Elsa Nilsson / Martin Fabricius – Glaciers

Elsa Nilsson / Martin Fabricius – Glaciers

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Ein fürwahr feinsinniges Duo gibt sich aktuell ein Stelldichein: die Flötistin Elsa Nilsson (SE/US) und der Vibrafonist Martin Fabricius (DK), u.a. ein Schüler des berühmten Vibrafonisten Gary Burton. Sie schufen für die Veröffentlichung eine Klanglandschaft aus akustischen und elektronischen Stimmen und Melodien. Und das alles im Hier und Jetzt, ohne nachträgliche Bearbeitung, sondern im Moment entwickelt und aufgenommen.

Erstmals trafen sich beide Musiker 2017 bei der Jazzahead in Bremen. Fünf Jahre nach der ersten Begegnung und Planung eines gemeinsamen Klangprojekts trafen sich beide Musiker mit ihren Instrumenten dann in einer neu erbauten Konzerthalle am Rande von Kopenhagen. Zwei Tage standen beiden zur Verfügung, um ihre musikalischen Konzepte umzusetzen. Die Musik war weder diskutiert, noch notiert. Freie Improvisation schien das „Zauberwort“ und der Schlüssel für die musikalische Umsetzung von „Gletschern“ („Glaciers“).

Über die Musiker lesen wir: „Brooklyn-based Swedish flutist, Elsa Nilsson’s work engages high-level improvising and layered, cinematic orchestration; her artistry, an earnest and actionable desire to collaborate with multimodal artists and the changing world around her. With six praised albums out as a leader and collaborations with artists like Bill Frisell and John Cowherd, she is truly a rising star. In 2018 she was the winner of the National Flute Association’s Jazz Flute Competition, and the recipient of multiple Chamber Music America grants, including a 2022 New Jazz Works grant for Band of Pulses. Elsa holds a master of music from NYU. She has served as a professor at The New School for Jazz and Contemporary Music since 2020.

Martin Fabricius of Copenhagen Denmark, … , is a leading exponent of a new generation of vibraphonists, known for his exploration of electronics, new repertoire and innovative playing techniques. Drawing on Burton’s pianistic 4-mallet approach, Fabricius has pushed the boundaries of the instrument, constantly seeking to expand its expressive possibilities. He has eight critically acclaimed albums out as a leader. His collaborations include work with prominent artists such as Steve Swallow, Tomasz Stanko (The Scandinavian Art Ensemble), Jamaaladeen Tacuma and Jimmy Haslip (Neff Irrizary). Martin graduated summa cum laude from Berklee College of Music (1996) with a degree in film scoring.

Von den Klangfärbungen her könnten die beiden Instrumente, Flöte und Vibrafon, nicht konträrer sein, hier ein Klanghauch und dort ein metallisches Klangstab-Flirren. Und doch hat die Instrumentierung dieses Duos einen besonderen Reiz, auch durch die elektronischen Effekte, die der Klang-Modulierung dienen. Beim Eröffnungsstück „Breathing in“ hat man zu Beginn den Eindruck ein Nebelhornklang aus dem Off mische sich mit Becken, an deren Rand ein Stick streift bzw. von deren Zentrum aus mit dem Stick zum Rand gestrichen wird. Windrauschen nimmt man wahr und im Hintergrund das Windspiel mit Metallklangstäben, so der Höreindruck. Derweil erklingt Melodisches zart, dank an die Flötistin. Atemzüge sind zu hören. Flache Klangwellen setzt die Flötistin ab. Surrender Wind ist zu vernehmen, so meint man.

Nahtlos geht das erste Stück dann in „Glaciers“ über. Aufgeraut klingen Elemente der Flötenpassagen. Diese scheinen sich nach und nach aufzulösen und mit neuem Ansatz wiederbelebt zu werden. Ein elektronischer Klangteppich ist ausgebreitet. Ist das Fabricius Verdienst? Nilsson hingegen spielt ihr Instrument so, als wolle sie die Färbungen von Gletschern einfangen, auch das typische Gletscherblau. Vor allem aber muss man beim Zuhören daran denken, dass Gletscher brüchig sind, Spalten besitzen und tückische Eisbrücken, die einstürzen können. Vor allem aber sind Gletscher weltweit am Verschwinden und im Aufgehen in Gletscherseen begriffen. Explosiv ist das Flötenspiel in „Weight“. Teilweise meint man gar, man lausche Jethro Tull revisited, würde die Flöte sich zudem in eine wimmernde E-Gitarre verwandeln bzw. in einen lautstark vibrierenden E-Bass. Dazu setzt der Vibrafonist tropfende Klangpunkte und bewegt sich in einem gewissen Plink-Plink-Plink. Rhythmisch hat das Stück durchaus eine Note Rock vom Feinsten.

Aufgeregt und nervös wirkt das Flötenspiel in „Pixies“. Klangpunkte werden an Klangpunkte gesetzt und verwischt. Ähnliches hören wir obendrein vom Vibrafonisten. Dynamik ist das Credo. Eine solche Musik ist passgenau für ein künstlerisches Happening mit gestischer Farbverteilung, oder? Und im Verlauf nimmt das Stück eine ungeahnte Wendung: Nilsson stimmt dann sehr konzertante Passagen an, die an ein barockes Flötenkonzert denken lassen.

Elektronischen Klangzauber erleben wir zu Beginn von „Wow Fish“. Das klingt eher nach elektronisch modulierter Posaune, die auf die kristallinen Klangformen des Vibrafons trifft. Doch vermutlich ist nur die Flöte durch elektronische Manipulationen in einen Blechbläser verwandelt worden, der sehr vollmundig klingt. Zwischendrin sind aber auch feine Flötenlinien auszumachen.

“Away“ und „Disco Kitten“ sind weitere Klangimpressionen auf einem Album, das man nur bedingt als Ambient bezeichnen kann. Immer wieder dringen beinahe kammermusikalische Passagen ans Ohr des Hörers und bisweilen meint man gar, man lausche dem Spiel auf einer indischen Bambusflöte. Bei „Away“ drängt sich das Bild von schmelzenden Eiszapfen auf, die Tropfen für Tropfen sich auflösen. So jedenfalls lässt sich das Spiel von Martin Fabricius charakterisieren. In Tieftönigkeit agiert dazu die Flötistin, die ihre Klänge sanft ausschwingen lässt. Grafisch müsste man für das Zusammenspiel Punkte gegen lineare Schraffuren setzen. Sehr lyrisch ausgestaltet hat die Flötistin weitere Sequenzen. Da schwingt dann auch Melancholie mit, oder?

„Disco Kitten“ vereint eine Fülle von Effekten, aber auch Atemluft, die durch die Flöte gepresst wird, Da vernimmt man turbulentes Rauschen und zudem auch kurz anklingende Klangstäbe. Beim Zuhören drängt sich das Bild auf, es würden Klangstäbe übereinander fallen, bevor sie wieder für den nächsten Fall aufgestellt werden. Flötenhauch macht sich breit. „Stolpernde“ Klänge gesellen sich dazu, dank an Martin Fabricius. Mit „Breathing Out“ schließt sich ein Klangkreislauf, der mit „Breathing In“ begann.

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