Edgar Knecht - Personal Seasons
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Ozella Music
Manchmal sind es Anlässe wie die zehnjährige Existenz eines Trios, die tiefere Gedanken und musikalische Ideen auslösen, so auch bei dem Pianisten Edgar Knecht, der sein bewährtes Trio mit Rolf Denecke (Bass) und Tobias Schulte (Schlagzeug) neuen Begegnungen zuführt. Nein, Vivaldis Jahreszeiten-Zyklus feiert keine Auferstehung. Für „Personal Seasons“ erweiterte Knecht sein Ensemble zeitweilig zu einem Quartett. Der Kölner Trompeter Frederik Köster stieß zum Trio hinzu. Teilweise dienten traditionelle Volkslieder dazu einen persönlichen Jahreszeiten-Zyklus zu schaffen, so auch das schaurig-schöne Lied „Schnitter Tod“ für den Herbst. Für den Winter steht hingegen „Es kommt ein Schiff geladen“, aber auch das perkussiv treibende „Sommerschall“ und die lateinamerikanische Rhythmen aufnehmende Komposition „Winterschall“ sind Teil der Reise durch die musikalischen Jahreszeiten. Damit kredenzen uns die Musiker eine Symbiose aus Jazz, Klassik und Volkslied.
Ein Teil der verarbeiteten Volkslieder wurde unter anderem von Liederjan popularisiert. Im Übrigen spielt auch das Treffen auf Burg Waldeck eine wesentliche Rolle, um Volkslieder, die in den zwölf Jahren der Nazidiktatur missbraucht und diskreditiert wurden, wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Jahrzehnte lang waren Volkslieder verpönt und erst die Bewegung der auch politisch dezidiert agierenden Barden wie Hannes Wader oder Franz Degenhardt haben dies verändert. Nun ist es am Quartett um Edgar Knecht dem Volkslied noch eine jazzige Note hinzuzufügen.
„Schalmei“ wird von Frederik Köster eröffnet, der die Melodielinie verwebt, derweil der Pianist Edgar Knecht sprühenden Tastenklang dazu beisteuert. Der Dialog zwischen diesen beiden Instrumentalisten, die sich auch in klassische Sphären begeben, bestimmt weitgehend den Charakter des Songs. Im Verlauf löst sich Köster in seinem Spiel aus dem Liedhaften und schwelgt in bewegten, beinah freien Melodienlinien. Der Rest des Ensembles ist dabei weitgehend als marginal zu betrachten. Im Fortgang des Arrangements nehmen wir südamerikanische Klangkonnotationen wahr, gefolgt von rinnenden Klangfolgen, die Edgar Knecht seinem Tastenmöbel entlockt. Hört man zu, kann der Begriff vom Eise befreit aufkeimen, sprich der Übergang vom Winter zum Frühling, wenn man im Muster der sich wandelnden Jahreszeiten denkt. Dieser Gedanke drängt sich außerdem auf, wenn wir Frederik Köster in seinem Trompetenspiel folgen, das Aufbruch signalisiert.
Beinahe übergangslos wird dann „Schnitter Tod“ angestimmt. Dabei legt Edgar Knecht das Arrangement beinahe als Lamento an, als Totentanz des späten Mittelalters: „Es ist ein Schnitter, heißt der Tod“ so die Anfangszeile. Weiter lautet der Text des aus dem 17. Jh. stammenden Liedes: „Hat Gewalt vom großen Gott/Heute wetzt er das Messer/Es schneid' schon viel besser/Bald wird er dreinschneiden/Wir müssen's erleiden.“ Und hört man da nicht auch die Totenglocke dumpf schlagen? Gevatter Tod geht weiter seines Weges, auch wenn der Bassist den dumpfen Saitenschlag zelebriert und der letzte Diskant des Klaviers verhallt.
Beinahe rollend wird „The ship“ eröffnet, so als würde das Wellenmeer sich aufbäumen und zusammenfallen. Vom klanglichen Charakter her gibt es durchaus eine Nähe zum „Schnitter Tod“. Auffallend sind die weichen, beinahe samtenen Flächen, die Frederik Köster zu Gehör bringt. Rolf Deneke lässt seinen Bass tänzeln, einen Bass, der nicht in Erdfarben verharrt, derweil uns Frederik Köster Momente des Fjord-Sounds präsentiert, sprich die unverstellten Blicke bis zum Horizont musikalisch inszeniert. Das „trällernde Diskantspiel“ ist hingegen Edgar Knechts Sache. Übrigens basiert das Arrangement auf dem Adventslied aus dem 15. Jh. mit der Titelzeile „Es kommt ein Schiff geladen ..“!
Winterlich geht es in „Winterschall“ zu: Dabei hat man den Eindruck, Frederik Köster würde statt der Trompete Flügelhorn spielen und lasse vor unserem geistigen Auge Schneeflocken rieseln. Dieses Bild scheint noch vielmehr auf das Klavierspiel von Edgar Knecht zuzutreffen, der beinahe ein klangliches Schneegestöber arrangiert. Zwischendrin kann man den Eindruck von Folk-Blues gewinnen, der auf klassische Klangwelten trifft. Sehr perkussive Elemente sind bei dem Arrangement auch wahrzunehmen, dabei hier und da in Richtung Salsa tendierend, oder?
Nach der Winterimpression folgt mit „Spring fever“ ein Sprung in den Frühling. Kleine Klangstromschnellen entdecken wir im Klavierspiel zu Beginn des Stücks. Danach ist es an Frederik Köster die Klangfärbung zu bestimmen und im Hintergrund nehmen wir synkopierte Rhythmik war. Hören wir da Cajon? Oder ist es ein Udu, das unter den Händen von Tobias Schulte für einen sonoren Klang sorgt, über den fast kristallene Klangfäden gleiten? Dezenten Bossa meinen wir, im Fortgang des Stücks zu hören, bei dem Frederik Köster sein Horn erschallen lässt. Zum Ausklang gibt es mit „Sommerschall“ einen sommerlichen Ausflug, um dann mit „Bunte Wälder“ rauschende Herbstfarben zu malen.
text © ferdinand dupuis-panther
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