Dave Schumacher & Cubeye – Smoke in the Sky
D
Cellar Music
Der aus Chicago stammende Dave Schumacher ist ein versierter und vielseitiger, virtuoser Baritonsaxofonist und seit vierzig Jahren eine feste Größe in der New Yorker Jazzszene.
Auf dem Programm steht sogenannter Latin Jazz, wie man ihn von Tito Puente oder Paquito d’Rivera her kennt. Dabei mischen sich Son sowie Salsa und Postmodern-Jazz sowie Jazz Rock. Schumacher ist aktuell mit der Band Cubeye zu hören. Zu dieser gehören die Trompeter Josh Evans und Jesus Ricardo, der Tenor- und Sopransaxofonist Peter Brainin, der Pianist Manuel Valera, der Bassist Alex "Apolo" Ayala, Schlagzeuger Joel Mateo und der Perkussionist Mauricio Herrera.
Allen gemeinsam ist das „Bilinguale“ in der Musik, sprich sie sind ebenso in der Musik Kubas wie auch in der des us-amerikanischen Jazz zuhause. Das wird bereits bei den ersten Takten des Albums deutlich. Dabei ist diese Musik weniger auf kommerziellen Erfolg ausgerichtet als die von Carlos Santana beispielsweise. Das Setting ist auch ein gänzlich anderes, da auf E-Bass sowie E-Gitarre und Rhodes verzichtet wird. Da steht schon der Jazz mit seinen Ausformungen gleichberechtigt neben den lateinamerikanischen Rhythmen mit und ohne Kuhglocken.
Klangprägend sind bereits im Eröffnungsstück die vereinten Bläser und ein rhythmisches Klavierspiel. Dabei ist das Sonore der Bläser augenfällig. Ein Hörgenuss ist das ins Eröffnungstück „Smoke in the Sky“ eingewobene, teilweise exaltierte Trompetensolo, kommentiert von Manuel Valera an den 88 Tasten des Pianos. Und dann, ja dann erhebt Dave Schumacher am Baritonsaxofon die Stimme. Oder hören wir da etwa ein tiefgestimmtes Tenorsaxofon, das Peter Bainin spielt? Sprunghafte Klangsequenzen inszeniert der Pianist nachfolgend. Teilweise hören wir dabei „Umspielungen“ im Diskant, ehe dann die Bläser sich das Wort nehmen. Perkussives drängt sich im Weiteren auf. Zum Schluss findet wieder das thematische Motiv Platz, und die Rhythmen des Stück sind Aufforderung genug, das Tanzbein zu schwingen. Oder? „You Know It’s Wrong“ aus der Feder von E. Harris schließt sich ans Eröffnungsstück an. Das Stück wurde erstmals 1980 aufgenommen. Anfänglich wird der stete Tastenfluss durch auffällige Perkussion begleitet. Beinahe weich und samt gezeichnet ist das Gebläse, das im Folgenden zu hören ist. Sonores Röhren des Baritonsaxofons gibt dem Stück eine besondere musikalische Färbung und Würze. Sind da im Hintergrund Congas und eine Kuhglocke zu hören? Wahrscheinlich. Oder hören wir die beinahe konisch und ähnlich wie ein umgedrehter Flaschenhals gestaltete Iyá? Auf alle Fälle sind jedenfalls die Bläser des Ensembles nicht zu überhören.
„Carida“ weiß in der Eröffnung durch den sonoren, rauchigen Klang des Baritonsaxofons zu überzeugen. Anschließend meint man beide Trompeter des Ensembles vollmundig zu erleben. Dazu vernimmt man klickende und klackende Perkussion, kurz und beinahe als Stakkato. Auch im Weiteren drücken die Bläser dem Stück ihren farblichen Stempel auf. Hin und wieder muss man bei diesem Stück auch an die Granden des kubano-amerikanischen Jazz denken. Und auch die Rhythmen Westafrikas sind gegenwärtig. Ist da im Geiste etwa auch Arturo Sandoval anwesend, wenn das Stück seinen Lauf nimmt und wir uns am beeindruckenden Trompetensolo erfreuen können?
