Enzo Rocco – Scraps: (very) old and (almost) new solo guitar pieces

Enzo Rocco – Scraps: (very) old and (almost) new solo guitar pieces

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Nicht mehr und nicht weniger als eine Sammlung von Gitarrensolos legt Enzo Rocco nun vor. Einige davon sind neu, andere etwas älter, ein paar davon sogar uralt. Der Gitarrist selbst charakterisiert seine Stücke als "atmosphärische" Improvisationen. Zu hören sind Live- und Heimaufnahmen, die mit bescheidenen Hausmitteln realisiert wurden, so Enzo Rocco. Daraus ergibt sich eine gewisse Uneinheitlichkeit der Klangqualität, wie wir beim Hören feststellen können.

Nach einer kurzen Einführung, gleichsam die Fingerübung zu den weiteren Stücken, hören wir "Peaches Brew False Start". Diese Improvisation ist ebenso auf der Veröffentlichung zu hören, wie „Peaches Brew“. Letzteres Saitenspiel wurde laut Enzo Rocco auf dem "Città Sonora Guitar Fest 2020" in Mailand vorgestellt. Eingeladen war eine Reihe von Gitarristen, um Frank Zappa an seinem achtzigsten Geburtstag (21. Dezember) zu feiern. „Es war meine erste Gelegenheit, mir die Musik des bärtigen Genies aus Baltimore genau anzuhören und zu versuchen, ihm einen angemessenen Tribut zu zollen.“ Wilde „Klangspiralen“ können wir wahrnehmen. Das, was wir hören, scheint obendrein einer Klangcollage zu ähneln, die von einem Beginn aus entwickelt wird  und stets an den Beginn zurückkehrt, um aufs Neue auszuschweifen und neue Klangufer zu erobern. Es scheint als gäbe es kein Ende, sondern nur parallel geführte Klanglinien und Redundanzen. Nicht zu überhören ist dabei, dass die Saiten hart angezupft und angerissen werden.  Während des Lockdowns in 2020 entstand "Strings Study No 1". Dieses Stück gleicht einer modernen Etüde in sich gleichsam wiederholenden Modulen. Mit einer Klangwalze mag man „Thumbs“ vergleichen. Zugleich vernimmt man auch Klänge, die sich anhören wie langsam rinnendes Flusswasser, das über Wehre und durch Bootsrutschen geführt wird.

"Mixolydian Study" ist ebenso wie die „Saitenstudie Nr 1“ ein Kind der Pandemie. Beim Hören meint man, Rocco habe hier den Lauf einer Windhose in Klangformen übertragen. Nicht so wild und “aufgebürstet“ wie andere Stücke kommt "Remix Suite No.2" daher, eine  Umarbeitung von drei Stücken, die Rocco bereits live aufgeführt hatte. Da scheint anfänglich eher eine sommerliche Idylle oder Sommerfrische als Bild gemalt zu werden. Kontemplation ist teilweise angesagt und nicht Aufbruch zu neuen Ufern. Der Rezensent musste beim Hören auch an Gemälde der Amalfiküste von Carl Blechen denken. Hört man nicht auch Glockenklänge? Zudem scheint der Gitarrist Bewegungen von hier nach dort in Klangformen wiederzugeben. Dabei ist eine gewisse Sprunghaftigkeit zu konstatieren. Nach und nach bekommt die Suite einen eher urbanen Charakter, denkt man beim Zuhören an Rush Hour und den Lärm der Großstadt. Und dann ist es wieder präsent: das vielstimmige Glockengebimmel, wie man es auf den Hochalmen der Alpen erlebt, aber auch auf Malta, wenn zum Morgengebet gerufen wird. Schließlich hat Rocco sein Instrument auch verfremdet, sodass es wie ein Synthesizer klingt. Manchmal muss man  an verfremdete Nebelhörner und modulierten Sirenengesang denken. Das hat dann schließlich auch etwas von Ambient Music.

Als würden feine Regentropfen auf Wasserflächen fallen, so mutet der Klang von "Hi-Lo Inventio" an, eine Neubearbeitung einer vorhandenen Klangskizze. Über"Blues@Alice" schreibt Rocco: „(Dieser Blues) stammt von einem Konzert, das ich im November 2001 bei der Vereinigung "Alice nella città" in Cremona gab. Nach einer Stunde gequälter Saiten fragte mich jemand, ob ich in der Lage sei, Blues zu spielen. Auf die eine oder andere Weise habe ich es versucht.“ Hören wir da eine Baritongitarre, die den Blues beschwört? Wir lauschen einem Blues ganz in der Art von Country bzw. Folk Blues, also handgemachten Blues, der eher etwas gemein hat mit John Lee Hooker als mit John Mayall. Schließlich endet Roccos Gitarren-Improcollage mit dem Stück „Dear John“, eine Hommage an John Russell, dem Organisator des Discovery Festivals. Es sind gleichsam Roccos Abschiedszeilen an den  verstorbenen John Russell. 

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