Ganelin/Kruglov/Yudanov – Access Point

Ganelin/Kruglov/Yudanov – Access Point

G

Losen Records

Auf der Plattenklappe lesen wir einen Text vom Saxofonisten Alexej Kruglov: „Our trio was formed in 2012, when we performed with the great success at the first Leo Records Festival in Moscow. It`s a big honor for me to be the organizer of the festival. Since then and to this day, every new meeting with the legendary Slava Ganelin, who was at the forefront of the new music in the USSR in 60-70s, the founder of the incredible The Ganelin Trio, and the great Oleg Yudanov, a member of the amazing Jazz Group Arkhangelsk, is a special event for me. The programs of our trio are based on the principles of free improvisation where large scale structures of the compositions are built during the same moment, …“. Zu hören sind auf dem Album fünf Teile von „Access Point“. Am Ende steht dann ein Encore.

Ein Zählmaß scheint in den Händen des Pianisten zu liegen, während der Saxofonist zum Himmelsstürmer wird, dahingleitet, schwebt, fliegt, enteilt – so jedenfalls ist zu interpretieren, was wir in „Access Point Part 1“ vernehmen. Im weiteren Verlauf ist Gleichmaß die Sache des Pianisten. Klangliche Sturzflüge zeigt uns hingegen Alexej Kruglov mit seinem Holzbläser. Perlende Klanglinien stimmt danach der Pianist Slava Ganelin an. Ist da nicht auch ein Tieftöner auszumachen? Auf der Besetzungsliste fehlt aber ein Bassist. Werden wir mit elektronischen Klängen  gar in die Irre getrieben, während ein wahrer Energiefluss sich über den Hörer ergießt? Das ist dann ein Gemeinschaftswerk von Ganelin und Kruglov, die mehr und mehr bildlich gesprochen klangliche Überschläge zeigen. Sehr temporeich haben beide ihre musikalischen Interventionen ausgelegt. Nachdem beide einen klanglichen Höhepunkt angesteuert hatten, verstummen sie nicht, nehmen sich aber mehr und mehr zurück. Dabei greifen sie stets die Strukturen auf, die zuvor in einem gewissen Klangchaos mündeten. Übergangslos geht es mit „Access Point Part 2“ weiter. Ein tieftöniger Orgelklang füllt den Raum. Orgelklang? Wer weiß, was mittels elektronischer Modulation aus Keyboards zu machen ist. Ein transparenter Klangteppich und orchestrale Anmutungen bilden im weiteren eine Einheit. Sanftes Gebläse erhebt sich in großen Wellen. Kurze perkussive Momente sind ins musikalische Geschehen eingestreut. Toktoktok hört man. Schlägel streifen kurz Felle und Bleche. Kruglov ist derweil mit seinem Saxofon flirrend unterwegs, schafft zudem weite Klangbögen. Tastenpräparierungen sind auszumachen und nach wie vor ein kompaktes Klanggemenge im Hintergrund, das an eine Mischung aus Kirchenorgelmusik und Wurlitzer-Orgelspiel anzuknüpfen scheint. Wehklagendes bringt uns Kruglov nachfolgend zu Gehör. Auch eine gewisse Aufgeregtheit liegt im Spiel des Saxofonisten, wenn der zweite in den dritten Teil von „Access Point“ übergeht. So erleben wir eine Art Klangfortschreibung. Fragmentiertes erleben wir. Dazu ein Pling und Plong auf den Klaviertasten sowie eine sprudelnde Quelle in Klanggewand. Kristallines Geschiebe ist zudem auszumachen, wenn Ganelin das Diskant bevorzugt ansteuert. Hier und da umschifft der Pianist Untiefen und andere Hindernisse. Aufbäumend zeigt sich der Schlagzeuger, der neben dem Pianisten agiert. Die Akzentuierungen beider Musiker stehen dabei nicht im Einklang, jedenfalls nicht in jeder Phase des Stücks. Gegen Ende des dritten Teils überschlägt sich der Saxofonist in seinen tonalen Entäußerungen. Gebrochen ist die Stimme des Holzbläsers hier und da. Nach der Entäußerung jedoch erfolgt der stimmliche Abschwung und der Übergang zum nächsten Teil  improvisierter „Zugangspunkte“.

Wie zuvor hat man auch bei den folgenden, jeweils zehnminütigen Darbietungen zum Thema „Zugangspunkt“ nicht den Eindruck, der Wiederholung, der Endlosschleife, sondern stets das Vordringen in bisher unbekannte Klangfelder. Dabei scheint auch Noise Music gestreift zu werden, wird das Saxofon schon mal zum reinen Atemrohr, durch das gepresste Atemluft geblasen wird. Unstrukturiert ist das Spiel des Trios keineswegs, aber ausgestattet mit viel Freiraum.

© ferdinand dupuis-panther


Infos

Line-up

Slava Ganelin piano, keyboards, live electronics, percussion
https://open.spotify.com/artist/61yOD25KiawZUVncSC5D6U

Alexey Kruglov alto & soprano saxophone, recorder -
https://de-de.facebook.com/alexey.kruglov.96

Oleg Yudanov drums, percussion


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