Mit dem Gepräge einer getragenen Ballade kommt „(No More) Smoke In The Sky“ daher. Man lausche mal intensiv dem leicht perlenden Tastenspiel des Pianisten. Bei dessen Spiel meint man, sich auflösende und dahinschwebende Rauchschwaden vor sich zu sehen. Zu Besengewische auf den Trommeln gesellt sich ein beinahe schwermütiges Bass-Solo, ehe dann das Schnurren eines Saxofons die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. „El Dilema de Chegüi Metralla“ bringt uns wieder in die Welt von Fusion und der Musik Kubas. Da spürt man das Sprühen des Rhythmus und das Feuer der Klangmelange, vor allem der Bläser. Kurz und nervös ausgeformt sind die Perkussions-Beigaben neben dem Beckenrascheln, das der Drummer verantwortet. Spunghaftes präsentiert der Pianist, teilweise auch kleine Klangstrudel. Ja, dann gibt es ja auch noch das Tenorsaxofon, das Raum zur musikalischen Ausgestaltung erhält. Und nach Peter Brainin ist es dann Dave Schumacher der seinen Tieftöner schwirren und flirren lässt. Und die Rhythmusgruppe scheint in der Quadratur des Son eingesponnen, oder?
„Walk Spirit Talk Spirit“, 1973 von McCoy Tyner komponiert, findet sich auch auf dem vorliegenden Album und ist mal kein klassisch afro-kubanischer Jazzsong. Statt dessen scheint auch diese Komposition Tyners eine Collage von Free Jazz und afrikanischer Folklore, oder? Basstropfen wird zur Eröffnung an Basstropfen gesetzt, als würde in der Musik die Maltechnik des Luminismus umgesetzt, wenn auch nicht in mediterranen Färbungen, sondern eher zwischen Umbra und Ocker angesiedelt. Und dann fließt das Stück dank der Bläser wie ein ungezügelter Strom dahin. Wir erleben einen Klangrausch, in dessen Folge dann der Pianist mit akzentuierten Setzungen und „Sprungformationen“ zu erleben ist. Oh, spielt da im Nachgang Peter Brainin nicht sogar Sopransaxofon? Das, was er spielt, gleicht bildlich einer Windhose des Klangs. Und auch einer der beiden Trompeter des Ensembles steht ihm darin in nichts nach. Leider fehlt es in der Trackliste an der Auflistung der Solos, sodass wir nicht wissen, ob Josh Evans oder Jesus Ricardo zu hören ist. Am Ende darf dann auch Latin Fever nicht fehlen. Dann drängt sich ein Saxofonist, nämlich Dave Schumacher, auf, röhrt, gurrt, röchelt, schnurrt und schnarrt. Schließlich wird das Album mit „Poinciana“ abgerundet. Damit kehren wir in die Welt der Jazzstandards und das Jahr 1936 zurück. Doch Dave Schumacher wäre nicht Dave Schumacher, wenn er diesem Standard nicht ein afro-kubanisches Kostüm geschneidert hätte. Fazit: Das Album ist ein Tipp für Liebhaber afro-kubanischer Rhythmen und divers gefächerter jazziger Bläsersätze!
© ferdinand dupuis-panther
Info
BANDCAMP
MUSICIANS:
Dave Schumacher - Baritone Saxophone
Josh Evans - Trumpet
Jesus Ricardo - Trumpet
Peter Brainin - Tenor, Soprano Saxophones
Manuel Valera - Piano
Alex “Apolo” Ayala - Bass
Mauricio Herrera - Congas, Iyá, Itótele, Okónkolo, Chekeré
Joel E. Mateo - Drums, Bells
TRACK LISTING
1. Smoke In the Sky 6:29
D. Schumacher/ arranged by Manuel Valera, Second Floor Music
2. You Know It’s Wrong 3:24
E. Harris/ arranged by Dave Schumacher, Seventh House, Ltd.
3. Caridad 6:48
AfroCuba de Matanzas/ arranged by Manuel Valera, Bis Music
4. (No More) Smoke In The Sky 4:11
D. Schumacher, Second Floor Music
5. El Dilema de Chegüi Metralla 7:22
Dave Schumacher, Second Floor Music
6. Cal Massey 5:08
S. Cowell/ arranged by Dave Schumacher, Stanco Publishing company
7. Walk Spirit Talk Spirit 11:05
M. Tyner/ arranged by Dave Schumacher, Aisha Music
8. Poinciana 9:03
N. Simon/ arranged by Dave Schumacher, Chappell & Co., Songwriters
Guild of America OBO Bernier Publishing