Elliot Galvin - The Influencing Machine
E
Edition Rec.
Das aktuelle Album des Pianisten Elliot Galvin ist das nunmehr Dritte des umtriebigen Komponisten, in dem Galvin die Grenzen der Klanglandschaft auslotet und dabei vor Samplings nicht zurückschreckt, auch wenn er sich wie bisher doch auf seine schwarzen und weißen Tasten fokussiert.
Man müsste das Buch „The Influencing Machine“ von Mike Jay gelesen haben, um zu begreifen, welchen Anteil dieses an den Kompositionen Galvins hat. Gegenstand des Buches ist das Leben von James Tilly-Matthews, einer faszinierenden historischen Figur des späten 18. Jh. und Doppelagent für die englische und französische Seite. Zudem war Tilly-Matthews außerdem Teehändler, Politiker, Architekt und zudem an Schizophrenie erkrankt, was erstmals weltweit in vollem Umfang dokumentiert wurde. Tilly-Matthews dachte, er werde von einer Maschine namens Air Loom in seinem Verhalten manipuliert; daher auch der Titel des Albums von Galvin.
Übrigens, das Album ist kein Solopiano-Album, da Galvin ein Trio mit dem Bassisten Tom McCredie und dem Drummer Corrie Dick aus der Taufe gehoben hat, um dieses Konzeptalbum zu produzieren. Tom McCredie traktiert nicht nur seinen Tieftöner, sondern greift auf dem Album auch in die Saiten einer elektrischen Gitarre. Neben elektronischen Klangformen vertraut das Trio in seinem Konzept auf analoge Synthesizer, Hammond Organ und eine Reihe von Spielzeuginstrumenten.
Galvin gilt als ausgereifter musikalischer Architekt, der an dem Klang solange feilt, bis die gewünschten Effekte zustande kommen. „One example of this is the track ‘ Bees dog and flies’ where he harmonises an old renaissance folk melody and imaginatively blends it with West African percussive rhythms over distant, affected Hammond Organ. Or the track ‘Boys Club’ where he uses a self-hacked child’s toy guitar blended with Tom McCredie on electric guitar, layered with piano, synth and drums. All augmented by a melody that subtly references a number of other well known themes, to create a unique sonic environment.“ So liest man es in Presserklärung des Labels zum vorliegenden Album,
Das Album eröffnet mit „New Model Army“. Anschließend folgen Kompositionen wie „La Machine“, „Red and Yellow“ sowie „Society“. Außerdem umfasst das Album „Songs“ wie „Bikini Island“, „Bees Dogs
and Flies“ sowie am Schluss „Fountain Head“.
Schrille Töne schwellen zu Beginn von „New Model Army“ an, ehe dann Galvin in die Tasten seines Klavier greift, mit vollem Elan und überaus energetisch. Schritt für Schritt erfolgen die Tonsetzungen, so als würde man Stufen erklimmen, ehe sich dann der Tonfluss verflüssigt und, bildhaft gesprochen, vor unseren Augen tückische Wildwasser entstehen, die uns in ihren Sog ziehen. Zugleich hören wir einen gestrichenen Bass, der sich allerdings gegenüber dem tonalen Strudel des Pianos nicht durchsetzen kann. „Plonk, Plonk“ - so klingt es im Weiteren, derweil Galvin das Wildwasser hinter sich lässt und in kleinen, eher harmlosen Kaskaden unterwegs ist. „Plonk, Plonk, Plonk“ – so klingt es nachfolgend immer noch neben dem Klavierspiel, das stellenweisen ein wenig funky, funky anmutet.
Fast übergangslos wechselt das erste Stück in das nachfolgende: „La Machine“. Eingesprochene Textfragmente dringen an unser Ohr, so auch „What he is doing here ...“ Gepaart ist dies mit einer Art Vogelstimmenklang, wohl einem der Kinderspielzeuge abgerungen, die sich das Trio angeschafft hatte. Dramatisch erscheint das Klavierspiel, das diesen Passagen unterlegt ist.
„Red and Yellow“ mutet beinahe wie ein gut gemachter Popsong mit starker Rhythmisierung an. Auch in diesem Stück werden Wortfetzen – Zitate aus dem Buch, das Galvin zu seinen Kompositionen angeregte? – eingeblendet, während man galoppierende Klavierläufe wahrnimmt. Abgelöst wird Galvin in seinem Spiel durch einen kurzen und starken Basslauf, zu dem er es sich allerdings nicht nehmen lässt, Diskantes beizufügen. Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass das Trio auch in rockigen Fahrwassern dahintreibt.
In „Planet Ping-Pong“ greift der Bassist Tom McCredie zur Gitarre und beginnt das Ping-Pong-Spiel. Hört man da nicht auch ein Toy-Piano, das sich zum Mitspiel entschieden hat? Oder handelt es sich um ein präpariertes Piano? Rotzig-rockig geht es übrigens im weiteren Verlauf des Stücks zu. Das liegt auch am Duktus, den Galvin an den Tag legt!
Samples von Wortfragmenten werden bei „Bikini Island“ zu elektronischen Sounds eingestreut. „Hrrr, Hrrr“ – hört man neben dem Synthesizer, der jaulendes und schnarrendes Frequenzchaos darbietet. Tickticktick – das lässt das Schlagwerk aufflammen. Im Hintergrund entwickelt sich dazu ein brummend-brausender Klangschwall. Über diesen legt der Schlagzeuger nach und nach seine Wirbelstürme. Zugleich aber entwickelt sich auch ein Klangchaos, das abrupt abbricht und fast übergangslos in eine sprunghafte Klaviersequenz übergeht. Zwischenzeitlich hat man auch den Eindruck von konzertanten Passagen, die, in Bildern gedacht, an kleine Stromschnellen erinnern.
Dem Hard Rock und Metal Rock anheimgefallen scheint der Bassist und Gitarrist des Trios, wenn „Boys Club“ beginnt. Dieses Intermezzo setzt sich fort, auch dann, wenn Galvin die hohen Tasten seines Klaviers ins Spiel bringt. Zu erleben ist außerdem ein aufwühlendes Schlagwerk und dazu gesetzt eine rockig-wimmernde Gitarre, die nicht nur Hard Rock, sondern auch Rhythm ´n Blues und Metal im Sinn hat. Mit „Fountain Head“ findet das experimentell ausgerichtete Trio dann seinen musikalischen Schlusspunkt.
Text: © ferdinand dupuis-panther / Der Text ist nicht public commons.
Informationen