Cosmic Ear – Traces

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WeJazz Records
Cosmic Ear um Christer Bothén, Mats Gustafsson, Goran Kajfeš, Kansan Zetterberg und Juan Romero legt aktuell ihr Debütalbum namens „Traces“ („Spuren“) vor. Dabei bezieht sich „Spuren“ auf die Musik des legendären Taschentrompeters und Free Jazzers Don Cherry und dessen Beitrag zu neuen Wegen in der Gegenwartsmusik des 20. Jahrhunderts.
Christer Bothén arbeitete mit Cherry in den 1970er Jahren in Schweden zusammen. Für sein aktuelles Projekt hat er sich mit den Spitzen des skandinavischen Free Jazz unserer Tage zusammengetan. Über die Musik heißt es: „Their music is meditative and deep, much recommended for fans of the likes of Don Cherry, Alice Coltrane, and Pharoah. That being said, listeners should approach Cosmic Ear only with openness and curiosity, without set stylistic boundaries, as it's the group's natural flow and togetherness that brings their music into a fresh territory of their own.“
In den Liner Notes von John Corbett lesen wir zudem: „The Cosmic Ear. Five souls, sometimes six, on the same road. The pied piper path of Mr. Cherry. Christer Bothén, one of Cherry’s main collaborators in his Swedish period and one of the most beautiful bass clarinetists on planet earth, together with next-gen saxophonist Mats Gustafsson, who has carried so many torches in Cherry’s procession, and younger Swedish stars trumpeter Goran Kajfes, bassist Kansan Zetterberg, and percussionist Juan Romero. Together a tempo is set, a path is charted. There are global grooves. … The globe is a glove, a hand warmer that radiates with extraterrestrial power, returning the fingers to their place at the center of the galaxy; the Cherry path is a balm that restores essential moisture to the lips that blow life back into the megacosm. Let us all praise warm fingers and moist mouths."
Vorab etwas zu der besonderen Instrumentierung, die auch eine westafrikanische Lauten-Harfe beinhaltet, donso n’gono oder Jägerinstrument genannt: Es ist ein typisches afrikanisches Saiteninstrument aus Mali, das aus einem Resonanzkasten, der mit Ziegen Fell bezogen ist (oder mit einem Brett bedeckt ist) und einem Holzgriff besteht. Zudem findet sich auf der Instrumentenliste auch Berimbau: Es ist ein Musikbogen mit Saite und Kalebasse!
„Father and Son“ ist die Ouvertüre zu einem Album, das die afrikanischen Wurzeln des Jazz hervorhebt, nicht nur mittels der starken rhythmischen Konnotationen, sondern auch durch die Fusion verschiedener Genres sowie sich wiederholender Muster, vor allem der Bläser. Das gibt der Musik etwas Hypnotisches, etwas an Trance Erinnerndes. Das vorliegende Stück hat außerdem etwas von einem Choral für ein Posaunenorchester und wenn nicht das, dann etwas Orchestrales, dank an die beteiligten Bläser. Irgendwie fühlt man sich angesichts der Harmonien auch an die Musik von Pharoah Sanders erinnert. Über dem steten Rhythmusgewirr erhebt sich der sanfte Laut einer Klarinette, die ab und auch ins Flirren kommt. Ansonsten formt sie feine lineare und verschwenkte Klangmuster. Angesichts der verbreiteten Rhythmusstrukturen fällt es schwer, still zu sitzen. Bassklarinette und auch Saxofon mischen munter im musikalischen Geschehen mit. Da wird das Röhren zum Markenzeichen, das Kehlige zum Charakteristikum. Interventionen gibt es auch, dank an den Trompeter des Ensembles. Dann überschlagen sich die Klangfetzen und überlagern sich. Feuerklang lodert gleichsam auf und erlischt, sobald das orchestrale Anfangsthema erneut angestimmt wird.
