Cowboys & Frenchmen - Our Highway
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Outside In Music
Vorab erlaube ich mir folgendes Zitat von Geannine Reide (All About Jazz) meiner Review voranzustellen, um das Ensemble aus „Cowboys und Franzosen“ kurz und knapp zu charakterisieren: “The swirling layers this group is able to build upon is remarkable, and when one really listens deep into the music,the interaction is breathtaking.” Mit dem vorliegenden Album (Audio/Video) lassen Cowboys & Frenchmen musikalisch ihr nomadisierendes Leben als Musiker Revue passieren. Dabei schaffen sie im übertragenen Sinne ein Klangbild von Landschaften und Verkehrswegen, die amerikanische Kleinstädte und Metropolen miteinander verbinden. Dies spiegelt sich in dem vorliegenden Videoalbum wider, das in New York City entstanden ist.
Die Band besteht aus den Saxofonisten Ethan Helm (Altosaxofon und Flöte) und Owen Broder (Alto- und Baritonsaxofon), dem Pianisten Addison Frei, dem Bassisten Ethan O’Reilly und dem Drummer Matt Honor. Sie fangen in ihrem Video das hektische urbane Leben ebenso ein wie die majestätische Natur jenseits der Stadtgrenzen. Derweil sind sie von Nachtclub zu Nachtclub unterwegs. “Watching this video come together, I got emotional remembering how happy I was when I was the most stressed out,” so Helm. “It really comes across that those times when we could get out there and struggle were actually the good times. That made a huge change in the way I think about Our Highway.”
Wie gesagt, neben dem Video-Album gibt es auch eine digitale Audioversion. Übrigens, wesentliche Bilder des Videos stammen aus Broder’s Heimatstadt Jacksonville, Florida, Helm’s Geburtsstadt Yorba Linda, California und dem aktuellen Heimathafen der Band, New York City. “When you’re always in motion, sometimes you have to invent your own sense of home... A lot of what we do has to do with finding a balance in our lives – dealing with all that comes with living in New York while piecing together the disparate elements of a freelance career, and also balancing the different paces of life." Das ist ein weiterer O-Ton von Helm.
„American Whispers: Pines“ heißt es zu Beginn des Albums: Lobgesang und Hymne zugleich, so scheint es zu Beginn. Dabei sind durchaus eruptive Elemente von Free Jazz auch mit im Spiel. Das klingt dann mehr nach Chaos, nach Eruption, nach Lavafluss, nach einer rasenden Fahrt durch eine Landschaft, die verschwommen am Auge des Reisenden vorbeizieht. Doch nach der kurzen klanglichen Entladung, folgt dann ein nachhaltiger Tastenfluss zu nervösem Drumming und feinstem Bassgezupfe. Voran, voran scheint das thematische Motto, auch wenn die Bläser gemeinsam zu hören sind. Von Flüstern, wie im Titel des Stücks angedeutet, kann nicht die Rede sein. Bildflecken reihen sich an Bildflecken, so lässt es uns der Pianist in seinem Solo glauben. Signalisieren die beiden Bläser nicht auch, dass die Erkundung der Landschaft entspannter wird? Dass der Blick auf die Landschaft eher ruhen kann, denkt man vor allem dann, wenn Ethan O’Reilly die Basssaiten anreißt. Doch was ist mit den Kiefern, die auch Teil des Titels sind? Schon bemerkenswert, dass nicht die legendären Küstenmammutbäume Kaliforniens im vorliegenden Titel eine Rolle spielen, oder?
„Alice in Promisedland“ ist eine weitere Komposition, die wir hören. Landwellige Bassklänge und „Harfengesang“, dank an den Pianisten, läuten die Geschichte von Alice ein. Sanftes, verspieltes Horngebläse dringt obendrein ans Ohr der Zuhörer. Balladenhaft entwickelt sich das Stück, auch getragen von den beiden Saxofonisten des Ensembles. Dabei scheinen Post-Bebop und Modern Jazz mit im Spiel zu sein. Eingestreut ist der Klang einer Flöte, die sich gegenüber dem aufmüpfigen Saxofon zu behaupten versucht. Derweil groovt die Rhythmusgruppe im Hintergrund. Die Linien der Flöte klingen ein wenig nach Fernost, nach Losgelöstheit, nach lauem Präriewind.
Nahtlos ist der Übergang zu „American Whispers: Streams“, anfänglich in den Klangnuancen durch das quirlige Flötenspiel geprägt. Dazu vernimmt man den Saxofonisten Owen Broder, der mit seinem Instrument auf den Spuren der Flöte unterwegs ist, bevor der Pianist Addison Frei seinem Tasteninstrument klangliche Stromschnellen und einen Malstrom abringt. Und die beiden Altsaxofonisten zeichnen nachfolgend für uns das Bild eines mächtig dahinfließenden Stroms, getreu dem Titel des Stücks. Dabei gewinnt man obendrein den Eindruck, man höre in der Tradition der legendären Songschreiber Joan Baez, Bob Dylon and Arlo Guthrie eine historische Erzählung aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Es drängen sich dann Bilder vom Großen Zug gen Westen, von den Wagenburgen der Pioniere und den blutigen Auseinandersetzungen mit den Ureinwohnern Amerikas auf. Übrigens, liegt der Rezensent falsch, wenn er in diesem Stück bezüglich der Melodielinien und Harmonien an „African Market Place“ von Abdullah Ibrahim denken muss?
Zum Schluss sei noch kurz auf „American Whispers: Mountains“ eingegangen. Dieses Stück erscheint als eine Variation der beiden anderen Stücke mit dem Oberbegriff „American Whispers“. Angesichts des nervösen Spiels der Saxofonisten und den raschen Tastenfolgen des Pianisten muss man allerdings weniger an majestätische Berge, sondern eher an ungehinderte Blicke und eine rasche Fahrt auf der Route 66 denken, an zurückgelegte Meilen, an bizarre rote Felsen in Utah, die während der Fahrt für kurze Momente einen Sekundeneindruck auf der Netzhaut hinterlassen und dann vom nächsten Bild abgelöst werden. Pausen und Kontemplation verheißt die Musik nicht. Der Zuhörer scheint in die Rolle des Getriebenen gedrängt zu werden. Urbane Hast wird ersetzt durch Unstetigkeit des Unterwegsseins, getreu von heute hier und morgen dort. Das drückt sich auch in dem punktuell freien Spiel des Ensembles aus.
© ferdinand dupuis-panther
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