Groovin' High: Groovin' In
G
Personality Records, PR 18
„Die Band um den Unternehmer und Saxofonisten August-Wilhelm Scheer und dessen gleichnamige Stiftung zaubert eine exzellente Mischung aus klassischem Jazz, Swing und Bebop. Ebenfalls mit in der Band spielt einer der bekanntesten Saxofonisten Süddeutschlands, Johannes Müller. Er gewann unter anderem den Solistenpreis im bundesdeutschen Hochschulwettbewerb in der Kategorie Big Band. Der Bassist des Ensembles ist der in Frankreich lebende und weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Gautier Laurent. Am Piano findet sich der ebenfalls französische und preisgekrönte Künstler Pierre-Alain Goualch. Abgerundet wird Groovin’ High durch den Pariser Vorzeige-Schlagzeuger Remi Vignolo. Die Stücke auf dem Album sind allesamt Eigenkompositionen der Bandmitglieder.“ So liest man es in der Presseinfo des Labels. Ist damit schon alles gesagt? Wohl kaum!
Aufgemacht wird das Album mit „Groovin' In“, eröffnet dem Hörer das blaue Zimmer („La Chambre Bleue“), entführt mit „Cajun“ nach Louisiana, erzählt von einer U-Bahn-Fahrt nach New York („Subway To New York“) und endet mit dem Ausführen des Hundes („A Dogwalk“).
Beinahe mit der Lässigkeit von Monk agiert der Pianist zu Beginn von „Groovin' In“, allerdings verlässt er schon häufiger den akzentuierten Spielstil von Monk, ehe dann die geballte Blasermacht zum Tragen kommt. Dazu reichen dann auch schon mal zwei Saxofone aus, wenn das eine ein tieftöniges Baritonsaxofon ist. Aus dieser Bläserwucht löst sich dann ein solistisch aufgelegtes Tenorsaxofon mit gezielten Phrasierungen. Im Hintergrund steuert der Pianist die jeweils zwingenden Akzente bei. Auch für ihn kommen dann die Minuten, in denen er sich als Solist zeigen darf. Hereinspaziert in den blauen Salon, eine Komposition des Bassisten Gautier Laurent, heißt es im Nachgang. Eine gewisse lyrische Note ist diesem Stück nicht abzusprechen. Es klingt wie Faulsein am Nachmittag oder wie Chill-out als ultimative Beschäftigung, dazu trägt solistisch auch der Pianist Pierre-Alain Goualch bei. Irgendwie hat man den Eindruck, dass er die dahinplätschernde Zeit einzufangen versucht. Auch der Bass steuert mit seinen Sequenzen dazu bei, dass man sich bei diesem Stück gleich ganz tief in den Ohrensessel setzt und entspannt. Kontemplation ist angezeigt.
„Cajun“ ist ein Titel, bei dem man eigentlich Waschbrettsound und Akkordeonläufe erwartet. Darauf müssen wir allerdings verzichten. Die röhrenden Saxofone und das Schlagzeug übernehmen die Hauptrollen. Es ist eine Komposition, der man das Attribut „funky“ hinzufügen kann. Da wippen nicht nur die Fingerspitzen, sondern da kommt der ganze Körper in Schwingungen und Schwung. Schwäbische Zurückhaltung ist mal ganz schnell abzulegen, auch und gerade, wenn Goualch heftig in die Tasten geht, und dann das Tenorsaxofon auffordernd zu vernehmen ist: „Shake your arse!“.
Auf geht es schließlich mit der U-Bahn nach Downtown New York. Das scheint eine Fahrt in einem langsam ratternden Zug, folgt man der Basslinie von Bass und Klavier. Darüber schwingt sich das Tenorsaxofon in erwartete Klanghöhen empor. Oh, verlangsamt sich da gerade die Fahrt durch den U-Bahn-Tunnel? Man meint es, wenn man den Grooves im weiteren folgt. Dann, aber dann wird die Fahrt ein wenig flotter. Schließlich wollen wir ja ankommen in Downtown N.Y.!
Am Ende fordert dann der Hund unsere volle Aufmerksamkeit. Dabei scheint nach meinem Hörempfinden gerade bei der Komposition „A Dogwalk“ ein Hauch von Cannonball und Nat Adderley über unseren Köpfe zu schweben.
Was die Mannen um August-Wilhelm Scheer uns präsentieren, ist kunterbunter Gute-Laune-Jazz jenseits von Smooth Jazz. Bitte mehr davon auf Rezept, damit der Alltag unter anderem im Winter nicht grau bleibt.
Text: © ferdinand dupuis-panther
Informationen