CLARA HABERKAMP TRIO: You Sea!
C
Laika Records
Angesichts der Vielzahl von Jazz-Trios in klassischer Besetzung stellt sich die Frage, wie sich die Pianistin und Vokalistin Clara Haberkamp in diesem Konzert behaupten kann. Die Fachpresse war beim Erscheinen ihres Debütalbums im Jahr 2013 voll des Lobes. Nun hat sie ein weiteres Album gemeinsam mit dem norwegischen E-Bassisten Dan Peter Sundland und dem Drummer Tilo Weber veröffentlich. Zum vorliegenden Album erklärte die 25-jährigen Wahl-Berlinerin. „Mit dem neuen Album haben wir uns ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt. Wir sind routinierter zu Werke gegangen und haben Vieles erst im Studio entstehen lassen.“
Was man uneingeschränkt über Haberkamp sagen kann, dass sie sich nicht in die Niederungen des Mainstreams begeben hat. Insbesondere bei ihren Kompositionen mit Gesang – die Lyrik hat sie dabei bei Walt Whitman und Etel Adnan entlehnt – kann weder von Singer/Songwriter noch von Jazz-Mainstream die Rede sein. In all den „Songs“ verzichtet sie auf Scat Vocal, dieser klassischen Vokal-Jazzform. Haberkamp singt mit gewissen Dissonanzen und teilweise mehr gehaucht, als dass sie die Töne lang schwingen und klingen lässt. Bisweilen könnte man auch von „Sirenengesang“ sprechen, wenn man Haberkamps Gesang verfolgt.
Insgesamt liegen nun neun Kompositionen vor, angefangen bei „Manipulator“ und endend bei „White Cloud“. Wer ein wenig kreuz und quer in Kritiken liest, findet für Haberkamps Musik Charakterisierungen wie „ein Wechselspiel von Kompression und Ausdehnung“, aber auch von der „Meisterschaft der stringenten Unlogik“. Das erscheint wenig griffig und sehr abstrakt.
Bereits beim ersten Titel des Albums, „Manipulator“ wird erkennbar, dass dissonant anmutende Bassfolgen, im Weiteren einzeln gesetzte Basssequenzen und Ostinato das Klangbild bestimmen. Nur wenig schweift Haberkamp in ihren Klavierphrasierungen ab. Sie zeigt ein starkes Spiel der linken Hand, sprich in den Bässen. Wohlklingende Melodielinien sind nicht festzustellen. Eher vermittelt sich der Eindruck von Unstimmigkeit, auch bei den sprunghaft wirkenden Klavierpassagen mit oder ohne Bass- und Schlagzeugzuspiel. Bei einem Titel wie „Nicht rot, nicht weiß, nicht blau“ muss man spontan an den Zusammenhang von Tönen und Farben denken. Doch die Fähigkeit der Synästhesie besitzen nur wenige Menschen. Außerdem stellt sich aufgrund der Negierungen die Frage, welche Farben denn noch übrig bleiben. Braun, Grün, Schwarz, Lila, Gelb …, oder? Welche Töne passen nun zu den genannten Farben? Welches Instrument steht für welche Farbe? Da wir es nicht wissen, bleibt uns nur das aufmerksame Zuhören. Wir achten auf die gemächlich sich dahinschleppenden Klavierpassagen. Stoisch erscheint das Schlagzeugspiel, auch ohne Beckenklang. Nach und nach entwickelt sich eine gewisse Beschwingtheit, als ob die bunten Teilchen in einem Kaleidoskop neu gemischt werden. Wer bei dieser Komposition nur Mausgrau im Kopf hat, mag falsch liegen, vielleicht sollte er sich doch eher Violett denken, oder?
Beim ersten Gesangsstück des Albums, „You Sea!“ nutzt Haberkamp augenscheinlich Loops oder Delays, um zweistimmig Gehör zu finden. Mit einem „Dreiton-Spiel“ des Basses beginnt der Titel „Glass“. Im Verlauf des Stücks verdunkelt sich die Stimmung, auch und gerade dann, wenn der Bass brummig gestimmt ist und die Basssaiten des Klaviers angeschlagen werden. Irgendwie wartet man auf Sequenzen, die das Zerbrechliche des Werkstoffs aufgreifen. Nein, keine schrillen Töne ohne Nachschwingen werden dem Klavier entlockt, kein kurzes Zupfen des Basses ist zu vernehmen. Das Schlagzeugspiel bleibt stoisch; kein Trommelstock fährt mit der Spitze über die verschiedenen Becken, ob Hi-Hat, Crashbecken oder Ridebecken, und erzeugt im Hochfrequenzbereich Töne, die beim Zuhörer die Nackenhaare aufstellen. Das Glas bleibt also heil, nun gut.
Dass Haberkamp auch durchaus einschmeichelnde Melodien komponieren kann, unterstreicht ihr Stück „Apart“. Summt da nicht die Pianistin auch die Linien mit, die sie als Tonfolge auf ihrem Tasteninstrument anschlägt? Auffällig ist, dass das Trio sehr stark auf die Pianistin fokussiert ist. Es scheint so, als ob Bass und Schlagzeug nur Beiwerk sind. Selten genug bekommen die Mitspieler von Clara Haberkamp Gelegenheit, sich ausschweifend in den Vordergrund spielen zu können. So fragt man sich, warum denn die Pianistin nicht gleich auf ein Soloalbum gesetzt hat. In gewisser Weise wirken die Kompositionen sehr unterkühlt, scheinen keine amüsanten Geschichten zu erzählen, sondern vom Zuhörer absolute Konzentration zu fordern. Das ist anstrengend und fordernd, aber wohl auch so gewollt.
© ferdinand dupuis-panther
Informationen
Musiker
Clara Haberkamp
www.clarahaberkamp.com