Edi Köhldorfer – Hover
E
ATS Records
Zum Album schreibt das Label ATS: „Köhldorfers meisterliche Kompositionsarbeit steht im Mittelpunkt, wobei großzügiger Raum für mitreißende Improvisationen geschaffen wird. Diese Dynamik unterstützen der international renommierte Drummer Harald Tanschek und der ebenso weltweit gefragte Bassist Martin Heinzle. Gemeinsam mit Star-Gast Gina Schwarz präsentiert Edi Köhldorfer auf „Hover“ ein All-Star-Lineup, das nicht nur seine Kompositionen virtuos interpretiert, sondern auch mit Spielwitz und Einfühlungsvermögen solistischer Sparring-Partner des Gitarristen ist. Melodien, odd-meter-Grooves und aufwändige Arrangements zeichnen die Stücke dieser Produktion aus.“
Ergänzend ein O-Ton von Edi Köhldorfer: „In meinen Trio-Kompositionen versuche ich, die Energie, den Spirit und die Aufbruchsstimmung des Jazz im 20. Jahrhundert in die 20er Jahre des zweiten Jahrtausends zu transferieren und gleichzeitig die Türen für Einflüsse aus verschiedenen globalen Musikkulturen zu öffnen. Durch meine intensive Auseinandersetzung mit klassischer Musik bleibt das „europäische Erbe“ stets präsent und wird gleichzeitig mit Improvisation und Ensemble-Interaktion konterkariert.“
Wer zu Beginn des Albums den Tracktitel „Fjord Taunus“ liest, reibt sich die Augen. Wo soll denn dieser liegen? Oder ist es gar ein Schreibfehler und sollte es Ford Taunus heißen? Nun ja, bei den ersten Takten und den melodischen Linien, die der Gitarrist Edi Köhldorfer anstimmt, müssen wir an höfische Musik bzw. Tänze einerseits und an Folklore andererseits denken. Eigentlich fehlt nur noch ein Bänkelsänger, der am Hofe die edlen Herren und Damen unterhält. Aus den Melodielinien schält sich dann eine solistische Improvisation heraus. Dabei muss man dann auch an Instrumentalrock denken, der in den 1970er und 1980er Jahren anzutreffen war. Am ehesten fiel dem Rezensenten dazu noch Peter Green ein, aber wie gesagt, Vergleiche hinken stets! Bei „Spili“ sind es nicht nur die distinkten Beats und das unbändige Getrommele von Harald Tanschek, sondern auch der Gitarrist, der uns in seinen Bann zieht. Man meint gelegentlich, er würde feinste Harfen-Töne hören lassen und dann wieder in harte Rock-Beats verfallen. Gleichsam in Klangschleifen löst der Gitarrist seine Melodie-Formen auf, um dann anschließend seine Gitarre dröhnen, wimmern und jaulen zu lassen, wenn auch nicht so wie Jimi Hendrix, aber immerhin. Da scheint dann R&B ganz nahe und auch die Welt von Jeff Beck oder Alvin Lee nicht fern. Tempo, Tempo, Tempo – das ist das Motto. Da jagen sich Melodielinien, entäußert sich der Drummer bis zum letzten Takt.
Lauscht man dem Track „Elpida“, so meint man, man tauche in die Welt der Granden des Gitarren-Jazz ab, sehe dabei zu, wie eine Klanglandschaft in zerlaufenden Aquarellfarben entsteht. Auch an die Melodie der klassischen Broadway-Revue mag man beim Hören denken. Hat das Stück nicht auch etwas von einem Popsong, dem allerdings im vorliegenden Fall der Text fehlt? Im Gegensatz zum Stück „Spili“ zerfließen die Klanglinien, teilweise auch mit ein wenig Hawaii-Gitarren-Klang, oder? Das Tempo ist gemäßigt, ohne dass das Stück ins gänzlich Lyrische abgleitet. Nach „Pinus“ – hier ist Gina Schwarz am Bass zu hören, folgt das Stück „Chadija“. Beim erst genannten Stück hört man beinahe im Stakkato ein kurzes Saitengezupfe und Slapping. Zudem erleben wir einen Schlagwerker, der auch auf dem Klangholz oder der Kuhglocke unterwegs ist. Eingängig ist die Melodie, die Edi Köhldorfer vorträgt. Im Weiteren lässt er den Klang seiner Gitarre dahin rinnen, erzeugt Klangstrudel und -fontänen. Im Hintergrund ist ein Klickklick-Klackklack und Beckenrauschen auszumachen. Kommen wir nun zu „Chadija“, dabei wohl einen arabischen Mädchennamen als Titel nutzend. Hören wir da eine akustische Gitarre, auf der Etüdenhaftes angestimmt wird? Man muss den Eindruck gewinnen. Dazu nehmen wir den Bassisten wahr, der gleichsam eine zweite Stimme zu den Gitarrensequenzen spielt. Bisweilen könnte man auch meinen, man lausche einer Oud oder einer Guembri, oder? Jedenfalls erleben wir ein sehr hörenswertes Duett! Dabei scheinen durchaus Linien der klassischen Musik durch, wie man sie aus der spanischen Gitarrenmusik unter anderem von Fernando Sor her kennt. Und das ist wahrlich eine Abwechslung zu den bisher gehörten Titeln des aktuellen Albums.
Widmen wir uns nachfolgend den „Atlantischen Stimmen“ („Atlantic Voices“). Wer ist damit wohl gemeint? Die Stimmen der bretonischen Folklore? Oder Fado oder irischer Pub-Gesang? Doch nichts davon ist aus dem Stück zu destillieren. Wellige Klangmotive nehmen wir wahr. Teilweise scheint Edi Köhldorfer Melodieschraffuren zu variieren, die er in vorherigen Stücken schon genutzt hat. Und zu dem Gitarrenklang wird ein erdiger Bassklang hinzugefügt. Im Hintergrund schwirren und flirren dazu die Becken des Drumsets. Bei einigen Linien, die der Gitarrist verantwortet, mag man das Bild von warmen Winden aus der Sahara im Kopf haben oder auch das Phänomen des schlierigen grünen Polarlichts. Weichzeichnungen werden im Klangbild ausgeführt, und das bis zum letzten Ton.
„Odd November“ eröffnet mit einem Bass-Solo, das sich gleichsam aus der Tiefe des Raumes erhebt und dessen gezupfte Saiten nachhallen. Werden da Saiten nicht auch mit einem Bogen geschlagen, sodass sie kurz schwirren? Lang gezogene Gitarrenklänge gesellen sich zu dem Bass-Solo hinzu. Diese Klänge gleichen bildlich zerfaserten dahin schwebenden Wolkenbänken. Angesichts des Titels wären Nebelbänke vielleicht nahe liegender. Mit „Evolving“ wird das Album gekonnt abgerundet.
© ferdinand dupuis-panther
Info
www.ats-records.com
Lineup:
Edi Köhldorfer - guitar
Martin Heinzle - bass
Harald Tanschek - drums
feat. Gina Schwarz - bass on 5, 8, 10
Lukas Böck - drums on 8, 10
YouTube
Tracklisting
01. Fjord Taunus (4:40)
02. Spili (4:53)
03. Elpida (6:43)
04. Pinus (5:33)
05. Chadija (5:39)
06. Atlantic Voices (6:05)
07. Odd November (5:25)
08. Lady Six Sky (3:52)
09. In the Doldrums (7:15)
10. Evolving (4:39)
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