Dieter Ilg – Dedication
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ACT
Zum Einstieg gleich ein Zitat, dessen Inhalt aufhorchen lässt: „Bass-König Ilg legt tragende Akkordteppiche..., kitzelt mit vielen nur von Gitarre bekannten Techniken perkussive und andere Wundereffekte aus dem Instrument, erweitert die Klangpalette gar dahin, dass man ein veritables Didgeridoo zu hören meint. Natürlich verführt er auch mit einem der schönsten und singendsten Bass-Sounds, die die Jazzwelt zu bieten hat....“ (SZ / 2005)
Nein, Dieter Ilg war nicht von Beginn an ein Kontrabassist, sondern lernte als Kind Blockflöte, danach Geige und später Bratsche. Mit dreizehn Jahren wechselte er zum Kontrabass. Es folgte für die nächste vier Jahre Unterricht an der Städtischen Musikschule Offenburg. Er belegte in der Folgezeit Jazzkurse in Burghausen, Remscheid und Tübingen. Von 1981 an verfeinerte Ilg weitere vier Jahre lang seine praktischen und theoretischen Kenntnisse an der Musikhochschule Freiburg, anschließend als Fulbright-Stipendiat an der New Yorker Manhattan School of Music (1986/87).
Noch während seines letzten Schuljahres, wurde der Abiturient festes Mitglied des Joe Viera Sextetts (1981-84) und startete anschließend zusammen mit dem Pianisten Klaus Ignatzek ein erstes Trio-Projekt. Auf diese Weise füllte sich sein Terminkalender und über Gastsolisten wie Bobby Watson oder David Liebman auch das Buch der Referenzen. Zu diesen gehört auch das Auftreten als Mitglied des Randy Brecker Quintets (1987-89). Von dem amerikanischen Startrompeter gibt es auch hinsichtlich der außerordentlichen Fähigkeiten des deutschen Bassmannes die bemerkenswerte Aussage aus dem Jahre 1987: „ You must be a star in Germany ! “ Noch seitenlang könnte man fortfahren, die Musiker und Bands aufzulisten, mit denen Ilg zusammengearbeitet hat, aber das würde im Zusammenhang mit der vorliegenden Albumveröffentlichung zu weit führen. Dass Ilg dreimal den begehrten Echo-Jazz-Preis gewonnen hat, sei dann aber doch noch angeführt.
„Rochade“ als Eröffnungsstück bezieht sich auf Johann Sebastian Bach. Doch wer eine reine klassische Fuge mit Comes und Dux erwartet, muss sich eines Besseren belehren lassen. Eher muss man an einen Psalm oder Choral denken, folgt man den melodischen Linien, die uns auch in die tiefsten Tiefen des Kontrabasses entführen. Auffallend ist der Ansatz mit dem Dieter Ilg agiert. Da gibt es eher sanftes Bass-Schnurren und kein Saiten-Schnarren. Weiche aufsteigende Linien breitet der Bassist vor uns aus. Auch die Höhen, die der Tieftöner durchaus hat, werden gelegentlich ausgereizt. Doch eher das Erdige, das Dunkel, das Umbrafarbene wird in den Vordergrund gerückt.
Bei einem Titel wie „Altes Land“ denkt man wohl auch an das Hamburger Umland, ans klassische Obstanbaugebiet an der Elbe, wo Äpfel und Kirschen gedeihen. Und doch ist dieses Stück eine Verneigung vor Nat Adderley. Da werden Phrasierungen, die aus der Tiefe ihren Ursprung nehmen, mit einem vergehenden Klang in hohen Lagen verbunden. Der Klangfarbe eines Kornetts nähert sich der Bassist eher nicht. Doch man meint mit viel Fantasie ein Hornspiel aus dem Gehörten destillieren zu können, auch in den “sprunghaften Phasen“ des Bass-Spiels. In Erinnerung an den Kontrabassisten und Tubisten Peter Kowald entstand „Wupp“. Soll das einen Bezug zu Wuppertal herstellen, wo die Peter Kowald Gesellschaft / ort e.V. residiert? Diese widmet sich vor allem dem Free Jazz und der Improvisation, wofür der 2002 verstorbene Kowald steht. Was wir hören, gleicht zum Teil einem Lamento. Dafür streicht Dieter Ilg seinen Kontrabass, der voll klingt, auch in Lagen, die man eher von einem Cello oder einer Bratsche erwartet. Nur teilweise vernimmt man entfesselte Sequenzen, wie man sie wohl dem Free Jazz zuordnen würde.
Für Charles Mingus gedacht ist „Diversity“, gleichsam eine Ode an einen Kontrabassisten von einem Kontrabassisten. Sehr bewegt, beinah von Nervosität geprägt, ist das Spiel von Ilg. Es scheint dabei ein Hin und ein Her in musikalische Formen umgesetzt zu werden. Man könnte auch an jemanden denken, der mit schnellen Schritten übers Kopfsteinplaster einer Gasse eilt, oder? Und das Ende – ein Flageolett. Weiter geht es mit einer „Hymne“ für Beethoven namens „Path-26“, geprägt auch durch Fragmentierungen, von Klangcollagen, die aus Mosaiksteinchen bestehen, um mal ein Bild fürs Gehörte zu suchen. Getöse und Windbrausen meint man herauszuhören, gleichwohl auch das Knarren von Gehölz und alten Bäumen im zerrenden Wind. Von schnarrenden metallisch klingenden „Nebengeräuschen“ ist „Forest Kill“ durchzogen. Auch ein „Saiten-Stakkato“ ist in dem Stück vorhanden, oder? Soll der Hörer dabei an den unaufhörlichen Axt-Schlag von Forstarbeitern erinnert werden? Sehr fein geknüpftes Saitengewebe erleben wir bei „Fernweh“. Bisweilen hat der Zuhörer den Eindruck, die exotische Ferne rufe und sei zugleich nicht erreichbar. Dachte Dieter Ilg beim Konzipieren des Stücks an die sonoren Schlitz-Trommeln und eine Kora oder eine Guembri, sprich an Afrika und die Musik des sogenannten schwarzen Kontinents? Nachdem wir auch Stücke gehört haben, die Charlie Mariano und Ilgs Mutter gewidmet wurden, heißt es schlussendlich „ No Manipulation, No Corruption“.
© ferdinand dupuis-panther
Infos
www.dieterilg.de
Tracks
01 Rochade 4:44
dedicated to Johann Sebastian Bach
02 Altes Land 3:53
dedicated to Nat Adderley
03 Wupp 2:09
dedicated to Peter Kowald
04 Diversity 2:30
dedicated to Charles Mingus
05 Path-26 2:16
dedicated to Ludwig van Beethoven
06 Forest Kill 2:31
dedicated to the earth
07 Fernweh 2:47
dedicated to a world of freedom
08 Ham am i 3:00
dedicated to Charlie Mariano
09 Erlösung 4:43
dedicated to my mother
10 Punk.t 1:20
dedicated to peaceful and loving resistance
11 Schöne Neue Welt 4:09
dedicated to the haptic and analogue
12 No Manipulation, No Corruption 2:18
dedicated to the finiteness of everything