Eyal Lovett – Where Do We Go From Here?

Eyal Lovett – Where Do We Go From Here?

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Berthold Records

Der Pianist und Komponist Eyal Lovett zu dem aktuellen Album, das unmittelbar nach dem Hamas-Anschlag im Oktober 2023 entstanden ist: „Es war ein spontaner Versuch, die grauenhaften Ereignisse zu verarbeiten. Während Israel einen Albtraum erlebte, erschien mir in meiner Wahlheimat Dänemark alles ruhig und friedlich. … Unsere Familien leben in Israel – in einer Gesellschaft, in der sich viele Menschen orientierungslos und überfordert fühlen. Viele von ihnen wissen einfach nicht, wie es weitergehen soll.“

Der Song, der den Albumtitel bestimmt, steht am Beginn des konzertanten  Vortrags eines klassischen Klaviertrios. Die Wurzeln der Musiker liegen in Israel, auch wenn beispielsweise Lovett unterdessen im dänischen Aalborg beheimatet ist. Lovett gilt als ein Geschichtenerzähler und das unterstreicht er auch auf diesem Album, das in einer Zeit des Albtraums entstanden ist. Es ist ein Albtraum, der bis heute in Israel anhält.

So ist die Frage, mit der das Album eröffnet, eine essentielle: „Where Do We Go From Here?“, zu übertragen mit „Wohin soll die Reise gehen?“. Diese Frage stellt sich für viele Orte der Welt, für die, die übers Mittelmeer kommend die „Erlösung“ in Europa suchen, für die, die sich aus Mesoamerika gen USA aufmachen und nun die Rücktransporte unter der Trump-Präsidentschaft erleben. Es gilt aber auch für Europa selbst, das Verwerfungen sozialer und politischer Art erfährt.

Hören wir mal, in welcher Art und Weise Lovett und seine Mitmusiker das Thema musikalisch aufgreifen: Verhalten gesetzt sind die Tastenklänge. Langsam werden die einzelnen Klänge verbunden, in sich wiederholende Formen eingebunden. Derweil hört man ein Tick-Tick-Tick des Schlagzeugers. In den weiteren Sequenzen des Pianisten bündeln sich Drama, Tragik und Farce in gleichen Teilen. Beinahe in Form eines Klagelieds gestaltet Lovett diesen Eröffnungstitel. Bass und Drums sind stete Begleiter. Erst allmählich verschwindet die Nachdenklichkeit, die wir wahrnehmen, wenn das Trio spielt. Die Klaviersequenzen werden gelöster, sprunghafter, in helleren Färbungen und in schleifenförmiger Formgebung. Zurückhaltend agieren die beiden Mitmusiker Lovetts und überlassen dem Pianisten das Zentrum der musikalischen Inszenierung. Übrigend, stets kehrt Lovett in seinem Spiel in die Nachdenklichkeit, Besinnlichkeit und in die Wehmut zurück.

„Dark Days“ bekommt aufgrund des Kontextes, in dem das Album zeitlich einzubinden ist, eine besondere Bedeutung. Den Kontext beschreibt der Pianist nachstehend: „Entstanden ist das Stück im Sommer. Schon damals hatte ich das unheilvolle Gefühl, dass dunkle Wolken über mir schweben und etwas Schreckliches passieren würde.“, erinnert sich Lovett und ergänzt: „Vordergründing bezieht es sich auf die schwierige, schmerzhafte Zeit, die ich damals persönlich durchlebte. Aber natürlich greift es auch das allgemeine Gefühl auf, dass sich viele Dinge in die falsche Richtung entwickeln – inklusive der desaströsen Politik von Benjamin Netanjahu.“ Dunkle Klänge hören wir. Sie breiten sich aus wie Meereswellen, die sich auftürmen. Dramatik wird nach und nach aufgebaut, so als würde das nahende Unheil vorweggenommen und beschrieben. Von den Nuancierungen und Färbungen her scheint Lovett an osteuropäische Komponisten anzuknüpfen, oder? Dabei beschwört das Trio das Dunkle als Sinnbild für Unglück und Katastrophe.  Man kann beim Zuhören auch an die musikalische Interpretation von Fluchtbewegungen denken, vor allem angesichts der dramatisierenden Läufe, die Lovett anstimmt.

