Eivind Austad Trio - Northbound
E
Losen Records
Der in Bergen beheimatete Pianist Eivind Waage Austad nahm am Jazzausbildungsprogramm der NTNU in Trondheim teil und beendete sein Studium mit einem Bachelor in Jazz. Anschließend studierte er am Bergen University College, um seinen Masterabschluss in Musikpädagogik zu erhalten. Als nunmehr freiberuflich tätiger Jazzpianist gilt sein Hauptaugenmerk seinem Trio und dem Quartett Living Space. 2015 erschien sein Debütalbum mit dem Bassisten Magne Thormodsæter und dem Drummer Håkon Mjåset Johansen. Inzwischen ist er auch Assistenzprofessor für Jazzpiano, Jazzgeschichte und Kompositionslehre an der Grieg-Akademie.
Auch das aktuelle Album hat Austad mit den oben erwähnten Musikern eingespielt. Das Cover des Albums enthält ein Interview mit dem Pianisten, aus dem auch nachstehendes Zitat stammt und sich auf die Zusammenarbeit mit seinen beiden Mitspielern bezieht: „I want to have a lot of input from them! We have known each other for more or less 20 years, and I don’t want us to sound pre-programmed. I may have an idea, a starting point, but when I bring it forward to Magne and Håkon and we start working, we very often end up with something quite different and better. To me, sounding perfect is less important than sounding vital, and I’d rather be challenged and surprised than play in a trio with no resistance, no interference, no dissonance in the interplay. That said, I also have to add that Magne and Håkon have never let me down on that.“
Aufgemacht wird das Album mit „7 Souls“. Danach folgt David Bowies „Space Oddity“ und erneut eine eigene Komposition namens „Northbound“, die auch dem Album den Namen gab. Wir hören u. a. „ Open Minded“ und „ Beyond The 7th Ward“ und „Down The Road“, ehe das Album mit „Faith“ abgerundet wird.
Eine Katze, so sagt man hat sieben Leben. Doch wer hat „sieben Seelen“, so fragt man sich angesichts des Eröffnungstitels, der sehr lyrisch, wenn auch nicht verwässert daher kommt. Austad achtet schon auf die Akzentuierungen. Angesichts der Tatsache, dass die Musiker aus Norwegen kommen, kommt man beim Hören nicht umhin, an gurgelndes Wasser unter Schneebrettern auf dem Hadangervidda oder an kleinere Kaskaden zu denken. Zugleich suggeriert die melodische Linie des Stücks auch Weite und den unverstellten Blick wie man ihn auf norwegischen Hochebenen hat, so auch unterwegs in Femundsmarka mit einer ausgeprägten Moränenlandschaft. Gurgelnde Pianopassagen nehmen wir wahr und dazu „pikantes Bassspiel“ – beides unterstreicht das Bild einer norwegischen Landschaft, die nicht unbedingt mit breiten, tief ins Land einschneidenden Fjorden identisch ist. Eher denkt man beim weiteren Hören an Schwälle von Wildwasser, folgt man dem energiegeladenen Spiel Austads, zu dem der Drummer sich ausbreitendes Blechschwingen beisteuert.
Cover oder Interpretation – das stellt sich als Frage bei „Space Oddity“: Am Anfang scheint die Langsamkeit als musikalisches Motiv zu stehen. In das zögerliche Spiel Austads steigt der Bassist ein und überlagert es mit seinen Phrasierungen. Es ist eine Art Wechselspiel, das wir zu Beginn erleben, ehe sich dann aus dem Bass des Pianos heraus die weitere Linie des Stücks entwickelt. Dabei überwiegen eher dunkle Klangfärbungen. Assoziationen an einen Apriltag mit verhangenem Himmel werden wach. Oder spiegelt sich in diesem Stück eher das Leben eines Nachtwandlers wieder? In Teilen hat das Stück auch Elemente von Singer/Songwriter in sich, jedenfalls in der vorliegenden Interpretation durch das Eivind Austad Trio.
Mit dem Trio begeben wir uns nachfolgend – zu hören ist „Northbound“ – gen Norden, dorthin, wo auch das schlierige Polarlicht leuchtet, das wir auf dem Cover des Albums erblicken. Die Klanglinien, die Austad anstimmt, sind auf Kontemplation ausgerichtet. Besinnung steht an, auch das Finden der inneren Ruhe, so der Höreindruck. Dass auch pastöse „Frühlingstöne“ beigemischt sind, überrascht im hohen Norden, in dem ein halbes Jahr totale Finsternis herrscht. Das winterliche Einfrieren des Lebens wird durch die Komposition nicht zum Ausdruck gebracht, sondern eher die aufkeimende Lebensfreude, das Entrinnen aus der Dunkelheit, die Freude über das Licht, die aufgehende Sonne, oder?
In ähnlichem Duktus wie die vorherigen Stücke ist auch „Open Minded“ gehalten. Da ist keine überbordende Ausgelassenheit zu vernehmen. Eher scheint ein gleichbleibender Fluss des Alltags eingefangen zu werden. Konzertant ist das Spiel überaus, so auch bei den übrigen Stücken des Albums. Romantik und Neoromantik scheinen musikalisch nicht nur in „Open Minded“ eine Rolle zu spielen. Das Trio ist dabei sehr stark auf den Pianisten ausgerichtet. Raum für das solistische Ausleben gibt es weder für den Drummer noch für den Bassisten. Bei „Open Minded“ lassen sich Bilder heraufbeschwören wie die der Karl Johan Gate in Oslo nach einem heftigen Regenschauer. Pfützen haben sich gebildet. Fußgänger lösen sich in einer Regenpause aus dem Schatten von Häuser- und Geschäftseingängen. Übermäßige Eile ist nicht angesagt.
Sehen wir einem Trauerzug zu, der unterwegs ist? Das fragt man sich anfänglich bei „Down The Road“. Soll vielleicht die Sonntagsruhe in einem Vorort eingefangen werden? Beim Zuhören jedenfalls übermannt den Hörer der Blues, oder? Erst nach und nach hellt sich die Stimmung ein wenig auf, hat man den Eindruck, dass urbanes Leben eben auch Freunde und Ungezwungenheit mit sich bringt. Tanzen da nicht gar Paare ausgelassen bei einem Straßenfest? Das könnte man meinen, wenn Austad seinem Tastenmöbel wilde Kaskaden abringt.
Der Schlusspunkt lautet: „Faith“ - „Glaube, Vertrauen“. Getragen ist das Tempo des Stücks, das zudem sehr im Bass ruht. Dumpf sind die Schläge des Drummers, die im Hintergrund auszumachen sind. Der Diskant wird nicht bedient, A tempo auch nicht. Nicht nur bei diesem Stück, sondern auch bei den anderen drängt sich der Eindruck auf, dass sich in der Musik ähnlich wie bei Edvard Grieg Schwere und Schwermut bündeln. Düsternis umgibt den Hörer weitgehend bis zum letzten Akkord. Man hört eher Seufzer als freudiges Lachen. Nur warum?
Ein hellfarbiges Aquarell malt das Trio in keiner Phase des Albums. Symbolistisches Grau dominiert, wenn nicht gar das Schwarz einer Kohlezeichnung. Das auf dem Cover versprochene Farbspiel des Nordlichts, das viele Besucher in den Norden Skandinaviens treibt, ist musikalisch in keinster Weise auszumachen.
Text: © ferdinand dupuis-panther – Der Text ist nicht Public Commons!
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