Glits - Getting lost in tiny spaces (f. dupuis-panther)
G
el NEGOCITO Records eNR054
Hinter Glits stecken der Trompeter Bart Maris und der Pianist Peter Vandenberghe, der im Kern für die Arrangements verantwortlich zeichnet, während die Kompositionen der Feder von Bart Maris entsprangen. Im Kontext des Erscheinens des Albums war Folgendes als Liner Note zu lesen: „Getting lost in tiny (sound) spaces: Peter Vandenberghe (piano) and Bart Maris (trumpet) dive enthusiastically into the adventure as a duo. Working together for over 25 years in several larger formations (X-Legged Sally and Flat Earth Society, to name the most renowned) this duo presents more direct musical dialogues in ever-changing soundscapes using compositions of Maris, arrangements of Vandenberghe and improvised pieces.“
Zu Beginn hören wir „Chromato (1)“ und „Chromato (2)“, ehe wir dann einen kleinen akustischen Raum betreten: „Tiny Space/Bijloke“. Zum Repertoire des Duos gehören zudem „El Solitario“, „Petit Faucheux“ und schlussendlich „Dronkemanslied“. Aufgenommen wurde das Album im Musikzentrum de Bijloke, einer ehemaliger Klosteranlage in Gent, und im Kraakhuis, ursprünglich im 16. Jh. als kleiner Krankensaal erbaut.
Der Titel des Albums scheint mir Orientierung zu sein, Erwartungen zu wecken. Erwartungen auf Raumklänge, auf das Verlieren in Räumen. Wie aber lässt sich das umsetzen? Darauf haben die beiden Musiker die richtige Antwort gefunden, und das bereits bei „Chromato (1)“ und „Chromato (2)“. Über starke Basshandsetzungen des Pianisten lässt Bart Maris gleichsam als Antwort kürzere Sequenzen ertönen. So entwickelt sich ein Pro und Kontra, durchaus mit einer lyrischen Note, aber dramatisch-exaltiert. „Chromato (2)“ ist m. E. als Variation zu verstehen. Stärker ausgeprägt ist die Dramatik. Vandenberghe scheint sich teilweise einem tonalen Malstrom hinzugeben. Die Basslastigkeit des Duetts ist aber auch bei diesem Stück vorhanden, aber eben ergänzt durch Galoppaden, die von Bart Maris auf ganz eigene Art beantwortet werden.
Nachfolgend hören wir die Komposition „Brescia“ und denken wahrscheinlich vordergründig an die norditalienische Stadt, einst das Zentrum der Langobarden. Mit weichem Trompetenklang wird das Stück eröffnet. Dazu vernehmen wir rollende Klavierklänge. Der Eindruck von Pol und Gegenpol drängt sich beim Hören auf. Zugleich meint man, der Pianist folge dem Trompeter auf Schritt und Tritt, treibe ihn auch ein wenig vor sich her, fordere ihn heraus. Eingebunden ist in den Vortrag von „Brescia“ ist auch ein Solo des Pianisten, auf das Bart Maris mit schrillen, spitzen Tonfolgen reagiert. Es klingt ein wenig nach Triumphgeheul. Doch bei dieser Hörfärbung bleibt es nicht. Im Nachgang scheint wieder eine Art musikalisches Katz-und-Maus-Spiel angesagt.
Gleich zweimal haben sich die beiden Musiker mit „Kleinen Räumen“ („Tiny Space“) beschäftigt, jeweils an anderen Orten eingespielt. Bei „Tiny Space/Bijloke“ ist das Stück in Lento bzw. Largo gesetzt. Eine gewisse Schwere ist nicht zu überhören, wenn man nicht sogar von Schwermütigkeit sprechen muss. Es scheint, als wollten die beiden Musiker mit ihrer Musik die Langsamkeit zum Ausdruck bringen, das langsame Zerrinnen der Zeit. Gänzlich anders angelegt ist dagegen „Tiny Space/Kraakhuis“. Dabei verwandelt Bart Maris seine Trompete in ein reines Atemrohr, durch das Luft strömt, ganz fern jeder Tonalität. Es klingt eher nach Rascheln und Gewisper. Dazu gesellt sich ein hohes Kling-Klong des Pianos, gefolgt von einem tiefen Plong nebst hohen Plong-Plongs. Im weiteren Verlauf scheint sich das Stück eher zu Geräuschmusik zu entwickeln. Spielt Bart Maris dann immer noch Trompete? Bisweilen meint man, er habe sein Horn gewechselt und hauche und wispere nun in eine Posaune. Doch gemach, das ist ja alles eine Frage des Ansatzes und der Lippenstellung, um Zisch- und Brummlaute zu erzeugen. Dämpfer und deren Anwendung darf man im Übrigen auch nicht außer Acht lassen.
Anschließend wenden wir uns „El Solitario“ zu: Nervös erscheint das Spiel von Bart Maris, von dem man meint, er würde teilweise in sein Mundstück sprechen oder flüstern. Dann jedoch lässt er auch eine sehr munter-beschwingte Melodie ertönen. Von den Harmonien meint man gar, da hätten ein Standard und dessen Akkordfolge als Vorlage gedient. Das hat dann auch hier und da einen Anflug von Miles, oder?
Zum Schluss heißt es „Dronkenmanslied“, also das Lied des Saufbruders bzw. Trunkenbolds. Feine Melodielinien dringen ans Ohr des Zuhörers. Nichts erinnert dabei an einen schleppenden Gang von jemand, der über den Durst getrunken hat und seinen Heimweg angetreten ist. Insoweit überrascht dann der Titel schon.
Unabhängig davon unterstreicht das vorliegende Album, dass auch eine minimalistische Besetzung mit Verzicht auf eine vollständige Rhythmusgruppe überaus ausdrucksstark sein kann, auch wenn sich ein Harmonie- und ein Melodieinstrument begegnen. Das wirkt in weiten Teilen sehr konzertant ausgelegt, wenn auch Hinwendungen zu Geräuschmusik und freier Improvisation vorhanden sind.
© ferdinand dupuis-panther
Informationen
el NEGOCITO Records
http://elnegocitorecords.com/index.html
Bart Maris
http://www.muziekcentrum.be/identity.php?ID=134933
https://en.wikipedia.org/wiki/Bart_Maris
Peter Vandenberghe
http://www.jazzinbelgium.com/person/peter.vandenberghe