Das zweite Stück des Albums bezieht sich auf „Brown Rice“ von Don Cherry, 1975 im Studio aufgenommen, eine Mischung aus afrikanischer, indischer, arabischer Musik und Jazz Rock. Im Off hören wir rhythmische Schläge Das metallische Saiten-Schwirren eines Berimbau ist auch wahrzunehmen. Schwirrende Klänge und ein anschwellendes Brummen dringt an unser Ohr. Ist da nicht auch eine Flöte zu hören? Oder ist es eine Klarinette, die ihre Klangbreite auffächert? Und auch ein wiederkehrender Syntheziser-Dreiklang scheint Teil der musikalischen Melange zu sein. Beschwörend klingt das angestimmte zarte Gebläse, vielleicht ein wenig nach Nordafrika. Wie in einem Rapport, dem Aneinanderfügen von Musterungen einer Tapete, erscheinen die weiteren Klangbilder. und dann ist plötzlich Schluss.
Eine Piano-Passage mit Wildwasser und Kehrwasser, durchaus auch mit Gewicht auf die Basshand legend und auf einen energiegeladenen Duktus, bisweilen in tonalen Sprüngen und in wiederkehrenden Mustern ausgelegt - so beginnt „Love Train“. Danach werden sanfte und zarte Flötenklänge hinzugefügt. Zudem vernimmt man rasselnde Perkussion. Vereinen sich da nicht auch Trompete und Saxofon zum gemeinsamen Hymnus für den „Liebeszug“, ehe dann ein Solo auf der Taschentrompete zu erleben ist? Als Klangbasis werden die anfänglichen Muster aus Rhythmussetzung und Piano-Sequenzen fortgesetzt. Schnurrender Bläserklang breitet sich aus. Gepresste Saxofonklänge nimmt man wahr, auch ein Kreischen und Röhren mit zunehmender Intensität. Klang-Querungen zwischen Trompete und Saxofon machen sich breit. Schließlich hört man noch gedämpfte Trompetenklänge und ein explosives Flötenspiel.
Ein Synth wird aufgedreht und mit rhythmischen Mustern unterfüttert, als „Right Here Right Now“ auf dem Programm steht. Oder sind es elektronische Effekte und dazu der Klang einer Lauten-Harfe, die wir hören? Wie zuvor sind es wiederkehrende Motive, die aneinander gebunden werden. An westafrikanische Musik wie die von Fela Kuti erinnert, was wir nachfolgend zu hören bekommen. Dabei vereinen sich eine sonore Bassklarinette und die „spitzzüngige“ Trompete. Unablässig vernimmt man ein Rascheln und Rasseln. Klarinette und Trompete bzw. Saxofon stimmen einen Wechselgesang an, scheinen sich gegenseitig anzustacheln. Kehliges findet Raum. Zu den rhythmischen Grundformen kann man das Bild von Menschen im Kopf haben, die sich im Rhythmus der Musik vor- und zurückbewegen und ihre Oberkörper in Schwingungen bringen, ähnlich wie die Sufis bei ihren Ritualen. Sehr fein gesetzt sind die Trompetenlinien, die von elektronischen Effekten untermalt werden. Flatternde, explosive Gebläselaute dringen ans Ohr des Zuhörers. Es hört sich gelegentlich wie Wehklagen an. Und im nächsten Momenten scheinen Nebelhörner zu erklingen. Mit „Do It (Again) – For Sofia Jernberg“ findet das Album mit all seinen Hörherausforderungen eine Fortsetzung. Nur in der Digitalversion des Albums gibt es „TRACES of Codona and Mali“ zu hören.
© Ferdinand dupuis-panther 2025
Info
BANDCAMP
Musicians
Christer Bothén; donso n’goni, bass clarinet, contra bass clarinet, piano
Mats Gustafsson; tenor sax, flute, slide flute, Ab clarinet, live electronics, organ, harmonica
Goran Kajfeš; trumpet, pocket trumpet, synth, electronics, percussion
Juan Romero; congas, berimbau and percussion
Kansan Zetterberg; bass, donso n’goni
TRACKS
Father and Son
TRACES of Brown Rice
Love Train
Right Here Right Now
Do It (Again) – For Sofia Jernberg
TRACES of Codona and Mali (CD / digi only)