Eyal Lovett - Through The Rain
E
Berthold Records
Wer ist Eyal Lovett, der aktuell im dänischen Aalborg lebt, zuvor aber auch in Berlin und New York zuhause war? Er ist ein in Israel geborener Pianist und Komponist, der 2017 als “Artist of the year” von Jazzy Berlin ausgezeichnet wurde. Aalborg ist zurzeit deshalb sein Lebensmittelpunkt, weil er von der Königlichen Musikakademie in das renommierte Solisten-Programm aufgenommen wurde. Der Werdegang als Pianist beinhaltete ein Studium in Israel und dank eines Stipendiums auch an der New School for Jazz and Contemporary Music (New York).
Wie auf der Homepage des Musikers nachzulesen ist, geht es in den Kompositionen immer auch um das Erzählen von Geschichten. Ohne Frage ist die Musik von Lovett durch Bill Evans und Brad Mehldau sowie Avishai Cohen, Shai Maestro und Gilad Hekselman beeinflusst. Wir lesen: „Eyal's music has a "classical" architecture and development, rhythmical complexity, and Mediterranean compelling melodies.“ Nunmehr legt Lovett sein viertes Album vor. Zuvor hat er ein Livealbum veröffentlicht, dass in Horns Erben (Leipzig) eingespielt wurde. Auch dieses Album erschien bei Berthold Records. In den letzten Jahren hat der Musiker unter anderem Konzerte gemeinsam mit Gilad Hekselman, Eran Har Even, Kenneth Dahl Knudsen, Amit Friedman, Noam David, Yogev Shitrit, Igor Kogan und Ganna Gryniva bestritten.
Mit jauchzenden und kreischenden Kinderstimmen sowie dem leichten Klang von rollenden Wellen eröffnet „Hofim (The shore)“. Sobald Eyal Lovett die schwarzen und weißen Tasten anschlägt, werden wir auch in die Welt des Lyrischen und der klassischen Musik versetzt, meint man den Geist der Romantik und eines Franz Schubert zu verspüren. Sprich das Liedhafte ist nicht zu überhören angesichts sanfter Melodielinien, die dahinfließen, so wie die Wellen des Meeres. Ja, auch verhaltenes Meeresrollen nehmen wir wahr, aber kein Tosen, keine Monsterwellen, keine Wogen wie wir sie aus dem Gemälde von Courbet kennen. Man sieht vor seinem geistigen Auge eher die Strandreiter und Spaziergänger vor sich, die Max Liebermann bei seinen Sommeraufenthalten in den Niederlanden in Öl festgehalten hat. Bis zum letzten Takt des Eröffnungsstücks scheint die klassische Ausbildung Lovetts in seiner Komposition durch, eine empfindsame, beinahe meditative Einstimmung in das Album „Shir Tishrey (Tishrey Song)“ hingegen ist längst nicht so lyrisch angelegt wie das Eröffnungsstück, sondern erinnert zeitweilig an einen gut gemachten Popsong der späten 1960er Jahre. Wer sich an diese Zeit noch erinnert, der mag hier und da Verbindungslinien zur Musik von Melanie und Dusty Springfield ausmachen, oder? Rollende Klavierpassagen sind zu entdecken; dazu ein sehr dezentes Becken-Geschwirr im Hintergrund. Lovett verliert sich nicht in Verwässerungen, sondern stellt eine starke Basshand vor, über die er Klänge wie feinen, vom Wind verwehten Dünensand dahin schweben lässt. Die Kernmelodie ist eingängig und lädt zum Mitsummen ein, so wie bei manch bekanntem Beatlessong – man denke an „Norwegian Wood“ oder „Yesterday“. Diese Bezüge sollen nun nicht aussagen, dass es in puncto Harmonien und Melodie eine unmittelbare Übereinstimmung gibt, sondern eher eine Tendenz im Hinblick auf die „Erzählstruktur“ des Stücks verdeutlichen. Lovett überzeugt in diesem Stück auch durch die sprudelnden und rinnenden Klang-Kaskadierungen begleitet von kurzgehaltenem Schlagwerkspiel. Auch wenn der Schlagzeuger Aidan Keith Lowe gegen Ende des Stücks sich „frei spielt“, hat das nichts von einem Orkan oder Taifun, sondern passt sich dem Lyrischen Grundmuster der Komposition feinfühlig an.
Um ein Bild zur Charakterisierung der ersten Takte von „Ata Mitorer (Waking up)“ zu nutzen, sollte man an das Quellgebiet eines Wiesenfluss denken. Aus dem Untergrund sprudelt klares Wasser, das sich langsam verteilt und abfließt. So erscheint auch das Klavierspiel von Lovett. Prononciert ist auch in diesem Stück der Bassist nicht wahrzunehmen. Streckenweise scheint sich Lovett auch in ein wenig „verwischten Ragtime“ zu verlieren. Doch dies sind lediglich Bruchteile von Momenten. Ansonsten verbleibt er in einem steten Melodiefluss mit energiegeladenem Tastenspiel. Dabei ist die Musik durchaus geeignet, die Naturaufnahme eines durch den Buchenwald schlängelnden Waldbaches im ersten Morgenlicht zu begleiten. Laue Klanglüftchen umwehen den Zuhörer obendrein. Unbeschwertheit drückt die Musik aus, wenn nicht gar eine gewisse Beschwingtheit und Losgelöstheit.
Zu Beginn zeigt sich der Bassist Jan Sedlák in „Yesh Li Sicoy (I've got a chance)“ . Spielt er eine Art Kinderlied? Sehr zurückhaltend agiert der Pianist und lässt seinem Mitspieler das Füllen des Klangraums. Während der Bassist in sich ruhende Linien anstimmt, hören wir den Pianisten im Diskant. Teilweise hat man den Eindruck, man vernehme kristalline Klang-Momenten, ehe Lovett dann klassisch dramatisierend fortfährt. Man könnte gar das Bild von Klangwasserspielen heranziehen, um die Musik zu charakterisieren.
Abschließend noch ein paar Worte zu „Through the rain“ – so ist ja auch das Album benannt: Lässt der Drummer da nicht Regentropfen niedergehen, Nieselregen? Und der Bassist scheint eher die aufs Pflaster aufschlagenden einzelnen Regentropfen einzufangen. Einen Vorhang aus feinstem Regen präsentiert uns der Pianist in seinem ziselierten Tastenspiel. Ist da nicht auch ein wenig Bolero im Rhythmusschema mit im Spiel?
Fazit: Wer sich dem vorliegenden Album widmet, der ist am Ende ganz und gar tiefenentspannt. In Zeiten wie diesen ist das gewiss eine Seelenwohltat.
© ferdinand dupuis-panther
Line-up:
Eyal Lovett (ISR/DK) - Piano
Jan Sedlák (CZ/DK) - Double bass
Aidan Keith Lowe (AU/DE) – Drums