Ericson/Nästesjö/Berre - Ausfahrt Freihalten
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Barefoot Records
Aufgrund von internationalen Konzerttouren in den letzten vier Jahren sowie Auftritten beim Copenhagen Jazz Festival, BlowOut in Oslo und Fem Jazz Festival in Banyoles sorgte das Trio Ericson/Nästesjö/Berre für eine gewisse Aufmerksamkeit in der Jazz-Fachwelt, in Skandinavien ebenso wie im Rest von Europa. Das Trio ist von der Besetzung her kein klassisches Jazztrio und besteht aus dem schwedischen Saxofonisten und Klarinettisten Sture Ericson, dem schwedischen Bassisten Johannes Nästesjö und dem norwegischen Drummer Håkon Berre. Ericson and Berre haben Kopenhagen zu ihrem Lebensmittelpunkt gewählt und haben in den letzten Jahren in unterschiedlichen Konstellationen zusammengearbeitet. 2014 trafen sie auf den aus Malmö gebürtigen Johannes Nästesjö und schufen nachfolgend das Trio ENB. Gemeinsam erkunden sie mit Saxofon, Klarinette, Bass und Drums sowie präparierten „Musikobjekten“ die Welt der freien Improvisation. Dabei ignorieren sie auch Free Jazz sowie Traditionen des Jazz nicht. „Ausfahrt Freihalten“ ist ihr Debütalbum und besteht aus fast einer dreiviertel Stunde improvisierter Musik.
Das Coverfoto des Albums scheint die Hamburger Reeperbahn abzubilden. Deutlich ist die Neonreklame für das dort ansässige Café Keese zu sehen. Überrascht nimmt man zur Kenntnis, dass die Titel des Albums alle in Deutsch sind: „Entlang“ und „Neben“, „Gegenüber“ und „Während“, „Zwischen“ und „Anstatt“, schließlich auch „Hinter“ und „Durch“, doch kein „Warum“ und „Wohin“.
Diese Sprachschnipsel, so nenne ich die oben aufgeführten Präpositionen, scheinen im Gleichklang mit den Klangschnipseln, die für das Album zusammengestellt wurden, im Moment entstanden und für den Moment gespielt, allerdings aufgrund der CD (fast) für die Ewigkeit bewahrt.
Der Bass schwirrt, Klopfgeräusche treten hinzu, dem Geschrei aufgeregter Möwen und dem Kreischen von Brüllaffen gleicht das, was der Saxofonist seinem Holzblasinstrument bei „Entlang“ entlockt. Gestolper ist wahrzunehmen, der Bass wird gestrichen und brummt, quiekend und quietschend äußert sich das Saxofon obendrein. Sticks klappern auf Trommelrändern zu Ansätzen von Vogelpiepen. Klick und Klack macht es. Bass und Saxofon schweigen dazu. Nervös wird der Bass in dem Stück „Neben“ gestrichen, jenseits des Stegs, oder? Tinitusgeräusche nimmt man wahr. Ist da nicht auch ein hoher Flötenschwall auszumachen? Sirenenhaftes breitet sich aus. Wind rauscht. Ein Holzbläser vibriert. Knarren hören wir gepaart mit Knarzen. Schrill ist der Holzbläser im weiteren Verlauf eingestellt.
Paarig geben sich Schlagwerk und Saxofon. Der Langstreckenläufer ist auf einer Kurzstrecke unterwegs. Es geht hierher und dorthin. Klangwalzen füllen den Raum. Und das alles ist „Während“. Doch während was? Der Schlagwerker treibt den Prozess voran. Der Saxofonist ist eilig und nervös, erregt sich, setzt an und findet eigene Wege. Es geht immer vorwärts, und auch das ist „Während“.
„Anstatt“ zeigt zeitweilig die leisen Sequenzen des improvisierten Spiels. Das Klangerlebnis scheint auf das Mundstück des Holzbläsers beschränkt. Tonale Überschläge vernehmen wir. Daumen werden übers Fell gezogen. Melodisches wird verweigert. Tonbrüche werden zelebriert. Tonale Glyphen begegnen sich, hier Schlagwerk, dort Saxofon. Krächzen und klanglicher Wortschwall sind auszumachen.
Geröchel bündelt sich in dem Stück „Durch“. Sprachliches wird im Windtrichter verfälscht. Urlauten gleicht, was da präsentiert wird. Kurz gehalten sind die Schlagfrequenzen der Sticks. Bleche scheinen nicht eingebunden. Sticks scheinen alleine auf Sticks zu treffen. Fauchen und Röcheln ergänzen das Schlagspiel. Aus dem Moment zu begreifen, scheinen alle Handlungen stimmig. Doch wie wird es morgen klingen, wie übermorgen? Freisetzungen bestimmen den Ablauf, der nicht bestimmbar ist, oder?
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
www.barefoot-records.com
http://haakonberre.com/
http://www.ilkmusic.com/artist/artist/sture-ericson
http://nastesjo.com/