Darrifourcq, Hermia, Ceccaldi - Kaiju eats Cheeseburgers
D
Bleu/ Full Rhizome Broken Silence
Wer oder was ist eigentlich Kaiju? Ist es das Krokodil-Mensch-Monster, das auf dem Cover der aktuellen CD zu sehen ist? Man muss es annehmen. Und vor diesem Monster dampft ein fetter Burger, die Mahlzeit des Monsters. Diesem Monster widmen sich die drei aus Frankreich und Belgien stammenden Musiker, der Schlagzeuger Silvain Darrifourcq und der Cellist Valentin Ceccaldi sowie der Saxofonist Manuel Hermia. Diese drei lassen uns einen ganz eigenwilligen Kosmos des Klangs erfahren, in dessen Fokus das Experimentelle steht, durchaus auch mit Verweisen an Free Jazz und Acid Jazz sowie Elektronica, so könnte man beim Zuhören meinen.
Mit dem namensgebenden „Kaiju eats Cheesburgers“ eröffnet das vorliegende Album. Wilder Galopp des Klangs ist auszumachen. Malstrom trifft auf Wolkenbruch, Orkan auf Riesenwelle, Aschestaub vermischt sich mit Lavastrom. Das sind Stichworte zu den Hörbildern, die auszumachen sind. Tieftöniges trifft auf Saxofongeschwirre und -geflirre. Bleche schwingen dazu, aber auch Toms und Bassdrum sind in Aktion. Zwischendrin gibt es auch lineare Saxofonpassagen. Doch zumeist schwadroniert der Holzbläser, entäußert sich, lässt seine gebrochene Stimme vernehmen. Und wann erleben wir den Höhepunkt?
Irgendwie hat man den Eindruck in einem Druckkochtopf köchelt und brodelt ein Klangsüppchen mit Allerlei. Doch dann, ja dann vernimmt man einen gleichbleibenden Signalton, langgezogen, so als würde das Ventil eines Kessels geöffnet werden und moduliert im Klang. Dumpfe Schritte sind auszumachen, dank an den stellenweise stimmlich zum Kontrabassisten mutierten Cellisten. Hört man da nicht Zikaden? Verhalten lässt Manu Hermia sein Saxofon erschallen. Spielt er vielleicht ausschließlich auf dem Mundstück? Lang gehalten sind die Töne und ein Bogen fährt mit kurzer Bewegung über die Basssaiten. Oder werden da elektronische Muster eingespielt?
Und was vernimmt man anschließend? Das Stampfen einer Dampflok, dank an den Bassisten und den Drummer. Unterdessen ziehen Klangwolken dahin, die dem Saxofonisten geschuldet sind. Man könnte auch das Bild von sich hebenden Nebelbänken wählen, um das Gehörte in ein Bild zu kleiden. Nach und nach wird das Spiel nachdrücklicher, das Drumming fordernder. Vor unserem geistigen Auge setzt sich dabei das Bild einer rollenden Windhose fest. Oder lauschen wir dem Burger mampfenden Kaiju? Wenn ja, dann scheint dessen Heißhunger nicht stillbar. Gibt es in diesem Stück nicht auch das eine oder andere „false ending“?
„Ma-rie Antoi-nette“ folgt auf das Eröffnungsstück. Redundant gibt sich der Bassist in der Eröffnung. Unheil und Untiefe sind zwei Stichworte die sich zum Bassspiel einstellen. Aufgedreht und kurzatmig erscheint der Saxofonist, der seine Stimme über die Flächen des Bassspiels setzt. Langsam entwickelt sich das Spiel des Holzbläsers zu lyrisch-expressiven Klangschlägen, die von freien Formen gebrochen werden. Stoisch erscheint gleichzeitig der Cellist in seinem in Tieftönen gegründeten Saitenstrich. Stimmüberschläge werden aneinander gefügt, dank an Manu Hermia. Und dann scheint Valentin Ceccaldi in eine Art House- und Techno-Modus abzudriften. Darin folgt im weiteren Fortgang des Stücks der Saxofonist. Ist da nicht auch Headbanging angesagt? Gegen Ende wird die Melange des Klangs zu einer Eruption mit heißem Lavafluss.
Unter den fünf Stücken des Albums finden wir außerdem „Disruption“ und „Charbon“. Am Ende präsentiert das Trio „Collaps in Sportwear“. Zu Beginn meint man, man tauche in die Maschinenwelt ein, als höre man Industrial Noise, sprich unter anderem lang anhaltende Tonlinien mit leichten Vibrationen sowie „Herzschläge“ – Bumm, bumm, bumm … Ist da nicht ein Sinusgenerator mit im Spiel? Man möchte es vermuten. Atemluft dringt sacht durchs S-Rohr des Saxofons, oder? Doch besonders nachhaltig dringen Tonvibrationen ans Ohr des Zuhörers. Ein wenig erinnert das an einen Tinnitus. Zudem fragt man sich, wann denn der Zusammenbruch erfolgt und wie der in eine Klangcollage eingebunden wird. Doch: Tonvibrationen werden zu Kettengliedern, die miteinander verknüpft sind. Noch eine Idee drängt sich beim Hören auf: Stehen die Tonvibrationen vielleicht für die Signaltöne von Überwachungsmonitoren auf einer Intensivstation? Hat der Zusammenbruch bereits stattgefunden? Man müsste die Musiker befragen, wie sie eigentlich zu dem Titel „Zusammenbruch in Sportkleidung“ gekommen sind und welche Intention sie damit verbinden.
© ferdinand dupuis-panther
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