Christoph Pepe Auer: Songs I Like
C
Session Work Records, SHR 73/13
„Nach sieben Jahren intensiver Konzerttätigkeit im In- und Ausland veröffentlicht Christoph Pepe Auer (Saxofonist, Klarinettist und Gründer des Labels Session Work Records) erstmals wieder eine CD unter eigenem Namen: „Songs I Like“ präsentiert eine sorgfältige Auswahl an Eigenkompositionen und Arrangements ‚musikalischer Jugenderinnerungen, die den Komponisten und Musiker seit geraumer Zeit begleiten.“ So liest man es auf Christoph Pepe Auers Homepage.
Zum Ensemble gehören: Gregor Hilbe (drums, electronics, co-producing), Christian Bakanic (accordion, piano), Matthias Loibner (hurdy gurdy), Clemens Sainitzer (violoncello), Marie Spaemann ( violoncello) und als Gast Eva Klampfer aka Lylit (voice). Das ist ja für Jazz eine eher ungewöhnliche Instrumentierung. Der Bass als Teil der klassischen Rhythmusgruppe fehlt, dafür gibt es gleich zwei Cellos. Hm, was ist denn hurdy gurdy? Es ist eine Drehleier mit Tastenfeld und Kurbel. Auch ein solches Instrument kennt man eher aus mittelalterlicher Musik als denn aus dem Jazz. Ja, das Akkordeon hat unterdessen seinen Platz im Jazz, wenn es dann auch fälschlicherweise fast ausschließlich mit Tango oder Musette gleichgesetzt wird.
Präsentiert wird uns nicht nur eine „90er Jahre Therapie“ in drei verschiedenen Sitzungen („90s Therapy I, II, III“), sondern auch ein „Session Work Song“, „Nebensonnen“, „One Moment of Insight“ und „Warming Up On A Bass Clarinet“.
Noch etwas vorweg: Die CD-Gestaltung ist sehr aufwendig. Das betrifft nicht das Cover mit zwei Saxofontrichtern, sondern eher das Innenleben mit seiner Falzung: Man muss von einer Art Pop-up-CD-Hülle sprechen.
Wer im Booklet vor den Instrumenten arabische Ziffern findet, mag darüber stolpern. Die Erklärung liefert uns teilweise der Musiker und Producer des Albums auf Nachfrage: „Die sieben Bassklarinettenspuren sind verschiedene Elemente. Abgesehen von Melodie und Basstönen, gibt es auch verschiedene Geräusche, wie den Didgeridoo-ähnlichen Klang, sämtliche Luftgeräusche und Rhythmen die nur durch das Drücken der Klappen aufgenommen (rein perkussiv) sind. Kurz gesagt ich verwende mehrere Bassklarinetten, um damit gleichzeitig Melodie, Bass, Rhythmen und atmosphärische Sounds zu kreieren. Es zeigt die Vielfalt, was man mit diesem Instrument machen kann.“
Also wärmen wir uns für die „Songs, die ich mag“ zu Beginn einfach mal auf: Zunächst meint man, es gehe mit einer Art Beatbox los und entwickelt sich in Richtung Techno. Doch weit gefehlt. Wenn die Bassklarinette ihr sattes Klangpaket absetzt, dann mischt sich Sphärisches mit Samthauch. Ventile sind zu hören, ein perkussiver Klang kommt hinzu und dann auch noch ein Didgeridoo – oder was? Nein, kein australischer Ureinwohner geht hier zu Werke, sondern Pepe Auer, der dank seiner fürs Spiel des Didgeridoos so typischen Atemzirkulation auch die Klarinette in ein urtümliches Blasrohr aus Down Under verwandelt. Gewischte Beats im Hintergrund sorgen für Dynamik, und unsere Gedanken fliegen hin zum Uluru, dem so bekannten Monolithen mitten in Australien.
Im nächsten Song frohlockt und triumphiert die Klarinette zum Klang des Rhodes. Elektronisches sorgt für energetische Dynamik. Serviert wird uns ein schwedischer Schokoladenkuchen („Chokladkaka“), der aber eher an eine House-Music-Torte (!) denken lässt.
Wie klingt wohl ein „90s Therapie“; von der es gleich drei akustische Sitzungen zu verfolgen gilt? In der ersten Sitzung hören wir leicht lasziven Gesang zum samtenen Klarinettenklang. Wiederholtes „Nothing compares to you“ ist in die akustischen Therapieminuten eingeschlossen. In der zweiten akustischen Therapiestunde treffen Saxofon und Klarinette aufeinander. Gelöst ist die Stimmung. Es mutet wie ein Song zur Happy Hour in einer Szenebar an. Ausgelassenheit und selbstvergessene Verspieltheit sind zwei Begriffe, die m. E. ebenso gut auf die Musik zutreffen. Und was mischt sich denn da noch in den musikalischen Lauf für ein Instrument ein? Ein Balafon, eine Kalimba oder gar ein Marimbafon? Wer beim Hören keine gute Laune bekommt, dem ist wahrlich therapeutisch nicht mehr zu helfen, vor allem dann, wenn eine Minidrehorgel noch das ihre dazu beisteuert. In der dritten akustischen Therapiesitzung geht es eher getragen zu. Schleppendes Bassklarinettenspiel vereint sich mit bisweilen eher ermüdet erscheinenden Saxofonphrasierungen. Beschwörungsformeln meint man zu hören, wenn man der Bassklarinette lauscht, über die das Saxofon klare Tonwolken setzt. Eigentlich fehlen nur noch Klangschalen und ein Om, Om. Na ja, New Age ist es dann dennoch nicht, sondern ein sehr virtuoses Wechselspiel zwischen Saxofon und Klarinette, das wir genießen dürfen.
Schließlich werden uns auch die „Nebensonnen“ näher gebracht. Dabei darf dann ein Akkordeon nicht fehlen. Ist da nicht ein Harmonium mit im Spiel? Nein, die Liste der Instrumentierung klärt uns schnell auf: Es ist eine Drehleier, die im Zwiegespräch mit dem Akkordeon zu erleben ist. Etwa in der Mitte der „Nebensonnen“ drängt sich dann akustisch der Eindruck von Musette auf, irgendwie auch von Tango nuevo. Für den Rhythmus wird unter anderem am Cajon gesorgt, und auch das Cello hat seinen Platz gefunden. So also transponiert Pepe Auer Lichtflecken neben der Sonne – eine Art Haloerscheinung – in akustische Klangsequenzen. Man möchte mehr davon hören, oder?
© ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
Session Work Records
http://www.sessionworkrec.com
Musiker
Christoph Pepe Auer - clarinets & saxophones, electronics
http://www.pepeauer.com