Dr. Syros - Joint Practice
D
Challenge Records
The Next Generation of Jazz – so könnte man die Band charakterisieren, die der Stuttgarter Pianist Martin Söros ins Leben gerufen hat. Er eröffnet, so muss man den Bandnamen interpretieren, einen „Ort der musikalischen Heilbehandlung“. Musik ist in diesem Sinne als Balsam für die Seele in Zeiten des gesellschaftlichen Auseinanderfallens zu verstehen. Sinnstiftung durch Musik – durchaus ein sehr ambitioniertes Unterfangen.
Neben dem Pianisten Martin Sörös, der auf dem Debütalbum der Band am Fender Rhodes zu hören ist, arbeitete an diesem Album der Berliner Drummer Daniel Mudrack mit, der sich nicht nur auf Trommelkünste, sondern auch auf innovative Sounddesigns versteht.
Der Münchner Julian Hesse, der sich in den letzten Jahren zu einem der kreativsten Jazztrompeter im deutschsprachigen Raum entwickelt hat, steuerte zum Gelingen des Albums zwei Kompositionen bei. Ein wichtiges Bindeglied der Band ist der Bassist und aktuelle Landes-Jazz-Preisträger Sebastian Schuster am Bass, der bereits mit seiner preisgekrönten Band Seba Kaapstad zu überzeugen verstand.
Neben klassischen Jazzmustern, die in den Konturen und Schraffuren sehr stark durch Trompete und Rhodes bestimmt sind, finden sich bei den Kompositionen auch durchaus Anflüge von Geräuschcollagen mittels eines Opernbaritons wie in „Life Story“ sowie R’nB und HipHop.
„Hi!“ besticht durch sanfte Rhodesfläche und bewegte Brassklangwolken. Dabei ist hier und da auch Smooth-Jazz nicht fern und Chillen angesagt. Auch bei „Life Story“ bestimmt der Trompeter Julian Hesse die Klangmodule, die Aufbruch verheißen und Grenzen einzureißen scheinen. Offenheit ist als Credo eng mit der Komposition verwoben. Ein wenig an Fusion wird man in der Folgezeit erinnert, wenn Martin Söros solistisch agiert. Dabei türmt er in durchaus höheren Registern kabbelige Klangwellen auf, die nach und nach auslaufen.
Fusionanklänge sind auch bei anderen Songs in kurzen Momenten zu entdecken. Eher scheint das Quartett im Post-Bebop und Post-Modern-Jazz verwurzelt zu sein. Das gilt insbesondere für die teilweise weich gezeichneten Klangstrudel, die Julian Hesse zu verdanken sind. In „Song für Julian“ zeigt sich auch der Bassist der Band mit seinem Fingerspiel und durchbricht den Allklang der Trompete. Insbesondere bei dem genannten Stück kommen Erinnerungen an die Musik von Parker und Co. auf, oder?
Wer reitet denn da durch Nacht und Wind? Nein, es ist nicht der Erlkönig, sondern der Ritter auf seinem Ross: „Knight Ride“ lautet der Titel der Komposition. Verfolgt man die Klanglinien, dann kann man durchaus das Galoppieren des Rosses erkennen, nicht nur durch das Drumming, sondern auch durch das Spiel von Julian Hesse, das Auf und Ab des Ritts nachzeichnend.
Zu hören sind auf dem Debütalbum Kompositionen wie „Hip Walz“ mit eher lyrischen Konnotationen und „Hospitalized“. Letztere Komposition mischt am Anfang Pumpgeräusche einer Beatmungsmaschine mit dem konstanten Piepen eines Überwachungsmonitors zusammen, ehe dann Julian Hesse die musikalische Regie übernimmt und uns mit seinem Flow einwickelt wie in einen Kokon. Ja, alles scheint zu fließen, stetig und ohne Brüche. Das ist jedenfalls der Höreindruck, der durch die sanften Klanglinien unterstrichen wird, die Martin Söros den Passagen von Julian Hesse unterlegt. Unaufgeregtheit ist auch bei diesem Song das Credo. Entspannung ist beim Hören des Albums angesagt. Danke Dr. Syros für die musikalische Heilbehandlung.
© Dr. Syros
Text: © ferdinand dupuis-panther – Der Text ist nicht public commons!
Information