Nachfolgend heißt es auf dem Album: „The Children“. Erinnert wird nicht an spontan und unbeschwert spielende Kinder, sondern an Kinder als Opfer. Ob das sich auf die aus dem Gaza-Streifen bezieht, lassen wir mal dahingestellt. Eröffnet wird das Stück von dem Schlagzeuger Yogev Shetrit. Dabei erleben wir eine Art dunklen Theaterdonner. Wir warten darauf, dass es zur Entladung kommt, wenn die Bleche schwirren und die Felle dumpf erklingen. Und dann stimmt Lovett eine Art Totentanz an, getragen und in dunklen Farben. Darin stimmt der Bassist Jan Sedlak mit seinem gestrichenen Bass ein. Singt er schließlich das Lied zur Totenfeier?

„Prayer For Healing“ heißt es außerdem bedeutungsschwanger auf dem Album. Geschrieben hat es der Drummer des Trios. Es scheint wie eine Fortsetzung von „The Children“ und hat etwas von einem Choral oder Psalm. Im Duktus folgt es dem vorherigen Stück, setzt also das Düstere fort, lässt das Unheilvolle durchscheinen. Es ist ein Lamento eher als ein Requiem!

Dass Musik nicht im luftleeren, gesellschaftsleeren Raum, sondern in einem sozio-kulturellen Kontext entsteht, unterstreicht Lovett mit „The Wheat Grows Again“. Das Stück stammt eigentlich von Haim Barkani, der es den Opfern des Jom-Kippur-Kriegs von 1973 gewidmet hat. Der Titel gleicht einer Metapher wie Phoenix aus der Asche, sprich nach dem Niedergang gibt es den Aufbruch, nach dem Horror des Krieges die Lust auf neues Leben, auf den „Weizen, der wieder wächst“. Eine neue Saat scheint aufzugehen, um im Bild zu bleiben. Auch in diesem Stück zirkuliert das Spiel des Trios um die dunklen Klänge, um Abgründiges, in gemäßigtem Tempo gesetzt. Nur hier und da verlässt der Pianist die dunklen Klänge, scheint fast in ein wenig Latin Fever zu verfallen, scheint er unbeschwert zu klingen. Doch das sind nur Zwischenspiele, Momentaufnahmen. In den wiederkehrenden Pianopassagen wird formelhaft das Schicksal beschworen, so der Höreindruck. 

Abschließend noch ein Wort zu einem weiteren Stück des Albums, das insgesamt nachdenklich stimmt und eine gedrückte Stimmung hervorruft. Mit der Komposition „Childhood Games“, die leicht, fast tänzerisch daherkommt, denkt Lovett an seine enge Freundschaft mit dem israelischen Gitarristen Eran Har Even. Bass und Schlagwerk eröffnen den „Song“. Leicht beschwingt setzt sich der Pianist in Szene. Er lässt Klangsprünge hören, die in kurz gehaltene, „langatmige“ Passagen wechseln. Im Gegensatz zu anderen Stücken ist die Färbung nicht erdig, sondern eher Frühlingsgrün, kann man sich vorstellen, wie Kinder Hopse oder Himmel und Hölle spielen. Im Diskant verliert sich Lovett dabei nicht, eher ist es die rhythmische Stilistik, die auf eine kindliche Spielfreude folgern lässt. 

Fazit: Ein Album das nachdenklich stimmt und verdeutlicht, dass Musik durchaus politisch ist.

© fdp2025


Info
https://www.berthold-records.de

Line-up
Eyal Lovett – piano
Jan Sedlak - double bass
Yogev Shetrit- drums

Tracks
1.Where Do We Go From Here?
2. Dark Days
3. The Children
4. Prayer For Healing
5. The Wheat Grows Again
6. There Is Still Beauty
7. Yogi
8. Childhood Games
9. Antoine (For Vlad)
10. Under Mediterranean Skies


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