Goran Kajfeš Tropiques - Tell Us

Goran Kajfeš Tropiques - Tell Us

G

We Jazz Records

Goran Kajfeš Tropiques ist ein schwedisches Quartett, das aber auch kammermusikalischer Musik nicht abgeneigt ist. Man höre mal die Streichereinführung im ersten Stück des aktuellen Albums. Über das Album ist Nachstehendes zu lesen: „Tell Us, an album consisting of three long pieces composed by the group, is "slow music" to the bone, a deep body of work utilising the language of jazz as its core mode of communication but echoing way beyond. The quartet is expanded with strings, adding wings to the music and helping it lift off the ground in a personal, highly engaging manner.“

Das Ensemble um Goran Kajfeš (trumpet, synthesizer) besteht aus Alexander Zethson (piano, organ, synthesizer), Johan Berthling (acoustic bass) und Johan Holmegard (drums). Die Genannten sind im übrigen bekannt aus Bands wie Dungen, Ghosted, Fire!, Gard Nilssen's Supersonic Orchestra, Oddjob, um nur einige Bands namentlich an dieser Stelle aufzulisten. Goran Kajfeš ist nicht nur in seinem Quartett Tropiques  aktiv, sondern auch im eigenen Suptropic Arkestra. Entstanden ist Tropiques aus Anlass eines Auftrags zur Komposition für eine Performance der modernen schwedischen Tanztruppe Vindhäxor. Das war im Jahr 2011.
 Als Referenzen der Musik des Quartetts sind Alice Coltrane, Terry Riley, Steve Reich, Pharoah Sanders, Laraaji, John Coltrane und Psychedelic Music anzugeben. Ob dem so ist, davon mag sich jeder Hörer des Albums ein eigenes Bild machen.

Streicherstimmen bestimmen anfänglich die Färbungen von „Unity in Diversity“, das Eröffnungsstück des Albums. Durchaus Kammermusikalisches erleben wir. Dabei scheint sich auch im weiteren Verlauf ein Lamento Raum zu schaffen, das in Frühlingshaftes umschlägt. Die Streicher nehmen dann nicht mehr den Fokus ein, sondern werden durch andere Stimme begleitet, die den Eindruck erwecken, dass das Eis gebrochen wurde und der Frühling sich meldet, auch mit dem Rauschen eines wilden Baches. Wiederkehrende Synthklänge sind es, die an unser Ohr dringen. Bass und gezupftes Cello vereinen sich. Und auch ein zarter Orgelklang mischt sich ein bisschen darunter. Die melodischen Linien signalisieren, dass sich - so ein Bild – die Natur langsam entfaltet. Samten klingt die Trompete, die Goran Kajfeš klangrein anstimmt. Die Trompetenstimme breitet sich über einen Klangteppich aus, zu dem auch der Schlagzeuger beiträgt. Irgendwie scheint es, dass sich die Klangvielfalt wie ein Gewebe vor unseren Augen ausbreitet. Sphärisches erleben wir, aber vor allem Streicher, deren Klangflächen an Filmmusik wie aus einem Western erinnern. Zudem aber hat  man auch durchaus Assoziationen an Mantel-und-Degen-Filme aus Fernost. Aus diesen Vorstellungen reißt uns in der Folge der Trompeter heraus. Das sind nur sehr kurze Momente, ehe wir wieder in eine Filmtraumwelt versinken. Kaskadierende Tastenklänge sind auszumachen, auch der eine oder andere Triller. Und irgendwie drängt sich beim Hören das Bild von Wildwasser auf. Stille Wasser hingegen scheint der Trompeter zu besingen. Goran Kajfeš erweckt die Vorstellung einer Hochebene mit Mooren und Tümpeln, oder? Und dann ist es am Pianisten uns entlang stetig strömender Wasserläufe zu führen.

Dass wir beim Zuhören an Landschaften denken müssen, wird auch beim zweiten Stück namens   „Magmatique“ unterstrichen. Dabei vereint sich der Klang der gedämpften Trompete mit Pianoläufen und dem Klang des gestrichenen Cellos. Dunkle Färbungen fügt der gezupfte Bass hinzu. Über eine rollende Klangfolge setzt sich das Stück fort, begleitet von entsprechendem Drumming. Stark ausgeprägt ist die Basshand des Pianisten, dessen Linien wohl auf die eines Synth treffen. Eingestreut sind kurze Lautäußerungen der Violinistin. Ansonsten haben wir beim Hören den Eindruck des feurigen Brodelns, eines sich aufbauenden Unwetters. Kristalline Einstreuungen sind ab und an gegenwärtig. Die Klangfolgen haben gelegentlich hypnotischen Charakter, jedoch nicht dann, wenn der Trompeter zu einem Solo mit viel Hall ansetzt, unterstützt von den dunklen Schlägen der Basstrommel. Alles scheint danach im Fluss, geleitet durch den Trompeter. Ist da nicht auch Jazz Rock mit im Spiel oder gar Fusion? Gewiss die Vorstellung von Erdaktivität wird durch den Tracktitel beflügelt. Doch dabei darf man nicht übersehen, dass stellenweise aufgrund der Rhythmik auch die Musik von Fela Kuti und Abdullah Ibrahim zu hören ist, insbesondere im zweiten Teil des Tracks. Fulminant ist, was wir hören. Und tanzbar scheint diese Musik auch zu sein. Das allerdings ist bei Gegenwartsjazz ja eher eine Seltenheit.

Das Schlussstück lautet „Prije i posle“ (dt. Übersetzung „vorher und nachher“): Auch bei diesem Stück wie bei den anderen Stücken zuvor, kann man mit Fug und Recht von einer narrativen Klangcollage sprechen. Fernöstliche Anmutungen sind vorhanden, wenn sich Klangtropfen und Sternenstaub des Klangs ausbreiten. Ist da gar auch ein Vibrafonklang aufgegriffen worden? Und gibt es nicht Passagen, die nach einem bespielten Harmonium oder einer Shruti Box klingen? Nein, eine derartige Instrumentierung fehlt in den Album-Angaben, aber mit Synth lassen sich ja diverse Klangbilder zeichnen. Auch Kristallines präsentieren die Musiker aus Schweden, dabei an Harfen-Arpeggios erinnernd. Nachfolgend mischen sich durchaus stete rockige Rhythmen sowie dunkle Klangfärbungen mit den eher klassisch anmutenden Streicheräußerungen, auch mit dem erdfarbenen Bass, der mit dem Bogen gestrichen wird. Wiederholte Rhythmusschraffuren bilden das Fundament für die Streicher in ihren Klangäußerungen. Wie auch zuvor ist der Klang der Trompete, der über allem zu schweben scheint, ein besonderer Hörgenuss. Man könnte zur Beschreibung des Stücks das impressionistische Bild einer gepflügten Ackerflur, die vor uns liegt, wählen, um näherzubringen, was wir akustisch erleben. Und über dieser ruralen Landschaft schwebt eine dichte Wolkenbank, eingefangen durch den Trompeter.

© ferdinand dupuis-panther


BANDCAMP

Tracklisting
1. Unity In Diversity
2. Magmatique
3. Prije i posle

Musicians
Goran Kajfeš - trumpet, synthesizer - https://gorankajfes.com/news/
Alexander Zethson - piano, organ, synthesizer
Johan Berthling - acoustic bass
Johan Holmegard - drums
Josefin Runsteen - violin
Leo Svensson Sander - cello

All music by Tropiques
String arrangements by Josefin Runsteen and Leo Svensson Sander


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