Gradischnig-Schwinn-Pirker: Under Western Skies

Gradischnig-Schwinn-Pirker: Under Western Skies

G

cracked an egg rec. / Handsemmel Records

Was passiert, wenn Herwig Gradischnig (tenor saxophone, bass clarinet), Frank Schwinn (guitar, live electronics) und Herbert Pirker (drums) aufeinandertreffen? Dann scheinen"Country" und "Western" mit Jazz eine gelungene Melange einzugehen, ohne dass plumpe Country & Westernklänge und -rhythmen ertönen. Nein, Line Dance ist nicht angesagt, wenn das Trio aufspielt. Dass bei der Gestaltung der Musik anfänglich Landschaften in Westernfilmen Vorlagen waren, sei eingestanden. Doch bei Gradischnig-Schwinn-Pirker geht es im Weiteren nicht um Cowboys und Indianern, Büffelherden und Wagenburgen und schon gar nicht um den Pioniergeist bei der Eroberung der Neuen Welt. Doch neue Welten eröffnet das Dreiergespann dem Zuhörer schon.

Wie Harry Sokal (tenorsaxophon) – man lese die diversen bei Jazz'halo erschienenen CD Reviews der Veröffentlichungen bei jawo records und alessa records – gehörte auch der Saxofonist Herwig Gradischnig zum legendären Vienna Art Orchestra. Ist das nicht schon ein Grund genug, in das vorliegende Album hineinzuhören? Übrigens die Musiker um Gradischnig haben gewiss Sinn für Humor, wenn sie eine CD mit einer A- und einer B-Seite herausbringen, gleichsam als Verneigung vor den Vinylproduktionen, die nun wieder mehr im Kommen sind. Eingespielt wurden zehn Titel, beginnend mit „Where Church Bells Ring“ bis hin zu „Lullaby“. Die Kompositionen entstammen dabei zum einen aus der Feder von Gradischnig, zum anderen aus der von Schwinn.
Nein, Kirchenglocken erklingen nicht, wenn wir „When Church Bells Ring“ hören. Dafür ist das intensive Saxofonspiel von Gradischnig zu vernehmen, unter das sich stufig gesetzte Gitarrenklänge mischen, dank sei Frank Schwinn. Dieser hat im Verlauf auch die Gelegenheit zu einem Solo, das die Nähe zum akustischen Blues erkennen lässt. Doch was passiert dann? Man hat den Eindruck, dass das Stück sich als Klagelied weiterentwickelt, bei dem jeder der Musiker seinen eigenen Weg zu finden sucht.
Anschließens unternehmen wir musikalisch einen Besuch beim Doc. Dabei mutet die Melodie wie ein verfremdeter Westernsong an , zu dem man sich zum Line Dance trifft und den Tanzboden zum Schwingen bringt. Die Gitarre verfällt im Hintergrund in ein rockiges Ostinato, während das Saxofon immer verspielter wird. Doch was ist das denn? Hören wir da nicht eine verzerrte und wimmernde Gitarre, die auch Jimmy Hendrix oder Alvin Lee gespielt haben könnte? Doch das besaitete Harmonieinstrument spielt im vorliegenden Fall niemand anderer als Frank Schwinn, der in seinen anderen musikalischen Projekte dem Blues und Rhythm 'n Blues sehr zugetan ist. Das ist seinem Spiel auf der vorliegenden CD auch durchaus anzumerken.
„Dakota“ steht als Nächstes auf dem Programm. Sind da etwa die Kriegsrufe und Kriegstrommeln der Schwarzfuß-Indianer zu hören? Dies ist jedoch nur ein kurzes Intermezzo, denn dann ist beim „Duett“ von Saxofon und Gitarre Fusion angesagt. Ausgeprägt ist der „tänzelnde Rhythmus“, den der Schlagzeuger spielt. Oder imitiert Herbert Pirker gar berittene Pioniere, die auf einem Erkundungsritt unterwegs sind? Auch in diesem Stück dominiert im Übrigen Gradischnig das Klangbild.
Recht kurz ist der „Weg nach Westen“ im Vergleich zum zehnminütigen Schlaflied, mit dem das Album endet. „Way out West“ nimmt nun wirklich Rhythmus und Melodiefluss von Westernsongs auf. Also, Jazz-Cowboys auf die Pferde und diesen die Sporen gegeben – das scheint das Motto dieses songhaften Stücks. Irgendwie schwingt aber auch ein Hauch von Rock 'n Roll bei dieser Nummer mit.
Wer ausreitet, der muss auch wieder nach Hause kommen. So wundert es nicht, dass sich an den „Ausritt nach Westen“ das Stück „Home“ anschließt. Überaus nachhaltig ist in diesem Stück das anfänglich sehr nervöse Schlagzeugspiel, abgelöst vom verhalten melodiösen Spiel des solistisch eingesetzten Saxofons. Das Songhafte, also das Narrative, ist dem Stück deutlich anzumerken. Unterstützt von dramatischen Schlagzeugwirbeln ereifert sich das Saxofon im Fortgang des Stücks. Man denkt beim Zuhören weniger an ein beschauliches Zuhause als denn an eine Flucht und ein Hin- und Hergerissen.
In der Tradition des akustischen Blues oder Country Blues, wie ihn zeitweilig auch John Lee Hooker pflegte, ist „Cause You're My Woman“ gehalten. Zum Schluss sei auf „Lullaby“ hingewiesen, komponiert vom Gitarristen Frank Schwinn: Wie es sich für ein Kinderlied gehört, ist die Melodie sehr eingängig, ohne dass man gleich an ein Schlaflied denken muss. Doch das sei angemerkt, ein Lullaby ist nicht nur ein Liedchen, das eine Geschichte erzählt, sondern Kinder auch in den Schlaf wiegen soll.

Text: © ferdinand dupuis-panther

Informationen

Label

www.crackedanegg.com/handsemmel

Musiker

Herwig Gradischnig
http://www.jazzmusicarchives.com/artist/herwig-gradischnig

Herwig Gradischnig, Baritone Sax - funky jazz-rock solo (Vienna Art Orchestra, live TV, 2000)
https://www.youtube.com/watch?v=LaLD7H20avk

Frank Schwinn
http://www.frankschwinn.com/welcome.html

Herbert Pirker
http://www.herbertpirker.com/herbertpirker.com/about.html


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