Expressway Sketches - Surfin' The Day Lovin' The Night

Expressway Sketches - Surfin' The Day Lovin' The Night

E

Klaeng-records

Wer eine Melange aus Jazz, Surfmusik, Motown, Tom Jobim, Henry Mancini und Krautrock mag, der liegt bei Expressway Sketches richtig. Beach Boys war gestern. Heute reiten wir die musikalische Riesenwelle mit Tobias Hoffmann (Electric Guitar), Benjamin Schaefer (Wurlitzer Piano, Organ & Fun Machine), Lukas Kranzelbinder (Electric Bass) und Max Andrzejewski (Drums & Percussion). Als Gast bereichert der Flötist Johannes Schleiermacher das Ensemble in einigen Stücken des aktuellen Albums. Dieses Album gliedert sich in zwei Teile: tagsüber wird gesurft – wie das in Köln am Rhein, wo ein Teil der Musiker beheimatet ist, gelingt, muss offenbleiben – und nachts verwandeln sich die Musiker in die Nachtschwärmer auch jenseits der Blauen Stunde: „SURFIN' THE DAY, LOVIN' THE NIGHT“ heißt der Albumtitel ganz bewusst, oder?

Mit einem Küstenbesuch und einem Sonnenstich – „The Coast“ und „Sunstroke“ – eröffnet die Surf-Party. Zu hören sind obendrein „Baku“, „Undertow“ und „Beef“ Der Song „When The Sun Goes Down, Surf's Up“ beendet das Surf-Vergnügen. Mit „Maquina/Flauta“ und „Inspector Flower“ geht es durch den Anfang der Nacht. Zu den nächtlichen Begegnungen gehören außerdem „You Dream Of Me, I Lie Awake“ und auch „ Dreamy Love“. Einen Großteil der Songs hat Tobias Hoffmann geschrieben, aber auch die anderen Bandmitglieder haben ihren kompositorischen Klangbeitrag geleistet. Übrigens gibt es auf dem Album noch vier Bonus-Tracks wie „Al“ und „King of All Dudes“.

Man muss nicht lange auf den Klang der wimmernden und jaulenden Hawaii-Gitarre warten, die im Off zu entschwinden scheint. Satt ist der Klang, der von einem steten harten Beat begleitet wird. Gebräunte Schönlinge mit und ohne knallig bunte Hawaii-Hemden sehen wir bei „The Coast“ vor unserem geistigen Auge, auch wenn Benjamin Schaefer seine Orgel mit ins Spiel bringt. Dabei scheint nicht nur Surf-Sound lebendig zu werden, sondern auch ein bisschen verfremdeter Blues. Ungezwungenheit breitet sich aus. Die Klänge tanzen dabei auf den Kronen des Meeres umher. Der erste Song umgibt uns bereits mit dem Lebensgebühl der Surfer, für die es kein Morgen zu geben scheint, ob auf Hawaii oder am Bondi Beach von Sydney. Eher in Richtung Funk und im Geiste von The Venture zeigt sich „Sunstroke“. Das ist dann eher Musik, die in den späten 60er Jahren anzusiedeln ist, als Bands wie The Searchers und The Clovers schwer angesagt waren und „Love Potion No 9“ ein Hit war.

Was wir hören, ist handgemachte und unverschnörkelte Musik aus den Kindertagen der Popmusik, aus der Zeit der frühen Beatles und Rolling Stones. Das für alle, die mit den Namen dieser Bands mehr anzufangen wissen als mit The Searches – alles eine Generationsfrage. Starke perkussive Elemente zeigen sich in „Burpee, Squat“. Insgesamt ist auch dieser Song einer, der für gute Laune sorgt und gewiss auch in der Werbung für Barcadi Rum seinen Platz finden könnte und für karibisches Flair steht. Verwegenem Zikadengesang gleichen die teilweise seriellen Gitarrensequenzen.
Eher lyrisch ausgelegt ist „Baku“. Man wird von lauen Klangwinden umweht, dank vor allem an den Gitarristen Tobias Hoffmann. Kristalline Klangwellen dringen zudem ans Ohr des Hörers. Dazu vernehmen wir den steten Schlagrhythmus von Klangstäben. Zerbrechlich klingt das, was Benjamin Schaefer wohl seinem Wurtlitzer-Piano abringt. Gegen Ende des Stücks hören wir schließlich auch eine tschilpende Flöte, die sehr gut zu der eher akustisch klingenden Gitarre klingt, die hier und da zu Worte kommt.

Kurze schnalzende Beats verbinden sich mit nervösem Geklicke und tosendem Drumming-Gewirbel sowie einer nassforschen Orgel zu „Undertow“. Dieser Song verzichtet nicht auf perlende Gitarrenpassagen und Tastenfolgen. Man meint hier und da, dass das Ensemble ein klangliches Wetterleuchten inszeniert. Gegen Ende hat man sogar einen Hauch von Westernrhythmus und -klang in den Song eingebunden, so der Eindruck.

Bei „When The Sun Goes Down, Surf's Up“ vermeint man, eine wilde Reiterhorde in der Prärie vor dem geistigen Auge zu sehen und keine Monsterwelle, die von waghalsigen Brettakrobaten geschnitten wird. Irgendwie scheint der Wilde Westen jenseits von „Spiel mir das Lied vom Tod“ sehr nahe zu sein, scheinen Charlton Heston, Clint Eastwood und andere Helden der Leinwand als Raubeine des Wilden Westens Auferstehung zu feiern, und Tobias Hoffmann habe die passende Filmmusik dafür geschrieben. Zugleich erinnert die Musik auch an Beatmusik aus dem Mekka der Popmusik am Mersey.

Rhythmusmaschine oder was? Das fragt man sich bei „Maquina/Flauta“. Zart gehauchte Flötentöne vereinen sich mit spiralgeformten Gitarrenpassagen. Und am Ende rauschen die Bleche des Schlagwerks. „Inspector Flower“ scheint auf detektivischer Pirsch zu sein, so jedenfalls suggeriert es die Musik zeitweilig, die hier und da auch mit scharfen und schroffen Setzungen aufwartet. Wie in anderen Songs auch ist die Gitarre das dominante Instrument. Im vorliegenden Fall ist sie in die Tradition von R&B unterwegs.

Zum Schluss sei noch auf „Dreamy Love“ hingewiesen. In diesem Stück verschmelzen Tasten- und Saitenklang; von einem gebündelten Klangknäuel könnte man sprechen. Neben Erdfarben ist die Klangpalette auch mit grellen Tönen von Violett bis Karmesinrot bedeckt.

Tobias Hoffmann und seine Mitmusiker präsentieren mit dem aktuellen Album ein Paket guter Laune, schrecken dabei auch vor einem gewissen Eklektizismus nicht zurück. Bisweilen meint man, die eine oder andere Harmonie oder Sequenz schon mal gehört zu haben. Referenzen blitzen auf zu klassischem Rock'n Roll der 50er Jahre und zum Soul sowie Blues eines Ray Charles. Auch Booker T vermeint man, versteckt auszumachen. Das ist dann keineswegs Plagiat, sondern eine Musik, die kreativ mit Versatzstücken umgeht, oder? Übrigens, zu dieser Frage, höre man mal sehr aufmerksam den Bonus-Track „King Of All Dudes“. Bei einem weiteren Bonus-Track namens „Eddy“ denkt man vielleicht, Keith Emerson hätte für das Orgelspiel von Benjamin Schaefer gewissermaßen Pate gestanden.

text © ferdinand dupuis-panther


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