches Spektrum, wobei die Rocksongs durch die doch minimalistische Instrumentierung ein ganz eigenes neues Gewand erhielten. Sie wurden gleichsam einem klanglichen Striptease unterzogen, sprich sie wurden von den rockigen Modulen befreit und entkleidet, sodass man schon ein genauer Kenner sein muss, um die Melodiestrukturen und -linien der Originale auszumachen. George Hazelrigg bringt das mit folgenden Worten auf den Punkt: “We are interpreters of music. Neither of us feels the need to compose substantial pieces for this idiom.“
Das Brüderpaar hat sich bei der Zusammenstellung des Trios sehr viel Zeit gelassen und mit Augenmerk die Wahl des Drummers vorgenommen. In einem Interview mit Andrew Read – für das vollständige Interview siehe den Link unter Informationen – lesen wir zum Thema „Auswahl des Schlagzeugers“: „We had been through several drummers. We had specific ideas about what we wanted to hear from that chair, and it wasn’t until we started playing with John that we felt that it was really working. He is a capable jazz player, to say the least, but we needed more than that. He grew up playing violin, and his father is a notable composer, so he has a great concept on ensemble playing in a more classical-music-oriented way. … When we record, the instruments are in close proximity to one another, and he’s able to get a great sound out of the kit without drowning out the bass.“
Ungewöhnlich für ein Jazzalbum ist die Songauswahl, doch muss man ergänzen, dass auch Gero Koerner jüngst ein Album vorgelegt hat, das sich um die gängigen Popsongs kümmert, sie jedoch eher im Stil von West Coast Jazz und Chicago Jazz präsentiert. Also, so besonders scheint es nicht zu sein, dass Popmusik im Jazz Einzug hält. Auch die Klassik ist schon lange in Europa Teil von Jazzrepertoires. Dabei denke man nur an den in Süddeutschland beheimateten Saxofonisten Peter Lehel, der sich mit seiner Band mit Kompositionen von Béla Bartók befasst.
Zu diesem Themenkomplex und der Frage von Interpretation und Arrangement lese man die nachstehenden Kommentierungen durch die Hazelrigg Brothers: „Generally, things start with a random conversation, or sometimes even a joke, or one of us plays the riff to a song and we try to figure out what it is. Occasionally, we develop a concept and problem-solve it out. From there, we play the song mostly from memory for a while, without doing much critical listening to the original. It seems that we wind up with the components that draw us into the song the most become the focus of the arrangement.“
Aufgemacht wird das Album mit „Living In The Past“, gefolgt von „Catch A Star“. So vereinen sich Jethro Tull mit Men At Work, ohne dass man dramatische musikalische Brüche erlebt, jedenfalls nicht, wenn diese Songs durch die Hazelrigg-Brüder interpretiert werden. Das gilt auch für die weiteren Songs wie „Ten Years Gone“ und „King Of the World“. Mit nicht zu überhörendem klassischem Duktus kommt allerdings „Passacaglia“ daher.
Im Song „Catch A Star“ führt der Pianist George Hazelrigg das musikalische Zepter. Zugleich bemerkt der Zuhörer kurze Momente von Regga-Rhythmik, die dem Song von Men At Work beigemischt wurde. Zu diesen setzt George Hazelrigg energieaufgeladene Impulse. Ja, es gibt auch perlende Passagen, aber eben auch nuancierte Akzente, wie man sie sonst im Jazz-Rock und Funk findet. Nach Men at Work gibt es dann eine Hommage auf Jimi Hendrix zu hören, wenn auch nicht „All Along The Watchtower“ und „Purple Haze“, die Megahits des viel zu früh gestorbenen Hendrix. Die Hazelrigg Brothers haben dem Song „Ift 6 Was 9“ eine sehr starke Blueseinfärbung gegeben. Stilistisch scheint mir bezüglich des Pianospiels eine stilistische Nähe zu Erroll Garner durchaus gegeben. Auch Geoff Hazelrigg hat bei diesem Song seine Momente, in denen er solistisch brillieren kann und dem Tieftöner fein ziselierte Tonfolgen entlockt. Zarte Beckenwirbel sorgen im Hintergrund für die rhythmische Begleitung, derweil klangstarke Passagen zu hören sind, die den schwarzen und weißen Tasten des Pianos geschuldet sind.
In einer Mischung aus Soul, Funk und auch Reggae präsentiert das Brüderpaar „Evening in the Country“. Das hat nun weder etwas mit Romantik oder Postromantik gemein, obgleich man das bei Bartók erwarten dürfte. Die vorgelegte Interpretation Bartóks fügt sich harmonisch und nahtlos in das Gesamtkonzept des Albums ein, bei dem es ja um die Lieblingssongs des Brüderpaars geht und um nichts anderes.
Die klassische Kinderstube ist bei der „Passacaglia“ nicht auszublenden. Das klingt dann ähnlich wie Jacques Loussiers „Play Bach“, sprich nach der Verjazzung von Bach-Kompositionen, wenn die besagte Passacaglia auch nicht von Bach, sondern von Fischer stammt. Beide sind jedoch Musiker der Barockzeit und insoweit durchaus miteinander zu vergleichen, wenn auch das Werk Bachs viel häufiger zu hören ist als das von Fischer, von dem leider sehr wenige Kompositionen bis heute überliefert und erhalten geblieben sind.
„Spirits In The Material World“ stammt von Sting. Die Hazelrigg-Brüder haben den Song mit gekonnter Leichtigkeit inszeniert. Da wird dann Pop-Jazz vom Feinsten vorgetragen. Wer beim Zuhören nicht abzappelt, dem ist wirklich nicht zu helfen.
Zum Schluss heißt es „What is and What Should Never Be“. Damit haben sich die Gebrüder Hazelrigg an einem weiteren Song von Led Zeppelin versucht, der Elemente von Hardrock mit Rhythm 'n Blues sowie weich gezeichnete Passagen mischt. Das dröhnt, scheppert, wummert, vibriert und flirrt dann zeitweilig gewaltig – im Original. Und was machen die Hazelriggs daraus? Sie folgen auf ihre eigene Art und Weise dem oben genannten Wechselspiel, wenn auch die Instrumentierung Limits aufzwingt, sodass die Interpretation eher in Richtung Blues driftet. Wenn dann der gestrichene Bass noch zum Tragen kommt, denkt man an Folk und Folk-Blues, oder?
Text: © ferdinand dupuis-panther - Der Text ist nicht public commons!
Informationen
http://hazelriggbrothers.com/wp/
Interview mit den Hazelrigg Brothers
https://jazzineurope.mfmmedia.nl/2018/04/an-interview-with-the-hazelrigg-brothers/