Hanna Schörken: filán (Ferdinand Dupuis-Panther)
H
Unit Records UTR 4711
Wortkunst trifft Tonkunst – so oder ähnlich konnte man das Album kurz und knapp umschreiben. Wer nach der Bedeutung des Albumtitels forscht, wird in einer Sackgasse landen, denn den Begriff „filán“ gibt es nicht. In dem Wort, so Hanna Schörken, die zeitweilig in Frankreich gelebt hat, sei das französische Wort für Faden, aber auch für Garn und Draht, verborgen, also nicht etwa das Wort für Sohn, wie man vorschnell annehmen könnte.
Eigene Kompositionen und Lyrik hat Hanna Schörken mit Gedichten von Ted Hughes verwoben. Auch bei Björk und Tom Waits hat sie sich, soweit es die Wortkunst betrifft, „bedient“. Wer, so fragt man sich als Nichtkundiger und Nicht-Literaturwissenschaftler ist denn dieser Ted Hughes? Edward James "Ted" Hughes war ein englischer Schriftsteller, der in Fachkreisen als einer der besten Literaten Englands seiner Generation bezeichnet wird. Er war mit der amerikanischen Schriftstellerin Sylvia Plath verheiratet, die 1963 von eigener Hand aus dem Leben schied. „Birthday Letters“ (1998) behandelt die komplexe Beziehung des Paares. Dabei fühlten sich Feministinnen herausgefordert, heftige Kritik an Hughes zu formulieren. Das soll uns aber nicht weiter kümmern, denn wir wollen uns ja im Weiteren ganz und gar dem Werk von Schörken widmen.
Mit dem literarischen Werk von Ted Hughes „There was the Sun on the Wall“ beginnt der Ton- und Wortreigen des Albums. Es folgen Titel wie „Landscape Yellow“, ehe mit „The Harvest Moon“ erneut Hughes zu Wort kommt. Von der afroamerikanischen Schriftstellerin und Feministin Ntozake Shange stammt der nachfolgende Text „Ambrosia Mama“, Musik von Jeanne Lee. Lee wird im Übrigen der innovativste Ansatz in zeitgenössischem Jazzgesang zugeschrieben. Da scheint ja die Latte für Hanna Schörken ziemlich hoch zu liegen.
Freunde des Chansons werden beim Namen Léo Ferrer aufhorchen, von dem der Text und die Musik zu „Avec le temps“ stammen, die von der in Köln und Duisburg beheimateten Sängerin und Komponistin Hanna Schörken in ihr Repertoire aufgenommen wurde. An „Isobel“, das wir auch hören können, war u. a. Björk beteiligt und am Ende gibt sich dann Tom Waits zwar nicht persönlich die Ehre, aber wir hören vorgetragen von Hanna Schörken sein „Green Grass“.
Vorweg: Es ist zu bedauern, dass das Plattenlabel nicht den einen oder anderen Text auf dem Cover abgedruckt oder gar ein Booklet produziert hat. Aus meiner Sicht kommt es bei vokalem Jazz eben auch und gerade auf den Inhalt des Textes an, der beim reinen Zuhören nicht immer erfasst werden kann. Nun gut, Unit Records hat sich für eine andere Hüllenform entschieden.
Klong, Klong – Tastentöne sind dumpf zu hören. Über diese setzt die Sängerin rezitierend den Text „There was the Sun on the Wall/childhood picture/“ … Dann wieder ein Plong und ein Klong, eher das Rezitieren seine Fortsetzung findet. „… He smiled in a half coma … a stone temple smile ...“ - Plong, Dong, Dong … „all day … all day ...“ . Wer zuhört, wird stets in Spannung und Anspannung gehalten, will er denn dem Textinhalt folgen und diesen auch erfassen. Auch im weiteren Fortgang ändert sich die rhythmische Gestaltung des Vortrags nicht. Es bleibt bei Rezitieren, auch wenn hier und da Lautmalerisches hinzugefügt wird.
Ein bewegter Tieftöner und ein nervöses Schlagwerk treffen auf ein energiegeladenes Tastenmöbel, wenn „Clear-Sightedness“ (Musik und Text von Hanna Schörken) erklingt. Deutlich ist der Kontrast zum vorherigen Vortrag. Melodischer Gesang und nicht Rezitation sind angesagt, durchaus auch ein wenig in der Tradition der berühmten Vokalisten des Jazz aus der Vergangenheit, ob Bessie Smith, Ella Fitzgerald oder Sarah Vaughan. Doch Schörken ist eben Schörken. Das bedeutet, dass sie den Liedfluss bricht, in Scat Vocal verfällt, mit ein wenig Latin-Touch versehen und auch ein wenig überziehend. Man meint gar, eine gewisse parodistische Note sei im Vortrag versteckt. Stellenweise tritt die Sängerin zurück und überlässt ihren musikalischen Begleitern die Bühne: Constantin Kramer (piano, electronics), Stefan Rey (contrabass) und Thomas Esch (drums). Nicht wildes Improvisieren steht dabei auf dem Zettel, sondern melodisches Spiel.
Wie hört sich wohl eine gelbe Landschaft - „Landscape Yellow“ - an, gleichfalls aus Schörkens Feder? Auf einem elektronischen Klangbett, Harmoniumsequenzen nicht unähnlich, breitet sich Schörkens Gesang aus. Sticks ziehen übers Blech und der Bass kommt gestrichen daher, während Schörken mit ganz gegen die sonst üblichen Betonungen Worte vorträgt, die dann eher auch als Worthülsen und Lautsegmente erscheinen. Das ist nur der eine Aspekt, der andere der nachfolgende lyrische Vortrag, im Sopran über dem Klangteppich ihres Trios schwebend.
„Ambrosia Mama“ kommt ein wenig wie ein Kinderlied, wenn nicht gar wie ein Schlaflied mit und ohne Lailala daher. Mit “Avec le temps“ sind wir dann in der Welt des französischen Chansons, kein Schlager und auch kein Pop Song, sondern gehobene Erzählkunst. Gerade bei diesem Text hätte sich der Rezensent den Abdruck einer Übersetzung oder zumindest des Textes gewünscht. Aber wie gesagt, Wünsche kann man haben, aber …
Zum Schluss legen wir uns ins grüne Grass, wenn wir „Green Grass“ – im Original von Tom Waits stammend und gesanglich als Hommage an Leonard Cohen anzusehen, hören. Man lauscht dem Waits' Vortrag mit rauchig-rauer Stimme. Im Kern ist Waits Song ein Liebeslied, schaut man auf den Text: „Lay your head where my heart used to be/Hold the earth above me/Lay down in the green grass/Remember when you loved me ...“. Klar, mit rauchigem männlichen Timbre kann Hanna Schörken nicht aufwarten. So folgt ihr Vortrag eher den Songs, die einst auch am Broadway und in amerikanischen Filmen populär waren, so zum Beispiel „Emily“.
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
Unit Records
http://www.unitrecords.com
Musiker
Hanna Schörken
http://architekt-schoerken.de/hanna/wordpress/
http://www.hannaschoerken.de