David Helbock: Purple
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Traumton Records, Traumton 4574
Im Pressetext von Traumton Records heißt es zu der Veröffentlichung: „David Helbock gilt nicht erst seit heute als Enfant Terrible des jungen europäischen Jazz. Selbst wer noch keinen einzigen Ton des Vorarlberger Tastenwizards gehört hat, verbindet seine äußere Erscheinung womöglich mit jenem zauselig hageren Bartgesicht unter der charakteristischen Wollmütze im Pianotastendesign, das man nicht so schnell vergisst. Helbock hat das Zeug zur Ikone. Doch unter seiner markanten Kopfbedeckung vereinen sich die unterschiedlichsten musikalischen Ideen von genial bis naheliegend, die eben nur in seinem Kopf so zusammengehen können und für jeden Außenstehenden die gegensätzlichsten Positionen besetzen.“
Das scheint mir doch über das Ziel hinausgeschossen zu sein. Bei der Begegnung mit dem Pianisten aus Vorarlberg, der nun in Sachen Jazz zwischen Berlin und Wien unterwegs ist, wird man sehr schnell merken, dass er völlig ohne Allüren ist. Er ist vielmehr ein Tüftler, der aus der Materialkiste des Jazz, alles nur Mögliche und Erdenkliche zutage fördert. Er entlockt seinem Tasteninstrument mehr als das, was durch sanftes oder kräftiges Anschlagen der weißen und schwarzen Tasten an Klang zu erzeugen ist. Er greift auch in die Saiten des Tasteninstruments und zupft die Saiten an oder er dämpft sie mit der Hand und schlägt gleichzeitig die Tasten an.
Stets ist David Helbock auf der Suche nach dem Überraschenden. Er scheint ständig unterwegs zu sein. Routine scheint ihn zu langweilen. Er sucht die Herausforderung und diese findet er auch in Kompositionen der Titanen des Jazz. So hat er sich sehr intensiv mit Thelonious Monks Kompositionen beschäftigt und diese gemeinsam mit Andreas Borger und Johannes Bär ganz eigenwillig bearbeitet.
Während Bill Frisell und Al Di Meola sich mit Kompositionen der Beatles und damit mit einem der wohl wichtigsten Abschnitte in der Geschichte der Popularmusik des 20. Jahrhunderts beschäftigt haben, hat sich David Helbock einer schillernden Figur der Popwelt genähert: Prince. Dieser afroamerikanische Musiker hat sich in der Vergangenheit stets neu erfunden, auch indem er sich neue Namen gab. Die Kompositionen von Prince hat Helbock nun für sein zweites Soloalbum ausgesucht. Dabei befasst sich ein Pianist mit einem anderen, denn Prince war ursprünglich Pianist - das wissen jedoch nur wenige.
Nein, nicht irgendeine verjazzte Popversion von Prince-Titeln lag Helbock am Herzen, sondern eher die Reduktion dieser Kompositionen auf ihren Kern, ohne ganz und gar in minimalistische Arrangements abzugleiten. Dass die Wahl für ein Soloalbum auf Bearbeitungen von Prince-Stücken fiel, war naheliegend, denn Prince war Helbocks Jugendidol. Also hören wir, was der junge Wilde aus Vorarlberg uns über Prince zu sagen hat.
„Diamond and Pearls“ hat sich Helbock gleich viermal vorgenommen, um dem Titel stets aufs Neue seine Handschrift zu geben. Insgesamt sind auf der aktuellen Einspielung dreizehn Titel zu finden, die einen Eindruck von Helbocks sehr variantenreichem Umgang mit vorgegebenem musikalischen Material vermitteln.
Gleich zu Beginn von „Diamonds and Pearls I“ hören wir eine verstimmte Turmuhr, ehe Helbock seine dahingleitenden Sequenzen anstimmt, die er stets rhythmisch auffrischt und mit starken Basslinien unterfüttert. Neben Plonk-Plonk-Plonk vernimmt mach auch ein Plink-Plink-Plink.
Bisweilen hat man den Eindruck auch Funk hätte Eingang in die Bearbeitung gefunden. Kamen bei der Einspielung auch Loops zum Einsatz? Beinahe möchte man es annehmen, wenn man die starken Bassläufe und die nervös anmutenden hochtönigen Phrasierungen hört. Bei „Kiss“ meint man, dass Thema und Harmonie an Stücke von Booker T erinnern, also aus dem Funk stammen und nicht von dem sich selbst aufs Neue inszenierenden Prince. Das Thema scheint im Verlauf des Stücks hervor, aber wird von nervös anmutendem Spiel unterbrochen. Wie einzelne schwere Regentropfen, die herabfallen, klingen wenige Tastenfolgen in „Purple Rain“. Im weiteren Tastenspiel denkt man eher an einen steten Nieselregen, als an einen heftigen Schauer. Wie Regen allerdings violett sein kann, weiß wohl nur Prince, denn wir verbinden Regenwetter ja eher mit Grautönen. Im Fortgang der Bearbeitung durch Helbock drängt sich der Gedanke an das Klavierspiel von Chopin auf. Denn: Elegisch kommt die Musik daher, die an unser Ohr dringt.
Zwischen Aufbruch und Abbruch sowie Euphorie und Traurigkeit balanciert der Prince-Titel „Delirious“, wenn er Helbock in die Finger gerät. Irgendwie scheint die Musik ein Hin und Her zu symbolisieren, gleichsam eine Zerrissenheit im Hier und Jetzt. Eine bluesige Note hat Helbock seinem Spiel beigegeben. Zudem schleicht sich hier und da auch ins musikalische Fantasieren ein Hauch von Boogie ein.
Nach einem Gang durch „Alphabet Street“ widmet sich Helbock einer musikalischen Kontroverse, wenn er „Controversy“ spielt. Starke Bassakzente und zerfließende Tonfolgen sind auch hier das Charakteristikum der Bearbeitung. Dabei scheint auch Thelonious Monk und sein Klavierspiel nicht fern, auch wenn sich Helbock diesmal ausschließlich mit Prince befasst. Bei „Cream“ hat man hingegen den Eindruck, Ragtime revisited wäre durchaus angesagt. Mit zwei Liebesgeschichten und einer weiteren Bearbeitung von „Diamond and Pearls“ schließt das Album. Wieder einmal hat David Helbock unter Beweis gestellt, dass das Experimentieren mit Musik seine Welt ist. Man darf auf mehr hoffen!
© ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
http://www.traumton.de
Musiker
http://www.davidhelbock.com
https://www.facebook.com/davehelbock?fref=ts