Das Behälter - the world is all that is the case
D
Eigenproduktion 2015
Grammatikalisch ist der Bandname ein No-go und eine Provokation. Es müsste ja richtiger Weise bzw. nach Konvention „Der Behälter“ heißen. Doch den Musikern um Julius Gabriel – alle irgendwie aus dem kreativen Inkubator der Essener Folkwang-Universität stammend – gelingt mit dem Namen der Band noch eine gekonnte Wortspielerei: „Das behält er“ steckt nämlich auch in der „Wortneuschöpfung“! Was da zu behalten ist, sind Wortspiel, Poesie, Wortgewalt, Satzschwall und Satzfragmente, Stichworte, Parolen, politische Botschaften, Gedankenfetzen und Ideensprünge – und zwar dann, wenn man sich auf das einlässt, was der Vokalist Ix Ende vorträgt: „Ich sehe Alles. Es ist Alles da. Wem soll ich denn DAS erklären? ich sehe alles. Es ist alles da. Wem soll ich das erklären? Das ist leider Abbildung, Realität und … „ so lautet eine vorgetragene Passage, eine andere: „Die Inversion des ewigen Geists – Das ist doch gelogen, du weißt es genau. Es ist genauso absurd, wie jede andere Behauptung. Es ist doch immer das Gleiche. Jenseits von Dem lauert Das.“ Derartige Wortgewalt lässt den Zuhörer zunächst sprachlos werden, oder?
Möglich war die Veröffentlichung – übrigens auf Vinyl, das wieder schwer angesagt ist – dank einer Schwarmfinanzierung. So konnten die Musiker Julius Gabriel (saxophones), Achim Zepezauer (tishline electric), Gabor Bodolay (bass) und Karl-F. Degenhardt (drums) ihr Projekt erfolgreich realisieren.
Gleich zu Beginn merkt der Zuhörer, dass hier nicht mit Wasser gekocht wird, sondern uns die Band in eine musikalische Alchemistenküche entführt. Da brodelt, blubbert, schnarrt, räuchert und quietscht es; da sind Erlenmeyerkolben und Liebigkühler gewiss mit im Spiel. Ein Gongschlag und ein Glockenspiel drängen sich auf. Untergründig blubbert und schnurrt es. Spitz klingt ab und an das Saxofon, kurz und abgehackt. Perkussive Elemente vereinen sich mit elektronischen. Die Basstrommel drängt sich auf. Schnalzend verhält sich dazu das Saxofon. Elektronischer Sound paart sich mit gezielten Trommelwirbeln und Saxofongeschrei. Dann erhebt sich eine Stimme, ruhig, ganz ruhig: „Durch die Hexenverfolgung zerstörte ...“ dringt ans Ohr des Zuhörers. Dumpfe Rhythmik überwiegt dank eines „wortmächtigen Tieftöners“. „Ich fühle mich beklemmt“ … bekennt der Vokalist. Rasch folgt Wort auf Wort, sodass es schwerfällt zu folgen, zumal Text wie Musik gleichermaßen konzentriertes Zuhören notwendig machen: „... es gibt nur eine Botschaft – Boot, Boot, Boot – Wie eine Nussschale ...“. In einer musikalischen Pause sind diese Textbruchstücke besser zu verstehen: „... Es gibt so viele Orte, an denen niemand wartet. ...“
„Loops“ folgen zu stetem Beat. Hell erklingt erneut ein Glockenspiel und liegt über einem wabernden Tonbett. Anleihe an Hip-Hop und R&B sowie Rap mischen sich in der Folge mit Musik, die wie aus einer Konserve daherkommt. „Ich habe noch was im Kopf, was sich nicht begleichen läßt … Scheiße, Scheiße, obrigkeitsweiße Scheiße ...“ Derweil echauffiert sich das Saxofon und vollführt tonale Springtänze. Beinahe im Technomodus befinden sich Drums und das „elektronische Wunderkästchen“.
Ab und an beschleicht den Zuhörer die Vorstellung von DADA und absurdem Theater. Das scheint beabsichtigt zu sein. „Ich sehe alles ...“ hören wir, aber verstehen wir auch alles? „Ich sehe so: sehe Gestern: Sylvesterknall und alles Verfall.“ …
Der Art des Wortgesangs erinnert in der Machart hier und da an den Austropop der „Ersten Allgemeinen Verunsicherung“. Erinnerung an die Publikumsbeschimpfung von Peter Handke kommen auf. Das gilt insbesondere dann, wenn „Wortgewaltige Hülsen aus den Tiefen des Geistes“ … zu hören sind. Es folgen Gestöhne, Kurzatmigkeit; Wortorgasmen: „Who's the landlord?/ I wanna fuck him / Fuck me ...“. Ekstase verbreitet dazu gleichzeitig das Saxofon, völlig entäußert, losgelöst, kreischend. In der theatralischen Dramatik wechseln derartige Passagen mit ruhigen Passagen ab, in denen nur der Text den Zuhörer einfängt.
Der zweite Titel auf dem Album, wenn man das überhaupt so nennen darf, da man eigentlich eher von einem musikalischen und textlichen Kontinuum sprechen sollte, kommt in einem gesetzten Marschrhythmus daher, in den Bass, Saxofon und auch Drums einstimmen. Dabei steigert sich nach und nach das „Schritttempo“. Sphärische Frequenzen mischen sich unter den Marsch. „Wo ist der Postbote? Wo ist der Postbote ...“ singt der Vokalist, nein besser spricht der Vokalist im „Marschtempo“. Und die Musiker marschieren, jeder mit seinem Instrument. Textlich hört man etwas über das Gleiche und Dasselbe. Zudem sollen wir uns die Welt anschauen: „... es ist schon seit längerer zeit bekannt, dass das ende aller Dinge / längst bekannt ist ...“ Dabei scheint der Textfluss auch und gerade von Begriffen bestimmt, die wie das Wort Kredit aufgegriffen und mit Halbwertzeit in Verbindung gebracht werden. Ist das nicht irgendwie wiederum wie „Warten auf Godot“?
Das Behälter fordert viel von den Zuhörern, musikalisch wie auch gedanklich. Der Kreis derer, die sich auf ein solches Experiment einlassen wollen, dürfte klein sein, obgleich es ja in der deutschen Jazzlandschaft eine lange Geschichte von Lyrik und Jazz gibt. In diesem Kontext sei unter anderem an Peter Rühmkorff, Michael Naura sowie Wolfgang Schlüter erinnert.
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Das Behälter
http://dasbehaelter.de/
Julius Gabriel
http://juliusgabriel.yolasite.com/
Bestellung
dasbehaelter@gmx.de
12inch Vinyl (20€ incl. Porto)
http://dasbehaelter.bandcamp.com/releases